Landgericht München:Schockanrufe: 22-Jährige gesteht Betrug

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Immer wieder sind Trickbetrüger mit sogenannten Schockanrufen erfolgreich. Nun traf es eine Seniorin in Anzing. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa-tmn)

Einer alleinerziehenden Mutter, die Senioren unter anderem in Starnberg und Penzberg um Hunderttausende Euro gebracht hat, droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Von Andreas Salch, München

Dass sie eine Betrügerin ist, hat die Angeklagte gleich zum Auftakt ihres Prozesses am Mittwoch vor der 4. Jugendkammer am Landgericht München II gestanden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die 22-Jährige zusammen mit vermutlich vier mutmaßlichen Komplizen ältere Menschen in ganz Deutschland von Polen aus um sehr viel Geld gebracht hat. Es geht um insgesamt fast eine halbe Million Euro. Zwei der Opfer stammen aus dem bayerischen Oberland.

Die Masche, mit der die mutmaßliche Bande arbeitete, waren sogenannte Schockanrufe, mit denen sie ihre Opfer in Angst und Schrecken versetzt haben sollen. Hintermänner der 22-Jährigen gaben sich am Telefon entweder als Polizeibeamte oder Staatsanwälte aus und erzählten den fast durchweg älteren Menschen, dass einer ihrer Angehörigen einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe. Sollten sie keine Kaution hinterlegen, drohe ihrem Angehörigen unweigerlich Haft. Abgeholt wurde die vermeintliche Kaution in allen sieben Fällen, die nun vor Gericht verhandelt werden, von der 22-Jährigen.

Einer der mutmaßlichen Komplizen hatte eine Frau aus Pöcking (Landkreis Starnberg) Mitte September vergangenen Jahres dazu gebracht, Schmuck im Wert von knapp 173 000 Euro zu übergeben. Und auf eine 79 Jahre alte Frau aus Penzberg (Landkreis Weilheim-Schongau) redete einer der Hintermänner am Telefon so lange ein, bis er sie so weit hatte, dass sie der Angeklagten am 23. September 2022 an einem Treffpunkt in der Gautinger Straße in Starnberg Goldmünzen, Schmuck und Goldbarren im Wert von insgesamt rund 100 000 Euro aushändigte. Anfang Oktober des vergangenen Jahres gelang es der Polizei, die 22-Jährige in Hamburg festzunehmen. Seither sitzt die alleinerziehende Mutter in Untersuchungshaft.

Für den Fall eines umfassenden Geständnisses hat der Vorsitzende der 4. Jugendkammer, Richter Martin Hofmann, der Angeklagten eine Haftstrafe zwischen viereinhalb und fünf Jahren in Aussicht gestellt. Obwohl sie bereits 22 Jahre alt ist, werde sie nach Jugendrecht verurteilt werden, so der Richter.

Ausschlaggebend hierfür waren die Angaben, die die Angeklagte zu ihrer Person gemacht habe. Diese deuteten darauf hin, dass sie noch "kein eigenständiger Mensch", sondern eher noch eine Jugendliche sei, sagte der Vorsitzende. Die zu einer ethnischen Minderheit zählende Angeklagte heiratete in Polen im Alter von 17 Jahren einen erst 14-Jährigen. Die Beziehung währte nur kurz. Danach heiratete sie einen 24-Jährigen, der nach wie vor in Polen lebt. Ihren Vater lernte die Angeklagte, die in Hamburg geboren wurde und in Kinderheimen in Deutschland aufwuchs, erst mit 16 Jahren kennen. Er brachte seine Tochter dazu, zu ihm nach Polen zu kommen. Dort, so berichtete die 22-Jährige bei ihrer Vernehmung, sei sie von einem jungen Mann auf einem Festival angesprochen worden. Er habe ihr angeboten, sich etwas dazuzuverdienen, indem sie in Deutschland bei Personen, die er ihr nennen werde, Geld abholen solle.

Für jede Abholung habe sie zwischen 500 und 1000 Euro bekommen, so die 22-Jährige. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob sie ihren Auftraggeber jemals gefragt habe, warum sie ausgerechnet bei älteren Menschen in Deutschland Geld abholen solle, sagte sie, dass sie das getan habe. Doch der habe geantwortet: "Das brauchst du nicht zu wissen."

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