Feldafing:Die Allwetter-Schwimmer vom Starnberger See

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Perry Reisewitz und Alexander Hann gehen jeden, wirklich jeden Morgen baden - seit dem 24. Dezember 2015. Sie wollen zur Ruhe kommen, ehe der hektische Arbeitstag anbricht.

Von Sabine Bader, Feldafing

Das Hobby von Perry Reisewitz und Alexander Hann macht einem Gänsehaut - vor allem bei diesen Temperaturen. Die beiden Nachbarn aus Feldafing sind Ganzjahresschwimmer. Sie baden jeden Morgen gemeinsam im See. Bei jedem Wetter, an jedem Tag der Woche und zu jeder Jahreszeit - ob das Wasser 24 Grad hat oder nur 0,5, ob die ersten Sonnenstrahlen blitzen oder der Sturm tobt.

Reisewitz ist 55 Jahre alt und betreibt in Starnberg eine Firma für Unternehmenskommunikationen. Seit sechs Jahren lebt er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Feldafing. Im Haus direkt gegenüber wohnt Alexander Hann mit seiner Frau und den beiden Söhnen. Hann lebt seit 20 Jahren hier, ist 58 Jahre alt, Architekt und hat mit seinem Partner ein gemeinsames Architekturbüro in München mit acht Mitarbeitern. Er ist spezialisiert auf Altbau-, Brandschutz- und Schadstoffsanierungen.

Als Nachbarn sind sich die beiden von Anfang an sympathisch. Man grüßt einander und plauscht ein wenig über dies und das, wie man das eben unter Nachbarn so macht. Ihre gemeinsame Geschichte beginnt am 24. Dezember 2015. Es ist Heiligabend, aber gar nicht weihnachtlich kalt. Auf 16 Grad klettert das Thermometer in der Vormittagssonne. "Es war herrlich warm", erinnert sich Reisewitz. Ein Wort gab das andere: "Was machen wir jetzt", fragt der eine. "Wir sollten Schwimmen gehen", sagt der andere. "Warte, dann hol' ich schnell mein Handtuch."

Von diesem Tag an ist alles klar: Seitdem gehen die beiden morgens gegen 7.15 Uhr gemeinsam zum Schwimmen - frisch aus dem Bett, im Bademantel. Als Ort ihrer Wahl haben sie einen Steg in Garatshausen ausgemacht. "Weil man dort die Straße nicht hört", sagt Reisewitz. "Da ist man weit weg von der Welt." Ja, weit weg von der Welt wollen die beiden sein bei ihrem morgendlichen Hobby, einfach die Natur genießen. Allein sind sie dabei allerdings nicht. An schönen Tagen pilgern frühmorgens etliche Leute in Bademänteln in Richtung Ufer. "Da ist echt Betrieb."

Beobachtern bietet sich dann an den meisten Tagen folgende Szene: Die Zwei betreten den Steg, lassen die Bademäntel fallen, erklimmen je einen der Pfosten und springen mit einem beherzten Hecht in die Fluten. Dann geht es los - in allen Disziplinen: Kraul, Brust, Rücken und Delfin. Den Blick gen Ostufer und Sonnenaufgang gerichtet. Im Winter, wenn es richtig biestig kalt ist, wird natürlich nicht vom Steg gesprungen. Da fällt die Runde kürzer aus. 100 Züge machen sie dann. Im Sommer absolvieren sie manchmal, wenn es die Zeit vor der Arbeit erlaubt, die Strecke zwischen Roseninsel und Garatshausen. Das sind immerhin um die drei Kilometer.

Hauptsache es geht schnell: Das Eintauchen ins nur sieben Grad kalte Seewasser ist für die Ganzjahresschwimmer Perry Reisewitz und Alexander Hann eine Herausforderung. (Foto: Marion Weiß)

Alexander Hann ist ein geübter Langschwimmer. Er war schon als Jugendlicher in Nürnberg, wo er aufgewachsen ist, in der Wasserwacht. Mehrmals hat er an Seeüberquerungen zwischen Tutzing und Ammerland teilgenommen. Reisewitz mag es besonders gerne, wenn er morgens so weit in Richtung Seemitte gekommen ist, dass er beim Zurückschwimmen die beiden Kirchtürme Tutzings sieht. Dann weiß er, er ist einen Kilometer vom Ufer entfernt.

Trainiert haben die beiden das Ganzjahresschwimmen nicht, einfach angefangen. Und mit der Angst zu tun gekriegt haben sie es auch noch nie im Wasser. Sie wissen, wo ihre Grenzen liegen. Im Sommer lassen sie das Auto daheim und radeln lieber nach Garatshausen. Mittlerweile sind sie gemeinsam auch schon zweimal über die Alpen geradelt.

Im Winter ist in ihrem morgendlichen Gepäck stets eine Thermosflasche mit heißem Tee. "Den braucht man, weil der Körper nach dem Schwimmen so schnell auskühlt", hat Hann die Erfahrung gemacht. Reisewitz mag es am wenigsten, wenn im Winter morgens der Wind über den Steg pfeift und er mit nackten Füßen im Schnee steht. Ein, zwei Mal wird pro Woche mit einem klassischen Badethermometer die Wassertemperatur gemessen. Mitte Dezember waren es sieben Grad. Im Februar dieses Jahres waren es sogar nur 0,5 Grad und die Oberfläche hatte eine hauchdünne Eisschicht, erzählt Hann. "Da ist es in den ersten Sekunden schon unangenehm, den Bademantel auszuziehen und ins Wasser zu steigen", findet auch er. Ihm ist wichtig, dass es schnell geht. "Drei, vier Sekunden das Hirn ausschalten." Schon ist er drin. Dann ist alles gut. Seine Frau kann nicht nachvollziehen, warum er das macht, sagt er. Sie geht natürlich auch mal zum Schwimmen, aber nur im Hochsommer, wenn der See angenehm warm und einladend ist.

An manchen Tagen, wenn die Sonne gerade aufgeht, wird Hann "fast demütig", denn der See sieht jeden Tag toll aus und immer anders. "Das Bild, das sich einem bietet, ist wie eine Schneeflocke. Einzigartig." Für Reisewitz ist es einfach "ein Moment, den man ganz für sich hat". Ehe die beiden dann erfrischt in den Arbeitstag starten.

Um andere ein wenig an ihren morgendlichen Naturbeobachtungen teilhaben zu lassen, posten Hann und Reisewitz täglich Bilder auf ihren Instagram-Accounts ahfdf und pan_im_schilf. Viele Follower haben sie bisher nicht, jeder liegt im zweistelligen Bereich. Aber das ist ihnen auch nicht wichtig.

© SZ vom 11.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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