Wald:Diese Gefahren lauern im Holz

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Mit Harvestern werden vom Buchdrucker befallene Bäume gefällt und entastet. Revierförster Michael Matuschek begutachtet die deutlichen Fraßspuren. (Foto: Claus Schunk)

Zahlreiche Käfer und Pilze haben in den Wäldern rund um München ihre Spuren hinterlassen. Förster Matuschek hat trotzdem noch Hoffnung.

Von Daniela Bode

Treffpunkt Putzbrunn. Fährt man mit Michael Matuschek, Revierförster beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Ebersberg, durch den Landkreis München und schaut sich die Wälder an, sieht man sie überall, besonders an den Rändern zur Stadt München. Fichten, die braune Kronen haben, abblätternde Rinde. Es ist ein Zeichen dafür, dass der Kupferstecher oder der Buchdrucker hier ihr Unwesen getrieben haben.

Die beiden gerade einmal ein paar Millimeter großen Borkenkäfer haben sich im vorigen Jahr auch im Kreis massenhaft vermehrt und große Schäden angerichtet. Und sie sind weiter auf dem Vormarsch. "Ich würde es vorsichtig formulieren als deutlich angespannte Lage", sagt Matuschek. Er ist zuständig für 5500 Hektar Wald von Aschheim über Haar bis Grasbrunn und auch für einige Stadtbezirke. Außer den Borkenkäfern tummeln sich in den Wäldern und Bäumen derweil noch andere Schädlinge, gegen die der Kampf zum Teil noch nicht ausgestanden ist.

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Dass der Buchdrucker es im vergangenen Jahr so leicht hatte, sich zu vermehren, hat mehrere Gründe. Im Frühjahr riss der Sturm Niklas zahlreiche Fichten um. "Wir hatten viel Bruchholz, das ist Brutholz für den Käfer", sagt Matuschek. Bei den Fichten, die noch standen, waren die Wurzeln geschädigt, dadurch waren sie geschwächt. Sie reagierten mit einer Notfruktifikation, das sieht man an den vielen Tannenzapfen in manchen Kronen, doch das schwächte sie noch mehr.

"Dann kam der trockene und heiße Sommer", sagt Matuschek. Der setzte den Bäumen noch mehr zu. Die Münchner Schotterebene ist ohnehin kein idealer Boden für Fichten, sie brauchen Feuchtigkeit. So befiel der Buchdrucker in Massen die Fichten. Auch der Kupferstecher war im vorigen Jahr aktiv, der vor allem junge Bäume befällt. Besonders an den Südrändern zur Stadt München wurde er entdeckt, unter anderem in Neubiberg, Ottobrunn, Putzbrunn und Teilen von Grasbrunn.

Ein Käferpaar, 64 000 Nachkommen

Die Borkenkäfer befallen den Baum, indem das Männchen die Rammelkammer bohrt und das Weibchen Muttergänge anlegt. Für jedes Ei legt es eine eigene Nische an. Normalerweise wehrt sich die Fichte, indem sie Harz absondert.

Während etwa 10 000 Käfer nötig sind, um die Harz-Barriere zu überwinden, reichten voriges Jahr wegen des extremen Sommers ein paar hundert, sagt Matuschek. Beide Borkenkäferarten konnten laut dem Förster insgesamt drei Generationen entwickeln, was ein exponentielles Wachstum bedeutet. Aus einem Käferpaar konnten sich mindestens 64 000 Käfer entwickeln.

Die Folgen sind in den Wäldern an der Stadtgrenze deutlich zu sehen, etwa im Bahnhofswald in Neubiberg. Wo früher die Fichten dicht standen, ist es nun teilweise licht, befallene Bäume wurden gefällt und weggebracht. Auch im Bezirkswald in Haar sind zahlreiche Fichten rot markiert, müssen möglichst schnell entfernt werden. "Hier verlieren wir so gut wie alle Fichten", sagt Matuschek.

