Prozess um Hilfspfleger:"Was ich getan habe, ist sehr brutal und bleibt brutal"

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Der Angeklagte beim Prozessauftakt im November 2019. (Foto: dpa Bildfunk)

Der Hilfspfleger und mutmaßliche Serienmörder, der Patienten mit Insulin getötet haben soll, entschuldigt sich bei den Hinterbliebenen seiner Opfer. Vor dem Urteil erhebt eine Nebenklägerin Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft.

Der wegen mehrfachen Mordes in München angeklagte Hilfspfleger hat sich bei den Familien der Opfer entschuldigt. "Ich bereue es zutiefst", sagte er am Dienstag vor dem Landgericht München I. "Nochmal möchte ich mich entschuldigen bei allen Familien für das, was ich getan habe." Der 38 Jahre alte Pole ist wegen Mordes an sechs seiner Patienten angeklagt. Seine Verteidigerin forderte "ein sachgerechtes Urteil" und bat das Gericht, zu prüfen, ob die Verhängung einer Sicherungsverwahrung für die Zeit nach einer lebenslangen Haft tatsächlich notwendig sei oder ob ein lebenslanges Berufsverbot nicht ausreiche. Gegen die Forderung nach lebenslanger Haft wandte sie sich nicht.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, pflegebedürftigen Patienten an verschiedenen Tatorten in Deutschland Insulin gespritzt zu haben, das als Überdosis tödlich sein kann. Er soll über das Medikament verfügt haben, weil er - anders als seine Opfer - Diabetiker ist. Die Staatsanwältin sieht ihn als "Serienmörder". Anklage und Nebenkläger hatten lebenslang und Sicherungsverwahrung gefordert. "Die Allgemeinheit muss vor dem Angeklagten geschützt werden", sagte eine Anwältin.

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"Ich verspreche, ich schwöre mit der Hand auf dem Herzen, dass ich für diese Verstorbenen bete", sagte der Angeklagte in seinem letzten Wort. "Was ich getan habe, ist sehr brutal und bleibt brutal." Er übergebe sein "ganzes Leben in die Hände des Gerichts", sagte der Mann. Vor dem Urteil, das am 6. Oktober verkündet werden soll, gibt es Ärger zwischen Staatsanwaltschaft und Nebenklage, weil die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussplädoyer vergangene Woche nur drei Mordfälle als zweifelsfrei nachgewiesen betrachtete - und in den übrigen Freispruch forderte.

Diese Forderung sei "persönlich verstörend", sagte die Anwältin einer Nebenklägerin. Sie habe das Gefühl, man wolle "nun einfach schnell fertig werden". Es gehe zwar um eine Mordserie, "aber eben auch um einzelne Menschenleben". Sie warf der Staatsanwaltschaft vor, nicht gründlich genug ermittelt zu haben und sich mit einer Verurteilung in weniger Fällen zufrieden zu geben, weil das am möglichen Strafmaß nichts ändere. Ihr Rechtsempfinden habe "Alarm geschlagen", erklärte die Anwältin. Sie wolle "an das Bewusstsein der Justiz appellieren, dass jeder, aber auch jeder der Mordfälle verfolgt wird". Ihre Mandantin habe nach dem Tod ihres Vaters schon den Glauben an das deutsche Gesundheitssystem verloren. Sie wolle als Hinterbliebene "jetzt nicht auch noch ihr Vertrauen in ein funktionierendes Justizsystem verlieren".

© SZ vom 30.09.2020 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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