Extremwandern:"Die meisten machen nach 45 Kilometern schlapp"

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30, 55 oder 100 Kilometer laufen die Teilnehmer der Mammutmärsche durch das Fünfseenland. Auf der langen Distanz kommt nur jeder Dritte ins Ziel. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Daniel Penzl und sein Team übernehmen die medizinische Versorgung der Teilnehmer des Mammutmarschs, bei dem Tausende quer durch den Landkreis wandern. Welche Verletzungen die Leute erleiden und woran der BRK-Sanitäter erkennt, wer es ins Ziel schafft.

Interview von Carolin Fries, Tutzing

Mit Notfällen kennt Daniel Penzl sich aus. Der 27-Jährige ist Feuerwehrmann bei der BMW-Werkfeuerwehr, ehrenamtlich leitet der Gilchinger den BRK-Sanitätsdienst im Landkreis Starnberg. In dieser Funktion verantwortet er am kommenden Samstag, 26. März, die medizinische Versorgung von mehr als 2000 Teilnehmern des "Little Mammutmarschs", der frühmorgens in Tutzing startet: Auf einer Strecke von 55 beziehungsweise 30 Kilometern gilt es durch das Fünfseenland zu wandern. Die Veranstaltung ist die gekürzte Variante des "Mammutmarschs", der im Juli wieder im Landkreis stattfinden soll. Dann müssen 100 Kilometer in 24 Stunden zu Fuß zurückgelegt werden - und Penzls Team ist deutlich häufiger im Einsatz.

Daniel Penzl hat Respekt vor den Teilnehmern der Mammutmärsche. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

SZ: Was war das Schlimmste, das Sie bei den vier Mammutmärschen erlebt haben, die Sie bereits als Sanitäter begleitet haben?

Daniel Penzl: Es kommt vor, dass vereinzelt Teilnehmer bewusstlos werden, weil ihr Körper einfach nicht mehr mitmacht. Oder heftige Krampfanfälle erleiden. Das trifft nur auf den kleinsten Teil der Teilnehmer zu. Beim vergangenen 100 Kilometer-Marsch haben wir knapp 160 Einsätze gehabt, von der Mini-Blessur bis zum Abtransport mit dem Rettungswagen war alles schon dabei. Schwächeanfälle, Verstauchungen, Frakturen oder Blasen, die aufgehen. Bei den kürzeren Strecken passiert deutlich weniger.

Wahnsinn. Es ist doch nur Wandern.

Es ist eine Mischung aus unterschiedlichen Faktoren. Die 100 Kilometer sind eine lange Strecke über verschieden beschaffene Wege mit einem gewissen Höhenunterschied. Zusätzlich ändern sich über Tag und Nacht die Licht- und Temperaturverhältnisse ständig, hinzu kommt die Witterung. Die Gesamtpackung ist das, was sehr belastet.

Nur jeder Dritte schafft es auf der langen Distanz ins Ziel. Haben Sie Verständnis für die Teilnehmer?

Ein gesunder Respekt ist schon da. Das erfordert schon eine massive mentale und physische Stärke. Bei dem ein oder anderen fragt man sich natürlich schon, warum er sich das antut und mit fünf oder sechs offenen Blasen weitermachen will. Aber hier sieht man den starken Willen der Teilnehmenden.

Blasen und blutige Zehen haben viele. Was machen die falsch?

Schwer zu sagen. Die meisten sind einfach die Belastung nicht gewöhnt. Mit ein oder zwei Wochen Training ist es nicht getan, wenn man 100 Kilometer schaffen will. Und wenn man Blasen vermeiden will, spielt natürlich das Schuhwerk eine große Rolle sowie der Laufstil.

Ihr Job ist es, im Notfall schnell vor Ort zu sein. Wie machen Sie das bei mehr als 2000 Menschen, die sich quer über den Starnberger Landkreis auf Feldwegen tummeln?

Das erfordert einen riesigen Personaleinsatz und einen großen Planungsaufwand. Für die lange Strecke brauchen wir ungefähr 70 Leute, die in Schichten von bis zu zwölf Stunden im Einsatz sind. Für diesen Samstag reicht die Hälfte. Wir sind mit mehreren Fahrzeugen an der Strecke positioniert, um binnen weniger Minuten überall sein zu können, wenn jemand umkippt. Die Teilnehmer alarmieren im Notfall einfach die Leitstelle über die 112, das wird dann an uns weitergeleitet.

Sind die letzten Kilometer die härtesten?

Die meisten machen nach 45 Kilometern schlapp. Wer 70 Kilometer geschafft hat, kommt meistens auch im Ziel an. Das Tolle ist, dass es viele Ausstiegsmöglichkeiten gibt, die Strecke führt immer wieder an Bahnhöfen vorbei. Und der Veranstalter bietet teilweise Shuttle-Busse an. Es haben auch nicht alle den Ehrgeiz, es bis ins Ziel zu schaffen. Die laufen einfach so lange, wie sie Spaß daran haben. Einfach, um das mal auszuprobieren.

Pflaster, Verbände, Desinfektionsmittel - was ist am meisten nachgefragt?

Wir brauchen wahnsinnig viele Coolpacks. Da gehen schnell mal 100 bis 200 weg. Außerdem alles zur Wundversorgung und Stützverbände. Eigens für die Mammutmärsche halten wir auch Blasenpflaster vor.

Warum machen Sie das?

Für uns lohnt sich das in vielerlei Hinsicht. So ein Großevent schweißt auch uns zusammen und bereitet allen große Freude. Und die Einnahmen ermöglichen Investitionen in die Ausrüstung oder in Aus- und Fortbildungen. Wir finanzieren uns ein Stück weit über solche Veranstaltungen.

Werden Sie auch mal mitlaufen?

Der Zusammenhalt unter den Teilnehmern ist schon toll, da herrscht eine ganz besondere Stimmung, die überhaupt nicht vom klassischen Konkurrenzdenken des gegeneinander Antretens geprägt ist. Und auch die Menschen an der Strecke machen mit: Als es einmal total heiß war, haben die Leute ihre Gartenschläuche an die Straße gelegt für die Läufer, damit diese sich bei den sommerlichen Temperaturen abkühlen konnten. Vielleicht mache ich mal mit, wenn ich nicht mehr in der jetzigen Funktion beteiligt bin.

Der nächste Mammutmarsch findet am Samstag, 26. März, statt. Ziel und Endpunkt ist das Seebad in Tutzing. Weitere Informationen unter https://mammutmarsch.de/50-km-marsch/mammutmarsch-muenchen/

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