Zurzeit ist das AELF mit Harvestern in den Wäldern unterwegs, um betroffene Bäume abzutransportieren. Weil der Käfer wegen des milden Winters unter der Rinde weiterfressen konnte, braucht er keinen Reifefraß mehr, sondern kann sofort ausfliegen und sich weiter vermehren, wenn die Temperaturen bei 16,5 Grad Celsius liegen. "Deshalb arbeiten wir und die Waldbesitzer noch auf Hochtouren. Die Zusammenarbeit ist gut. Ziel ist es, die befallenen Bäume bis zur letzten Aprilwoche zu beseitigen", sagt Matuschek.

Wieder zurück im Auto geht es weiter nach Norden in die Isarauen in Ismaning. Hier kann man gut sehen, was dem Förster außer den Borkenkäfern noch Sorgen bereitet. Große Flächen, auf denen kaum mehr ein Baum steht, den Isarradweg säumen meterweise Holzpolter.

Blickt man nach oben, sind in den Kronen vieler Eschen abgestorbene Äste zu sehen. Grund für all das ist das Eschentriebsterben, das die Isarauen besonders betrifft, da "die Esche hier in der Gegend der Hauptbaum ist", sagt Lothar Weber, Leiter des Sachgebiets Gartenbau und Forst in der Gemeinde Ismaning.

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Es ist nicht ohne Grund, dass der Ortsname Aschheim vom Wort Esche kommt. In Bayern wurde das Eschentriebsterben erstmals 2008 wahrgenommen. Verursacher des Eschentriebsterbens ist ein Pilz aus Japan, das Falsche Weiße Stengelbecherchen. "Er befällt alle Eschen, fünf bis zehn Prozent sind resistent", sagt Matuschek.

Der drei bis vier Millimeter große Pilz bildet sich auf dem Laub, die Sporen werden durch den Wind verteilt und infizieren weitere Blätter, sie verfärben sich braun. In den Kronen bilden sich unnatürlich viele Seitentriebe, weil die Endtriebe absterben. Irgendwann sterben auch größere Äste ab.

Wenn die Eschen so geschwächt sind, kommt das zwei weiteren Schädlingen gerade recht. Sie setzen den Laubbäumen dann als so genannte Sekundärschädlinge zu. Auch das kann man in den Isarauen gut sehen. Matuschek zeigt auf Eschen mit rissigen Wurzeln. Hier hat sich bereits der Hallimasch, ein heimischer Pilz, seinen Weg gebahnt. Er besiedelt erst die Wurzel, kann auch den Stamm hochwachsen.

Das weiße Pilzgeflecht verursacht eine Stammfäule, sodass der Baum sogar umfallen kann. Matuschek deutet auf eine weitere Esche, unter deren Rinde Fraßgänge zu sehen sind. Hier hat der Kleine Bunte Eschenbastkäfer, ebenfalls ein Borkenkäfer, sein Unwesen getrieben. Er bohrt sich in die Rinde ein, bildet darunter Fraßgänge und macht der Esche den Garaus.

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Dass besonders stark befallene Eschen umfallen, verhindern die Gemeinde Ismaning und der Förster aber. "Aus Gründen der Wegesicherung werden die Bäume rechtzeitig entfernt", sagt Matuschek.

Auch wenn die Mengen an Holz, die entnommen wurden und den Isarradweg säumen, sehr groß sind, ist in der Bevölkerung Verständnis da, sagt Matuschek. "Die Leute wissen, dass alles, was umgeschnitten wird, auch wieder aufgeforstet wird", sagt er. Baumkletterer die Kronen schneiden zu lassen, lohnt sich laut Matuschek nicht. Es sei finanziell nicht sinnvoll, wenn der Baum zwei Jahre später ohnehin tot sei und entnommen werden müsse.

