Ammersee:Gefiederte Schreihälse auf dem Vormarsch

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Aparte Erscheinung: Dank des rostroten Federkleids und ihrer im Flug schwarz-weißen Schwingen sind Rostgänse nicht zu verwechseln (Foto: imago images/blickwinkel)

Rostgänse lassen sich im Fünfseenland nieder - was dank ihres Hupens kaum zu überhören ist. Ornithologen sehen die Ansiedelung der invasiven Art zwiespältig.

Von Armin Greune, Starnberg

Man muss sich als gefiederter Neubürger einiges einfallen lassen, um unter all den großen Vögeln am Südufer des Ammersees noch Aufmerksamkeit zu erregen. Für den verhaltensauffälligen Buntrock, der vor drei Jahren erstmals in Raisting auftauchte, war das freilich kein Problem: Lautstark und ruffreudig ließ er sich täglich auf immer dem gleichen Scheunendach nieder und verkündete seine Botschaft schnatternd und quakend mit weithin hallenden Hupen- und Trompetentönen. Auch am aparten Federkleid war der Vogel leicht zu identifizieren: der Kopf weiß, die Flügel ebenso, aber mit viel kontrastierendem Schwarz auf den Handschwingen und dem Bürzel, Brust und Rücken in leuchtendem Orange. Es handelte sich um eine Rostgans, deren eigentliche Heimat innerasiatische Steppen mit salzhaltigen Flachgewässern sind, die aber nun im Fünfseenland auf dem Vormarsch ist.

Im Jahresbericht der Arbeitsgemeinschaft der Starnberger Ornithologen sind 30 Beobachtungen von bis zu acht Tieren verzeichnet - unter anderem am Starnberger, Weßlinger und Deixlfurter See. "Die breiten sich bei uns stark aus", sagt der Vorsitzende Pit Brützel, im vergangenen Jahr wurden Brutversuche am Bachhauser Weiher, Maisinger See und an der Andechser Seachtn mitgeteilt. Noch gilt die Rostgans als seltener Jahres- und Brutvogel, 2019 etwa ging das Landesamt für Umwelt von nur 20 Paaren im gesamten Freistaat aus. Inzwischen hat sich zumindest in Raisting mit Sicherheit eine Population etabliert: Im Frühjahr vor zwei Jahren hatte der Schreihals Gesellschaft eines Artgenossen oder einer Artgenossin. Ungefähr gleichzeitig mit dem Coronavirus trafen sie 2020 wieder ein, im Herbst waren sie bereits zu viert. Und auch heuer bringt sich das Quartett auf dem Stadel regelmäßig vormittags in Positur; dieser Tage ist zu erwarten, dass sich die Rostgänse paaren und dann erneut Nachwuchs haben.

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In den mehr als 50 Jahre zurückreichenden Aufzeichnungen der Vogelbeobachtungen am Ammersee sind von 1963 bis 1981 nur drei Mal einzelne Rostgänse registriert worden. In den vergangenen sieben Jahren waren es jeweils bereits durchschnittlich zehn gesichtete Exemplare: "Der Bestand nimmt dort stark zu", sagt Brützel. Die Ornithologen sehen das Vordringen dieser invasiven Art zwiespältig - zumal es sich wohl nicht um eine natürliche Zuwanderung handelt. Offenbar sind die Vögel ursprünglich aus Volieren freigelassen worden oder entwichen: "Gerüchte, dass sich auch Wildpopulationen der Rostgans in Mitteleuropa verbreiten könnten, haben Überprüfungen nicht standgehalten", sagt Hans-Günther Bauer, Ornithologe am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell. Ende der 1970er-Jahre sei man in der Schweiz erstmals auf die Neozoen aufmerksam geworden, nach den ersten Ausbreitungswellen in den 1990ern hatte man die Rostgänse als Neozoen dort sogar gezielt bejagt - freilich ohne so die Populationen dauerhaft reduzieren zu können.

Denn einige Naturschützer beargwöhnen, dass die Rostgänse langfristig seltene heimische Vögel verdrängen könnten. Die Neubürger legen ein sehr aggressives Revierverhalten an den Tag und bevorzugen Nistplätze in Höhlen, die dann nicht mehr für die Brut von Turmfalken oder Schleiereulen zur Verfügung stehen. Allerdings habe bislang noch keine Untersuchung bestätigt, dass mit zunehmender Zahl an Rostgänsen die Eulen- und Falkenpopulationen gelitten hätten, sagt Bauer.

Eine Futterkonkurrenz mit anderen Arten sei nicht zu erwarten: Als Allesfresser nehmen Rostgänse etwa Pflanzen, Gras, Algen und Schnecken zu sich. Sie zählen zu den sogenannten Halbgänsen, die in Gestalt und Lebensweise zwischen Gänsen und Enten stehen. Zwar sei ihre Fortpflanzungsart hoch, denn ein Gelege kann bis zu zehn Eier umfassen. Doch wenn die Jungen geschlüpft sind und die Nester verlassen, werden sie häufig Opfer von Raubtieren wie Füchsen oder Rabenkrähen, berichtet Bauer. Die noch nicht flüggen Jungvögel machten sich zu Fuß auf den Weg zum nächsten Gewässer, um dort Schutz zu suchen - und sind dabei leichte Beute. Allzu rasch werden die Rostgänse also nicht das Fünfseenland erobern - aber an den Anblick dieser auffälligen Gestalten darf man sich wohl schon mal gewöhnen.

© SZ vom 17.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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