Straßennamen:München, Helmut-Kohl-Straße 1

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Nicht immer ehrt die Stadt einen Politiker mit einem der repräsentativsten Straßenzüge: Willy Brandt kam in Riem unter. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Willy Brandt - diese deutschen Regierungschefs sind im Stadtbild verewigt. Wird nun auch ein Ort nach dem jüngst verstorbenen Altkanzler benannt?

Von Sophia Baumann

Helmut Berger sitzt auf einer schattigen Bank am Willy-Brandt-Platz, direkt vor dem Einkaufszentrum Riem-Arcaden. Wenige Meter entfernt schlecken zwei Freundinnen ihr Eis auf bunten Sitzgelegenheiten, Mütter beobachten ihre spielenden Kinder. Dass Altkanzler Willy Brandt der Namensgeber des Platzes ist, war keinem von ihnen bekannt. "Das ist Schall und Rauch", findet Helmut Berger. "Die Straßenbenennung ist eine der, wenn nicht die höchste Form der Ehrung einer Person durch die Landeshauptstadt", erklärt dagegen das Kommunalreferat der Stadt.

So kommt es, dass schon jetzt Städte in ganz Deutschland über die Benennung von Straßen nach Altbundeskanzler Helmut Kohl debattieren, für den an diesem Samstag die Trauerfeierlichkeiten stattfinden. "Wir setzen uns für eine angemessene Ehrung des Altkanzlers ein, in Form einer Straßen- oder Platzbenennung in München", schreibt zum Beispiel CSU-Rathausfraktionschef Manuel Pretzl. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter sagt: "Als Kanzler der Einheit und Wegbereiter der Europäischen Union hat Helmut Kohl historische Weichen gestellt. Eine Straße in München nach ihm zu benennen ist deshalb durchaus denkbar, allerdings frühestens ein Jahr nach seinem Tod, das sehen unsere Regularien so vor."

Zusätzlich müsste der Name "Helmut Kohl" ein kompliziertes Auswahlverfahren durchlaufen. Margarita Hausberger weiß als Leiterin des Sachgebiets Straßenbenennung, wie schwierig der Prozess sein kann. Ihr Team wählt bei der Neubenennung einige Namen aus den Vorschlägen aus. "Man denkt, man hätte eine tolle Person vorgeschlagen", erzählt sie, "und dann kommt es doch zu Diskussionen." Kein Wunder, denn verschiedenste Zuständige müssen ihr Einverständnis erklären.

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Nicht selten steckt hinter der Straßenbenennung auch eine politische Debatte. Nach dem Tod von Ministerpräsident Franz Josef Strauß gestaltete sich die Suche nach einer geeigneten Straße zum Beispiel schwierig. Letztlich einigte man sich darauf, 320 Meter des ehemaligen Karl-Scharnagl-Rings umzubenennen. Die Rathaus-CSU hätte gerne einen längeren Abschnitt gehabt, die Grünen plädierten dagegen für einen Teil der Neuperlacher Ständlerstraße. Das sei wenigstens ziemlich weit abgelegen, sagte ein Fraktionsmitglied damals.

Abgelegenheit wurde auch im Fall der Alfons-Goppel-Straße zum Streitthema. Der ehemalige Ministerpräsident war Namensgeber einer Straße in Riem, die vor allem als Entsorgungsweg für Baufahrzeuge und Müllautos diente. Sein Sohn bezeichnete das als "Respektlosigkeit". Inzwischen hat auch Alfons Goppel eine Straße in der Innenstadt nahe der Staatskanzlei bekommen.

Ludwig Erhard und Willy Brandt sind ebenfalls Namensgeber von Straßen und Plätzen in München. Kathrin Oberjasper wohnt in direkter Nachbarschaft der Ludwig-Erhard-Allee in Neuperlach-Süd. "Ich bin sehr politisch", erklärt die ehemalige Landtagsreferentin. Deshalb findet sie es richtig, Straßen und Plätze nach bedeutenden Politikern zu benennen.Auch für Lydia Nebel gehört das Leben in der Kanzler-Straße zum Alltag, sie wohnt seit 1976 am Adenauerring in Neuperlach. Über den Namen ihrer Straße kann sie nur Positives berichten: "Der ist geläufig, das versteht jeder." Besonders verbunden mit dem Altkanzler fühlen sich die meisten Menschen im Adenauerring jedoch nicht, ein Anwohner hält Kohl für einen ehemaligen Bundespräsidenten.

Übrigens: Eine Kohlstraße gibt es in München schon, sie läuft von der Erhardtstraße (nicht: Erhard!) zur Baaderstraße. Benannt wurde sie allerdings nach der Kohleninsel, der heutigen Museumsinsel.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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