SZ-Serie: Urlaub in München:Abschlag mit Zeitreise

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Bevor Gerhard Friesleben einen Schläger reicht, desinfiziert er ihn. Sein Minigolfplatz ist ein Einmannbetrieb. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Minigolfplatz von Gerhard Friesleben versetzt den Besucher zurück in die Sechzigerjahre - ein simples Vergnügen an der frischen Waldluft.

Von Ramona Dinauer

Seit 20 Jahren verbringt Gerhard Friesleben jeden Sommer auf seinem Minigolfplatz in Großhesselohe. Die kleine Blockhütte aus dunklem Holz ist Kassenhäuschen, Lagerraum und Zweitwohnsitz zugleich. Aus dem Fenster gibt Friesleben Bälle, Minigolfschläger und Eintrittskarten aus. Nur einen Spalt breit ist das Fenster aufgeschoben - wegen Corona. Hinter der Scheibe laufen der Fernseher und die Kaffeemaschine. Vom selben Stuhl aus kocht Friesleben sein Essen und desinfiziert die Golfschläger. "Es gefällt mir hier einfach besser als daheim zu sitzen", sagt er. "Ich habe gerne mit Menschen zu tun, zumal fast nur freundliches Publikum kommt."

Die meisten Besucher verbinden ihr Minigolfspiel mit einem Biergartenbesuch. So auch die Freunde Magnus Schmotzler, Ivana Kissova und Philip Eder. Mit dem Fahrrad machte sich die Gruppe von Schwabing Richtung Isar auf, um in der Waldwirtschaft Mittag zu essen. Doch vor dem Biergarten hat sich am Pfingstmontag eine lange Schlange gebildet. Mit Mund-Nasen-Schutz bedeckt warten Ausflügler darauf, ihr Kontaktformular auszufüllen, ehe ein Bier bestellt werden kann. Den Ansturm abwartend schlagen die drei Freunde nun Minigolfbälle durch den roten Looping auf Bahn zwei.

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"Besonders gefällt mir hier, dass der Platz so schön im Schatten liegt", sagt Schmotzler. "Da kann man sich auch an heißen Tagen beim Spielen Zeit lassen. Aber jetzt knurrt uns der Magen."

Verwunderlich ist das nicht. Aus der Waldwirtschaft, deren Treiben sich durch die Zweige der Buchen beobachten lässt, strömt der Geruch von Brathendl und Auszognen den Hügel hinunter. Auch die Jazzmusik aus dem Biergarten erfüllt den Minigolfplatz. Beschwingt ziehen die Spieler hier mit ihren grünen Ergebnislisten von Bahn zu Bahn. Niemand wischt auf seinem Smartphone herum. Statt durch eine Maske atmet man hier die frische Waldluft ungefiltert. Die Zeitreise auf dem Minigolfplatz Großhesselohe versetzt die Besucher nicht nur in eine Welt vor Corona zurück, sondern schickt sie bis in die Sechziger.

Die Anlage für Miniatur-Golf, wie es auf dem Schild an der Blockhütte heißt, wurde 1967 gebaut und ist bis heute in dieser Form bestehen geblieben. Knapp zehn Jahre, nachdem dort der erste Ball geschlagen wurde, hat Friesleben den Platz übernommen. Damals spielte er noch selbst aktiv im Verein, wurde sogar bayerischer Vizemeister im Minigolf. Mit nur 19 Schlägen absolvierte Friesleben damals die 18 Bahnen. In den Siebzigerjahren hatte er zum Teil fünf Anlagen in München gleichzeitig gepachtet. Aber seit 2000 bekommt allein die Anlage in Großhesselohe seine volle Aufmerksamkeit. Mitarbeiter beschäftigt Friesleben keine, seine Anlage ist ein Einmannbetrieb. Jedes Frühjahr begradigt der 73-Jährige die Bahnen, spritzt sie mit dem Hochdruckreiniger ab und streicht die bunten Hindernisse neu an. Die großen Buchen sind Segen und Fluch zugleich.

Sie spenden Schatten, lassen aber auch Blätter fallen. Liegen die den Bällen im Weg, rückt Friesleben mit dem Laubbläser an. Mit seiner Gartenmaschine kommt er auch an der besonders kniffligen Bahn elf vorbei. Dort versucht gerade Jannis Bangoura mit seinem Kinderschläger den Ball über die Rampe in ein Netz zu bugsieren. Geduldig sehen seine Eltern Cheikh Bangoura und Kristina Prepoutsidis dem vierten und auch dem fünften Versuch zu. Eigentlich hatte das Paar eine Reise nach Griechenland geplant, nun müssen eben Radtouren den Pfingsturlaub ersetzten. Jannis große Schwester Luisa Bangoura freut sich über den Ausflug. "Minigolf macht besonders als Familie Spaß. Jeder kann mitspielen", sagt sie. Wie auch Schmotzler und seine Freunde ist die Familie mit dem Rad nach Großhesselohe gefahren, den Minigolfplatz haben sie dabei zufällig entdeckt.

So werden die meisten seiner Gäste auf ihn aufmerksam, sagt Friesleben. Deshalb sei seine Anlage auch nur zur Hälfte ausgelastet. Zu dem ohnehin sinkenden Umsatz kam heuer die vorübergehende Schließung hinzu. Erst zwei Monate später als im Vorjahr durfte Friesleben vergangene Woche seine Anlage wieder öffnen. Immerhin habe ihm die Spaten-Brauerei zwei Monate Pacht erlassen. So idyllisch die Reise in die Vergangenheit auf dem Minigolfplatz auch sein mag, so ungewiss ist seine Zukunft. "Ob ich mit meiner Anlage dieses Jahr wirtschaftlich überstehen kann und will, weiß ich noch nicht", sagt der 73-Jährige. "Versuchen werde ich es auf jeden Fall."

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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