Corona-Krise:Wenn die Angst gefährlicher ist als das Virus

Container vor dem Klinikum

Wer ernsthaft krank ist, soll auch ins Krankenhaus gehen, mahnen Ärzte wie der Starnberger Pandemie-Beauftragte Florian Krötz.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Selbst Schwerkranke verschieben dringend notwendige Behandlungen in den Kliniken. Ärzte warnen vor den Folgen - und erklären, wie sie die Patienten schützen.

Von Michael Berzl, Starnberg

Die Angst vor dem Coronavirus kann schlimmere Folgen haben als die tatsächliche Erkrankung an Covid-19. Dieses Phänomen beobachten Klinikärzte im Landkreis Starnberg mit großer Sorge. Es gebe schon etliche Fälle, in denen dringend notwendige Behandlungen anderer Beschwerden so lange aufgeschoben wurden, dass dadurch schwerwiegende gesundheitliche Probleme entstanden seien, berichten sie - bis hin zum Herzinfarkt. Mitunter brächten sich Patienten auf diese Weise sogar in Lebensgefahr, warnt die Asklepios-Klinik in Gauting.

Ein besonders drastisches Beispiel hat der Kardiologe und Pandemie-Beauftragte des Landkreises, Florian Krötz, im Starnberger Krankenhaus selbst erlebt: Trotz eindeutiger Warnsignale wie starker Schmerzen in der Brust habe eine 78-jährige Frau mit Herzproblemen eine Untersuchung über Wochen aufgeschoben, weil sie befürchtet habe, sich mit dem Coronavirus anzustecken. So lange, bis sie vom Notarzt in die Klinik gebracht werden musste. Doch da sei schon ein gravierender Schaden entstanden. Zwei Arterien, in die nach einem früheren Infarkt schon Stents implantiert waren, um die Blutgefäße offen zu halten, seien wieder verschlossen gewesen. "Das war ein großer Infarkt. Sonst ist diese Patientin immer rechtzeitig gekommen", berichtete Professor Krötz, der die Starnbergerin schon länger kennt. Und das ist nach seinen Beobachtungen in den vergangene Wochen nur ein Beispiel von vielen. Mit zum Teil schwerwiegenden Konsequenzen. Würde zum Beispiel in Infarkt zu spät erkannt und behandelt, sei die Gefahr viel größer, dass lebenslang eine Herzschwäche bleibt.

Schlaganfallpatienten kämen manchmal nicht schon bei den ersten Warnsignalen sondern erst, wenn schon eine ausgeprägte halbseitige Lähmung vorliegt. "Wer krank ist, soll ins Krankenhaus kommen", betont daher der Arzt, der als Covid-19-Koordinator in der aktuellen Krisensituation für alle Kliniken im Landkreis zuständig ist.

Niels Reinmuth

Chefarzt in der Asklepios-Klinik: Niels Reinmuth.

(Foto: Asklepios-Klinik/oh)

So lautet auch der eindringliche Appell der Gautinger Lungenfachärzte. "Wer aus Angst vor einer Infektion eine dringend notwendige stationäre Behandlung vermeidet oder auch nur verzögert, bringt sich in große Gefahr", warnt Niels Reinmuth, der dort als Chefarzt die Onkologie leitet. Besonders kritisch seien in dem Zusammenhang akute Probleme wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle, aber auch Krebserkrankungen oder chronische Lungenbeschwerden.

Dabei haben Krankenhäuser wie in Starnberg und Gauting umfangreiche Vorkehrungen getroffen, damit ihre Patienten sicher sind vor einer Infektion mit dem Coronavirus. So wurden vor dem Starnberger Klinikum Container aufgestellt und in vielen Bereichen Doppelstrukturen geschaffen. So gibt es zum Beispiel zwei Notaufnahmen, zwei Kreißsäle und getrennte Operationssäle - wobei jeweils ein Bereich Corona-frei bleibt. Offenbar mit Erfolg. "Es hat noch keinen Ansteckungsfall gegeben, der in der Klinik passiert ist", erklärt Krötz. Nach seinen Angaben lag am Freitagvormittag ein Corona-Patient in dem Krankenhaus auf der Intensivstation und wurde beatmet. Drei weitere Infizierte wurden auf der normalen Isolierstation behandelt. Acht Menschen mit einschlägigen Symptomen und dem Verdacht auf eine Infektion warteten auf ihr Untersuchungsergebnis.

In der Asklepios-Klinik in Gauting waren es zu dem Zeitpunkt 15 gesicherte Corona-Fälle, davon sechs auf der Intensivstation. Und auch dort wird penibel darauf geachtet, dass von diesen mit Covid-19 Infizierten keine Gefahr für andere Patienten ausgeht. Dort sei für die Behandlung der klaren Corona-Fälle ein ganzer Trakt gesperrt worden, teilt Sprecherin Beatriz Parente Matschke mit. Intensiv- und Abklärungsstationen seien auf einem Stockwerk gebündelt. Auch bei der Personalplanung wird nach ihren Worten strikt getrennt. Die Mitarbeiter auf den separierten Stationen werden nach ihren Worten nicht in anderen Bereichen eingesetzt. Dienstbesprechungen laufen derzeit über Telefon- oder Videokonferenzen. Zudem würden alle Patienten, die einen Termin zur Behandlung oder Diagnostik haben, einen Tag vor der Aufnahme vom Belegungsmanagement angerufen und nach eventuellen Corona-Symptomen gemäß den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts abgefragt. Wenn es solche Anzeichen gibt, eine Behandlung für das Wohl des Patienten aber notwendig ist, kommt er zuerst auf eine sogenannte Screeningstation, um eine Durchmischung zu vermeiden. "Wir möchten den Patienten die Angst nehmen, sich mit akuten Beschwerden oder Verschlechterung der chronischen Problemen an die Kliniken zu wenden", lautet das Fazit der Asklepios-Sprecherin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: