Corona und grippale Infekte in München:Die Welle nach der Wiesn

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In München steigen sowohl die Corona-Zahlen als auch die Anzahl weiterer grippaler Infekte - wie jedes Jahr nach der Wiesn. (Foto: Christina Sabrowsky/dpa)

Die Wartezimmer in den Hausarztpraxen sind voll, im Münchner Abwasser finden Forscher immer mehr der Virus-Überreste. Warum die Mediziner trotzdem gelassen bleiben.

Von Nicole Graner

Das Oktoberfest ist nicht einmal eine Woche vorbei - und München schnieft. Die Zahl der Krankheitsfälle mit Corona und der "Wiesn-Grippe", also grippalen Infekten, steigt und die Wartezimmer vor allem in den Hausarztpraxen sind voll.

Die bekannten Indikatoren sind dabei nicht mehr sehr aussagekräftig, weil sich die wenigsten Erkrankten noch auf Corona testen: In München wurden laut Robert-Koch-Institut für die Woche vom 25. September bis 1. Oktober 436 Corona-Fälle gemeldet. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 29. Die Tendenz ist jedoch steigend. In der Vorwoche waren es 251 Fälle. Für Bayern liegt die Inzidenz am Freitag bei 15, im gesamten Bundesgebiet bei zehn. Das ist im Vergleich zum Vorjahr sehr wenig. Da lag die Inzidenz am selben Tag bundesweit bei 504.

Eine genauere Einschätzung der Lage ermöglicht die Untersuchung des Münchner Abwassers: Dort lässt sich eine stark steigende Sars-CoV-2-Viruslast nachweisen. Zweimal wöchentlich werden an einem Klärwerk Wasserproben entnommen und im Labor ausgewertet. Die jüngste Messung war am 28. September. Laut der Infoseite des Überwachungsnetzwerks "BayVoc" - einem Zusammenschluss unter anderem des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, der Ludwig-Maximilians-Universität, der Technischen Universität und von Virologen an bayerischen Universitäten - ist die Tendenz ausgehend von einem niedrigen Niveau seit Juli meist steigend. "Wie übrigens in den meisten bayerischen Kommunen, die derzeit im Abwassermonitoring vertreten sind", sagt Oliver T. Keppler, Sprecher des Netzwerks. Das sei also weder "münchenspezifisch, noch überraschend".

Am 28. September, also in der zweiten Wiesn-Woche, erreichte die Sars-CoV-2-Einzelmessung einen Wert von 71,5 Prozent - verglichen mit dem Höchstwert der vergangenen zwölf Monate vom 10. Oktober 2022, also kurz nach dem damaligen Oktoberfest. Wie Keppler erklärt, werde dieser höchste im Vergleichszeitraum gemessene Wert in der Darstellung auf 100 Prozent gesetzt, die anderen Messwerte prozentual dazu berechnet. Die Auswertungen dauerten in der Regel zwei bis vier Tage, die gezeigten Daten seien also "etwas zeitverzögert". Keppler weist darauf hin, dass sich die Werte innerhalb des Zeitstrahls eines Standorts gut miteinander vergleichen lassen, aber nicht zwischen den Standorten. Hier seien eher die Dynamiken, also Anstieg und Abfall der Viruslast zu vergleichen. Faktoren, wie die Proben entnommen werden, wie viel es geregnet hat, oder wie viele Haushalte an der Messstelle liegen, spielten dabei eine für jeden Standort spezifische Rolle.

Momentan wird das Abwasser nur auf Coronaviren untersucht. Aber man sei dabei, die Messungen auszuweiten und die Proben auch auf den Influenzavirus A und B sowie das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) zu untersuchen.

Corona-Erkrankungen nehmen zu

Markus Frühweins Stimme klingt etwas nasal. Tatsächlich ist der Allgemeinmediziner selbst krank und nicht in seiner Praxis an der Brienner Straße. "Gerade schon blöd", wie er sagt. Weil von seinen 25 Mitarbeitenden auch noch ein weiterer Arzt und zwei medizinische Fachangestellte krankheitsbedingt fehlen. Momentan kämen sehr viele Patienten mit Infekten. Die typische "Wiesn-Grippe", wie der 42-Jährige sagt. Aber auch die Corona-Erkrankungen würden wieder stark ansteigen. "Da kommen im Moment immer mehr."

Leider falle nun seit März die Krankschreibung per Telefon weg, sagt der Arzt. Mit dem Wegfall der meisten Corona-Schutzverordnungen ist eine solche Corona-Krankschreibung nicht mehr möglich, die das Praxis-Team entlasten würde. Entweder kämen die Patienten tatsächlich in die Praxis, oder er biete eine Videosprechstunde an, um sich ein Bild von den Symptomen zu machen. Dennoch sei das sehr arbeitsintensiv und auch nicht "zielführend". Denn die Corona-Patientinnen und Patienten, besonders auch viele jüngere, seien "richtig krank" und hätten zum Beispiel starkes Fieber.

In Frühweins Praxis für Allgemein-, Tropen- und Reisemedizin wird viel geimpft. Jetzt sind es besonders die Grippe- und verstärkt Corona-Schutzimpfungen. "Fast 50 Impfungen am Tag führen wir da durch", sagt der Arzt.

36 Covid-Patienten werden behandelt

Die saisonal bedingten Corona-Fälle hätten in den vergangenen Wochen "kontinuierlich, aber moderat zugenommen", teilt die München Klinik mit. Aktuell werden 36 Covid-Patienten behandelt, drei davon liegen auf der Intensivstation. Auch andere Atemwegserkrankungen wie die Influenza hätten gerade Konjunktur, sagt Christoph Dodt, Notfallchef in Bogenhausen, und rät unbedingt zur Grippeimpfung. Er geht davon aus, dass die Fälle im Jahresverlauf weiter zunehmen würden. Aber man sei darauf vorbereitet.

Kinderarzt Christian Schröter ist derzeit noch relativ gelassen. Atemwegsinfekte und grippale Symptome nähmen bei seinen kleinen Patienten zwar zu, aber er rechne erst in der nächsten Woche mit stark ansteigenden Zahlen. Noch seien "in der Praxis alle gesund", sagt der 53-Jährige. Damit das auch so bleibt, habe er die Plexiglas-Schutzwände in seiner Praxis noch nicht abgebaut.

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