Seit etwa zwei Jahren kämpfen Wilhelm und sein Team gegen Pseudomonaden, die aus Westeuropa nach München gelangt sind. Die Bakterien schädigen mittlerweile auch große Kastanien so stark, dass sie gefällt werden müssen. "Wir hoffen natürlich nicht, dass die Münchner Biergärten alle betroffen sein werden", sagt Wilhelm. Aber das Bakterium hat München erreicht: "Es ist da."
Die seit acht Jahren zunehmend von einem Pilz befallenen Eschen werden nun sukzessive durch Arten ersetzt, bei denen bislang kein Pilzbefall bekannt ist. Gerade wegen der raschen Ausbreitung von Krankheitserregern versuchen die Münchner Baumschützer, in Zukunft möglichst viele Baumarten im Stadtgebiet zu haben, damit bei einem Befall nicht gleich Tausende Bäume gefällt werden müssten. Das würde das städtische Klima schlagartig verändern.
Denn bis ein nachgepflanzter Baum groß genug ist, bis er Schatten spendet und die Umgebung kühlt, vergehen viele Jahre. Deshalb setzt die Stadt zunehmend auch auf ihre Bürger. Sie sollen, wo es geht, ihre Hauswände bepflanzen, ihre Dächer und Garagen, um so für sich, aber auch ihre Nachbarschaft ein angenehmeres Mikroklima zu schaffen.
Wilhelm Zimmermann ist einer der Münchner, die vormachen, wie das geht. Der 75-Jährige steht an einem grauen Novembertag vor seinem Häuschen in Forstenried und blickt auf seine grüne Hauswand. Im dichten Efeu raschelt es, ein fuchsrotes Eichhörnchen huscht aus dem Blätterwald.
"Der Efeu ist jetzt fast dreißig Jahre alt", sagt Zimmermann. Als er ihn an der Nordwand seines Hauses pflanzte, war er noch als Malermeister in München unterwegs. Manchmal stand er dann vor fremden Häusern, an denen Kletterpflanzen bis unters Dach rankten. "Da habe ich schon mal gesagt: Was habt ihr denn da für ein Zeug, wie soll man denn da streichen?"
Was geschieht mit den Grünflächen?
Aber dann entdeckte der Maler doch seine Liebe zu grünen Hauswänden. Längst hat er sein Haus an fast allen freien Wänden mit Hopfen, Efeu, wildem Wein, Kletterhortensien, Rosen und Winterjasmin bepflanzt. Und er liebt das eingewachsene Haus mit seinen Pflanzen. Ihn ärgern höchstens Leute, die Vorurteile gegen Kletterpflanzen haben, die behaupten, dass diese dem Putz schaden und Ungeziefer beherbergen. Dabei nisten höchstens Vögel im dichten Laub - oder Eichhörnchen verstecken sich darin.
Er weiß aus Erfahrung, dass durch die Pflanzen Staub aus der Luft gefiltert wird und die Fassaden im Sommer längst nicht so aufgeheizt werden wie bei einer nackten Wand. Und es gebe noch sehr viele nackte Wände, die auf ein grünes Kleid warten. "Bei Temperaturen von über 30 Grad wären die Innenstädter sicherlich froh, wenn's ein bisserl kühler wäre", sagt Zimmermann. Aber überall werde gebaut und nachverdichtet, statt Grün gegen den Klimawandel zu schaffen. "Das ist schon ein Widerspruch", findet der pensionierte Malermeister.
Es ist tatsächlich ein Dilemma, in dem die Stadt steckt. Sie will für die Zukunft Zehntausende Wohnungen bauen. Doch was geschieht mit den Grünflächen, die in der Stadt ebenfalls gebraucht werden? Umweltreferentin Stephanie Jacobs versichert, dass trotz des massiven Siedlungsdrucks möglichst alle Parks, Grünzüge und Heideflächen erhalten und neue angelegt werden sollen.
Die Klimakonferenz von Marrakesch hat gezeigt, dass sich die Welt dem Klimawandel stellen muss. Auch eine Stadt wie München. "Wie wir unseren Beitrag leisten können, erarbeiten wir gerade in der Stadtverwaltung", sagt Umweltreferentin Jacobs.
Wilhelm Zimmermann ist da skeptisch. Bei ihm wird in der Nachbarschaft bald noch dichter gebaut. "Und dann werden Hunderte Bäume wegkommen, befürchte ich", sagt er. "Muss das denn sein?"