Starnberg:So stürmisch war der Auftakt des Kino-Open-Airs

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Die Leinwand wird nach einer Stunde doch noch ausgefahren. (Foto: Nila Thiel)

Kinobetreiber Matthias Helwig und 200 Filmfans bangen lange, ob die Leinwand wegen der Windböen überhaupt ausgefahren werden kann. Einige sind schon ins Lichtspielhaus abgewandert, als die Reihe doch noch mit zwei ergreifenden Streifen beginnt.

Von Blanche Mamer, Starnberg

Selten war der Beginn des Kino-Open-Airs im Seebad so spannend wie am Samstag. Denn mehr als eine Stunde bangen Festivalchef Matthias Helwig und mit ihm mehr als 200 Filmfans, ob die Leinwand überhaupt hochgefahren werden kann. Kurz vor 21 Uhr, als es noch nicht dunkel genug für die Vorführung ist, fegen starke Windböen über die Liegewiese am Seebad und durch die Wipfel der hohen Bäume am Ufer. Der Sturm zerrt nicht nur an Masten und Aufhängung der Leinwand und den grauen Plastikplanen der Installation, sondern knattert auch im Mikrofon, als Helwig die anwesenden Filmschaffenden begrüßt und über die existenziellen Probleme der Branche durch die Corona-Pandemie und die Bedenken im Vorfeld des Filmfestes unter freiem Himmel berichtet. Seit Beginn der Lockerungen sei er mit dem Landratsamt im Gespräch und nun sehr froh, dass man ihm die Genehmigung für jeweils 350 Plätze gegeben habe.

Es ist jedenfalls kein Vergleich zum Vorjahr, als zur Eröffnung mit dem Film "Bohemian Rhapsody" über Freddie Mercury und Queen immer mehr Bierbänke gebracht werden mussten und schließlich mehr als 500 Zuschauer vor der Leinwand drängten. Jetzt sind die Stühle in Zweier- oder Dreiergruppen nebeneinander aufgestellt, jeweils mit den vorgeschriebenen 1,50 Metern Abstand zur nächsten Gruppe. Die Besucher verhalten sich mustergültig, jeder, der seinen Platz verlässt, schiebt den Mund- und Nasenschutz vor, die meisten unterhalten sich nur mit ihren Nächsten.

Claudia und Karl Gruber sind schon um 20 Uhr zum Picknick da. (Foto: Nila Thiel)

Als kurz drauf, die ersten Regentropfen fallen, ist klar, dass das Publikum vorbereitet ist: Regenschirme werden aufgespannt, Regenjacken und Pelerinen übergezogen oder Decken über die Schultern geschlagen. Die Zuschauer sind auf Regen eingestellt, die paar Tropfen schrecken sie nicht, wohl aber der nicht enden wollende Wind. Eine weitere Viertelstunde später - Helwig hat mittlerweile Axel Werner, den Komponisten und Initiator des Kurzfilms "Come Closer" und Michael Zechbauer, den Co-Produzenten von "Crescendo" begrüßt - begutachtet er immer noch voller Sorge die tief hängenden Wolken und das Wetterleuchten im Osten. "Wem das jetzt zu unsicher ist und wer nicht mehr warten will, kann sich den Film im Kino anschauen. Die Vorstellung beginnt in 20 Minuten", sagt Helwig. Zehn Minuten will er noch warten, bevor er die Vorstellung am Ufer des Sees endgültig absagt.

Open Air in Starnberg
:Kino gegen die Krise

Am Samstag startet das Open Air im Starnberger Seebad mit 20 Filmen und drei Konzerten - und 1,50 Meter Abstand. Der Macher Matthias Helwig will damit ein Zeichen setzen, dass Kultur den Stillstand überwinden kann.

Von Blanche Mamer

Etwa 80 Zuschauer machen sich auf den Weg Richtung Kino, etwa 120 bleiben sitzen und hoffen, dass der Wind doch noch abflaut. Die Prognosen scheinen besser zu werden, Helwig verfolgt die Vorhersagen des Wetterdienstes auf seinem Smartphone und kommt gegen viertel vor zehn zu dem Schluss, dass die Leinwand hoch gefahren werden kann. Der Wind ist wie fortgeblasen, es ist nun allerdings kühl geworden, einige Frauen ziehen Leggins und Pullover über, wickeln sich in die mitgebrachten Decken.

Kinobetreiber Matthias Hellwig (re.) und Produzent Axel Werner überbrücken die Wartezeit. (Foto: Nila Thiel)

Es wird nun ausnahmsweise keine Werbung geben, der Kurzfilm über die Performance der beiden Tänzer Amelie Lambrichts und David Valencia vom Gärtnerplatztheater kann laufen. Die Ballettbilder im leeren Hangar und der einsamen Landebahn des Fliegerhorstes in Penzing bei Nacht sind berührend und bekommen vom Publikum kräftigen Applaus. Und gleich folgt "Crescendo", der Hauptfilm, der, wie Helwig sagt, nach dem Start im Januar, wegen Corona nicht richtig ins Kino gekommen ist, gleich heftig in den israelisch-palästinensischen Konflikt einsteigt und zeigt, wie schwierig es ist, ein Jugendorchester aus israelischen und palästinensischen Musikern zusammenzustellen. Das Drama mit viel Kampf und viel schöner Musik von Dror Zahavi endet mit einem Abschied und bekommt reichlich Applaus. Noch eine Viertelstunde bis Mitternacht, hinter den Wolken ist der Mond zu sehen. Solche Kinoabende wünscht man sich, angenehme Ruhe nach dem Sturm.

Das Starnberger Open Air wird in diesem Jahr unter besonderen Hygiene-Maßnahmen durch geführt. (Foto: Nila Thiel)

Die Filmkomödie "Das perfekte Geheimnis" mit Elyas M'Barek, die am Sonntagabend auf dem Programm stand, ist am 19. August noch einmal zu sehen. Am Montag geht es mit "A Star is Born" mit Lady Gaga und am Dienstag mit der Komödie "Master Cheng in Pohjanjoki" weiter.

© SZ vom 03.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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