Während Matuschek eine Bekämpfung des Pilzes aus Japan nicht für möglich hält - "beim Eschentriebsterben ist der Kampf verloren, bevor es überhaupt losgeht" -, sieht er das bei dem ebenfalls aus dem Ausland eingeschleppten Asiatischen Laubholzbockkäfer anders. Auch der hat in den vergangenen Jahren im Münchner Osten deutliche Spuren hinterlassen.

"Diesen gefährlichen Käfer braucht hier niemand. Er muss ausgerottet werden", sagt der Förster. Zwar verbreite er sich nicht in Massen wie der Borkenkäfer. Die große Palette an Wirtsbäumen mache ihn aber so gefährlich. Weltweit wurde bereits bei 29 Baumarten ein Befall nachgewiesen. Nach dem EU-Recht und den neuen Allgemeinverfügungen für die Befallsgebiete Neubiberg und Feldkirchen müssen im 100-Meter-Umkreis eines befallenen Baums 16 Baumarten gefällt werden. Darunter sind die Gattungen Ahorn, Birke, Kastanie, Hainbuche.

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Rund 2000 Bäume und Sträucher sind dem Kampf gegen den Käfer im Landkreis - vor allem in Neubiberg und Feldkirchen - und am östlichen Stadtrand in Waldperlach zum Opfer gefallen. In Münchens Stadtrandbezirken hofft man derzeit, das Übergreifen auf das Stadtgebiet noch verhindern zu können.

Entwarnung gibt es zwar noch nicht. In Feldkirchen und Neubiberg wird laut Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) an den Bäumen derzeit intensives Monitoring betrieben. Bei den jüngsten Überprüfungen Ende vorigen Jahres waren in beiden Befallsgebieten jedoch keine Merkmale mehr gefunden worden. Ob der Krabbler erneut auftritt, wird sich zeigen.

An alternativen Bekämpfungsmethoden werden derzeit geforscht

Über den Winter waren die Bäume von weiterem Befall verschont, da die erwachsenen Insekten am Anfang des Winters absterben. Sollten sich Larven im Holz befinden, schlüpfen diese erst im Sommer. An alternativen Bekämpfungsmethoden wird derweil weitergeforscht.

Die Landesanstalt beobachtet die weltweiten Entwicklungen zu Ortungsverfahren wie der akustischen Ortung. Bisher gibt es aber laut Pressesprecherin Elke Zahner-Meike noch keine konkreten Informationen. Zudem forschen laut LfL Firmen an einem Wirkstoff gegen den Laubholzbockkäfer, eine Art Impfstoff für den Baum.

Die Bürgerinitiative "Gegen Alb-Traum Neubiberg" unterstützt mittlerweile eine Resolution der Münchner Entomologischen Gesellschaft. Diese fordert darin die Bayerische Staatsregierung auf, den Käfer nicht mehr als Quarantäneschädling, sondern als etabliert einzustufen. So sei ebenfalls eine Bekämpfung möglich, aber ohne radikale Fällungen.

Der eine oder andere mag sich vor einer Weile vielleicht auch vor dem Citrusbockkäfer gefürchtet haben. Denn 2014 war der Schädling in Anzing im benachbarten Landkreis Ebersberg an einem gekauften Ahornbaum festgestellt worden. Bei Kontrollen im Jahr 2015 hatte man jedoch keine weiteren Exemplare gefunden.

Das hatte der Pflanzenschutzdienst des AELF in Rosenheim damals bekannt gegeben. Der Käfer aus Asien kann als noch gefährlicher als der Asiatische Laubholzbockkäfer eingestuft werden, da er alle Arten von Laubgehölzen befällt und dort schwere Schäden anrichten kann.

Auf dem Weg mit Förster Matuschek geht es immer wieder auch vorbei an Kastanienbäumen, deren Blätter sich gerade entfalten. Einige von ihnen, wie auch in vielen Biergärten, werden in diesem Jahr wieder von der kleinen Miniermotte und ihren Larven heimgesucht werden. "Im Grunde haben alle weißblühenden Kastanien, bei denen im Herbst das Laub nicht entfernt wird, mehr oder weniger starken Befall", sagt Wolfgang Kreckl, zuständig für den Pflanzenschutz im Gartenbau bei der LfL.

Die Larven und Puppen überwintern im Falllaub, im Frühjahr zur Zeit der Kastanienblüte schlüpfen sie, fliegen ein paar Meter nach oben und legen dort Eier auf den Blättern ab. Die geschlüpften Raupen minieren dann die Blätter, fressen also unter der Blattoberfläche Hohlräume heraus. Das verursacht braune Flecken auf den Blättern. Im Juli etwa schlüpfen die Falter der zweiten Generation, je nach Witterung kann sich noch eine dritte Generation entwickeln. Es entsteht vor allem ein optischer Schaden, die Blätter verfärben sich braun, sind vertrocknet.

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Ein aktuelles Thema ist die Miniermotte für die LfL aber nicht mehr, da sie schon seit mehr als 20 Jahren in Bayern flächendeckend auftritt, sie ist quasi zu einem Bestandteil der hiesigen Umwelt geworden - innerhalb wie außerhalb der Stadt. Bekämpfen kann man sie laut Kreckl nicht. Es gebe zwar viele Nützlinge, die die Motte parasitierten, aber keiner sei auf sie spezialisiert.

Einzige Möglichkeit, den Befall mit der Motte möglichst gering zu halten sei es, das "Falllaub im Herbst regelmäßig gründlich zu entfernen", sagt Kreckl. Wichtig sei es, die erste Generation zu minimieren, wenn die Blätter noch jung sind und die Fotosynthese auf Hochtouren läuft.

Weil es momentan wegen der Stürme, des Borkenkäfers und des Eschentriebsterbens so viel darum geht, Bäume wegzuräumen und zu fällen, macht Förster Matuschek seine Arbeit zurzeit manchmal wenig Spaß. Verdrossen ist er aber keineswegs. Denn beispielsweise im Bezirkswald im Landkreis, in dem beim Sturm Wiebke vor 26 Jahren etliche Hektar Fichtenwald in einer Nacht umfielen, sind nun schon wieder ein paar Meter hohe Eichen herangewachsen, hier entsteht ein Eichenmischwald.

"Das macht mir große Hoffnung", sagt der Förster. Auch wenn es ein langwieriger Prozess ist. Nur die Birken müssten herausgeschnitten werden, da sie die Eichen irgendwann überholen und ihnen das Licht nehmen würden. Auch die anderen Flächen werden zu einem artenreichen Mischwald mit Bäumen wie Ulme, Ahorn, Eiche und Lärche umgebaut, die dem Klima angepasst sind und denen es nicht wie der Fichte eigentlich zu trocken ist. Trotz des Asiatischen Laubholzbockkäfers werden überall heimische Baumarten gepflanzt, denn nach Ansicht des Försters muss und kann der Käfer ausgerottet werden, da er noch nicht flächendeckend vorhanden ist.

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Auch auf den Flächen, auf denen viele Eschen fallen mussten, ist im Waldbau ein Umdenken passiert. Hier soll einerseits durch das Pflanzen heimischer Laubbäume und Naturverjüngung der resistenten Eschen ein Mischwald entstehen. Es werden beispielsweise Linde, Ahorn, Eiche und Ulme gepflanzt. Letztere ist vor rund 20 Jahren selbst Opfer eines Schädlings geworden, des Ulmensplintkäfers. Manches tote Eschenholz bleibt im Wald liegen, um als Lebensraum für Tiere zu dienen.

Matuscheks Tage sind zurzeit lang. Bis es dunkel wird, ist er in den Wäldern unterwegs, auch um private Waldbesitzer zu beraten, was sie pflanzen sollen. Dennoch ist er guter Dinge: "Es ist nicht das Ende, sondern es gibt viel Hoffnung."

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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