Test statt Numerus clausus:TU hat Zahl der Studienabbrecher deutlich reduziert

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Eignungstests müssen die Ausnahme sein: Unis sollen Bewerbern vor allem bei der Orientierung helfen, wie hier beim Tag der offenen Tür in Garching. (Foto: Johannes Simon)
  • An der Technischen Universität München (TU) liegt die Zahl der Studienabbrecher deutlich unter dem deutschlandweiten Schnitt. Das zeigt eine Erhebung der Hochschule.
  • Die TU führt das vor allem darauf zurück, dass nicht nur die Abiturnote von Bewerbern wichtig ist, sondern auch das Ergebnis einer Eignungsprüfung.
  • Trotzdem will man das Verfahren nicht ausweiten, auch weil das bayerische Wissenschaftsministerium zurückhaltend ist. Sollten die Prüfungen gegen den Grundsatz der freien Berufswahl verstoßen, könnte das viele Klagen nach sich ziehen.

Von Jakob Wetzel, München

Für die Technische Universität (TU) München ist es eigentlich ein Erfolgsmodell. Seit dem Jahr 2000 setzt sie in immer mehr Studiengängen auf Eignungstests, nicht mehr auf die klassische Obergrenze, den Numerus clausus. Die Zahl der Abbrecher liegt in diesen Fächern erheblich unter dem bundesweiten Schnitt, das belegt eine frisch veröffentlichte Studie. Und doch hat die TU mit ihrem Modell einen Dämpfer erhalten: In 20 ihrer Bachelor-Studiengänge gibt es derzeit Eignungsprüfungen; in vier von ihnen aber schafft die TU die Tests im kommenden Jahr wieder ab, "in Abstimmung mit dem bayerischen Wissenschaftsministerium", wie es heißt. Dabei würde die Uni das System eigentlich lieber ausbauen.

Betroffen ist neben Chemie, Physik und Informatik auch Biologie. Wer beispielsweise dieses Fach an der TU studieren will, für den zählt bislang nicht einfach nur der Gesamt-Notenschnitt im Abizeugnis. Vielmehr wertet die Uni erst die Zensuren in einzelnen Fächern aus, natürlich in Biologie, aber auch etwa in Chemie, Mathematik und Physik. Wackelkandidaten müssen danach im Auswahlgespräch erklären, warum sie das Fach studieren wollen und wie sie Probleme lösen. Wen die TU danach für geeignet hält, der wird zugelassen.

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Von Jakob Wetzel

Die TU betreibt dabei großen Aufwand: Sie führt jedes Jahr allein vor dem Wintersemester über alle Studiengänge hinweg 5000 bis 6000 derartige Gespräche. So sollen nicht nur Abiturienten eine Chance bekommen, die sich durch einzelne schlechte Noten ihren Schnitt verdorben haben, sagt sie. Sondern sie wolle auch erreichen, dass mehr Studentinnen und Studenten ihr Studium nicht nur aufnehmen, sondern auch den Abschluss schaffen.

Dass dieses Kalkül aufgeht, zeigt eine Studie: Die TU hat ausgewertet, wie sich ihre Studenten geschlagen haben, die zwischen 2008 und 2011 ihr Bachelor-Studium begonnen haben. Von diesen hatte sich demnach zwar jeder Fünfte nach acht Semestern wieder ohne Abschluss exmatrikuliert. Aber die durchschnittliche Abbrecherquote an allen deutschen Unis lag laut dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) im selben Zeitraum bei 32 bis 33 Prozent, also deutlich höher.

In einzelnen Fächern ist die Quote der TU gar nur halb so hoch wie im Durchschnitt aller Unis. Ihren Bachelor-Studiengang in Chemie etwa hatten an der TU nur 19 Prozent der Studierenden erfolglos abgebrochen; deutschlandweit waren es 41 bis 42 Prozent. In Mathematik liegt die Quote der TU bei 22 Prozent, bundesweit bei 47 bis 51 Prozent. Und in Biologie schmissen an der TU nur neun Prozent ihr Studium. Der Schnitt aller deutschen Unis liegt bei 22 bis 27 Prozent.

Dabei sei der Unterschied eigentlich sogar noch größer, betont die TU. Sie selbst zähle nämlich auch Hochschulwechsler als Abbrecher. Das DZHW dagegen rechne diese aus seiner Statistik heraus. Die Studie zeige: "Eine kluge Auswahl der Studierenden führt zu größerem Studienerfolg und damit zum Wohle aller", sagt TU-Präsident Wolfgang Herrmann. Er fordert mehr Freiheiten für die Universitäten. Das sei sinnvoll, "gerade weil wir die Eignung eines Bewerbers im Gespräch sehr gut identifizieren können", ergänzt Gerhard Müller, TU-Vizepräsident für Studium und Lehre.

Hinzu kommt: Das bisherige System ist womöglich ohnehin nicht zu halten. Derzeit prüft das Bundesverfassungsgericht, ob der Numerus clausus unter anderem wegen übermäßig langer Wartezeiten gegen das Grundgesetz verstößt, das die freie Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte garantiert. Als Alternative werden in der Diskussion unter anderem Eignungstests genannt.

Das bayerische Wissenschaftsministerium reagiert trotzdem zurückhaltend. Eignungsprüfungen dürfe es nur im Ausnahmefall geben, teilt die Behörde mit, eben wegen jener Freiheit der Berufswahl. Das Abitur berechtigt bereits zum Hochschulzugang; die Unis sollten den Bewerbern vor allem dabei helfen, die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Etwa durch ein "Studienorientierungsverfahren", wie es zuletzt ins Hochschulgesetz aufgenommen worden ist - also durch ein im Ergebnis nicht bindendes Beratungsangebot.

Im Ministerium ist man besorgt wegen möglicher Klagen

Verbindliche Tests sieht das Hochschulgesetz hauptsächlich in Kunst, Musik und Sport vor. Daneben darf es sie nur geben, wenn ein Studiengang "besondere qualitative Anforderungen stellt, die jeweils zu begründen sind". Doch dieses Kriterium ist wenig exakt definiert und war zuletzt ein Einfallstor für Klagen. Wiederholt ließen Richter zunächst zurückgewiesene Bewerber zum Studium zu, nicht nur an der TU.

Mit dem Ministerium habe man deshalb viel über diesen Punkt diskutiert, sagt TU-Vize Müller. Jetzt gelte als Kriterium, dass die Studierenden interdisziplinär denken und arbeiten müssen, also einen breiten Hintergrund brauchen. Das freilich sei immer öfter der Fall: "Die Dauer der Studiengänge ist gleich geblieben, aber das Studium ist anspruchsvoller und komplexer geworden", sagt Müller. Für "Games Engineering" etwa seien nicht nur Kenntnisse in Informatik nötig, sondern auch etwa in Sensorik; hier habe das Ministerium den Eignungstest genehmigt.

Informatik, Physik, Biologie und Chemie aber seien herausgefallen. In diesen Fächern werde man nun wohl mit Studienorientierungsverfahren arbeiten, heißt es aus der TU - also mit einer unverbindlichen Orientierungshilfe. In den ersten Semestern werden die überforderten Studenten dann mit einer Prüfung ausgesiebt.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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