Coronavirus:Leere Krankenhäuser

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Die Hälfte der Betten und der Beatmungsplätze im Landkreis Starnberg ist frei. Trotz Coronavirus drohen Kliniken wirtschaftliche Probleme. Doch die Pandemie-Beauftragten geben keine Entwarnung.

Von Carolin Fries, Starnberg

Wie sich die Situation in den Krankenhäusern darstellt? "Grauenhaft", sagt der Pandemie-Krisenmanager und Starnberger Klinikchef Thomas Weiler am Montag im Kreistag ironisch. Die Hälfte der Betten auf den Stationen sei leer. "Das habe ich in meiner beruflichen Laufbahn noch nie erlebt und unter normalen Umständen hätte ich deshalb wohl einen Herzinfarkt bekommen." Auch die Intensivstationen sind nicht ausgelastet, wie Florian Krötz darlegt. Von den 54 Plätzen im Landkreis seien aktuell 32 belegt, davon acht von Covid-19-Patienten, so der Internist und Kardiologe vom Klinikum Starnberg, der als Sprecher der Pandemie-Beauftragten der sieben Krankenhäuser im Landkreis fungiert. Doch in der Corona-Krise beruhigt der Anblick freier Betten die Mediziner. "Wir haben vor nichts mehr Angst, als vor einem Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung", sagt Weiler. Dann seien die Krankenhäuser schnell belegt.

Er machte keinen Hehl daraus, dass die mangelnde Auslastung die Kliniken finanziell zunehmend belastet. "Insbesondere private Kliniken könnten schon im Mai oder Juni Liquiditätsprobleme haben", so Weiler. Umso wichtiger sei es deshalb, geplante Eingriffe wieder durchzuführen. Entsprechende Lockerungen bei der Versorgung von Patienten hat die Staatsregierung bereits beschlossen. Auch die Starnberger Kliniken, die in einer Holding als Tochtergesellschaft des Landkreises gebündelt sind, zahlen aktuell drauf. Detaillierte Angaben machte Weiler den Kreisräten nicht, doch alleine in Schutzmaterial habe man bereits mehr als eine Million Euro investiert.

Hinzu kommen 700 000 Euro, die der Landkreis seit Ausbruch der Pandemie ungeplant ausgegeben hat. Darunter fallen die Kosten für den inzwischen wieder eingestellten Drive-in-Test in Andechs sowie ebenfalls die Anschaffung von Schutzmaterial, welches man einerseits an Einrichtungen und Pflegedienste zur Überbrückung von Engpässen verteile, andererseits bevorrate für den Ernstfall, wie Landrat Karl Roth (CSU) sagte. Aktuell sei der Bestand im Katastrophenschutz-Lager in Oberpfaffenhofen alles andere als wünschenswert, wenn man bedenke, dass wöchentlich in den Kliniken bis zu 200 000 Paar Einmalhandschuhe und 90 000 FFP2-Masken benötigt würden, wie Kreisrechnungsprüfer Anton Graf ausführte. Deshalb habe man noch einmal kräftig nachbestellt. Alleine Desinfektionsmittel nicht - davon habe man noch 12 000 Liter Vorrat.

Besonders hart trifft die Corona-Krise die Wirtschaft im Landkreis, berichtete der Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft des Landkreises GWT, Christoph Winkelkötter. Insbesondere bei Gastwirten und Hoteliers sei "die Not groß". "Eine Perspektive wäre gut", sagte er. Wann darf man wieder an den See? Wann dürfen die Lokale öffnen? Wann kann die Seenschifffahrt den Betrieb wieder aufnehmen? Sicherheitskonzepte seien bereits erarbeitet, nun brauche es Signale seitens der Politik. "Das Unverständnis ist aktuell groß, dass ein Eis in der Eisdiele gekauft und gegessen werden darf, ein Bier im Biergarten aber nicht."

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Davon muss nur mehr ein Patient beatmet werden. Die Zahl der positiv Getesteten bleibt stabil.

Die Krise wird den Landkreis viel Geld kosten, darüber war man sich im Kreistag einig. Sie zeigt aber auch, was gut funktioniert - die Breitbandversorgung zum Beispiel. "Es gab keine einzige Meldung von Unternehmen, dass das Home-Office nicht funktioniert", so Winkelkötter. Der Pandemie-Beauftragte Thomas Weiler zeigte Verständnis für den Wunsch nach Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen. Doch man müsse davon ausgehen, dass sich im Laufe dieses Jahres nichts wesentlich ändern werde, da es mit großer Wahrscheinlichkeit noch keinen Impfstoff geben werde, höchstens eine Therapie. Andererseits könne man den Lockdown nicht für die kommenden 56 Jahre beibehalten - solange würde es bei der aktuellen Zahl der Neuinfektionen in Deutschland bis zur Herdenimmunität dauern.

"Eine Lösung könnte es sein, hoch qualifiziertes Personal in die Pflegeeinrichtungen zu schicken", so Weiler. Auch die Überwachung von Infizierten über einen Ohrsensor, welcher die Sauerstoffsättigung misst, könnte helfen, die Patienten rechtzeitig in den Kliniken behandeln zu können und die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen zu reduzieren. "Rein epidemiologisch wäre es auch ein Ansatz, die Risikogruppen gnadenlos zu separieren", so Weiler, auch wenn das ethisch nicht vertretbar sei. Er bekäme dann zudem Ärger mit seiner 87 Jahre alten Mutter, die alleine lebt und sich ein Leben in Freiheit nicht verbieten lassen wolle. "Dann sterbe ich halt an Corona", habe sie trotzig zu ihrem Sohn gesagt, als Weiler sie bat, weiterhin daheim zu bleiben.

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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