Oberbayerischer Bezirkstag:Auschwitz-Eklat vor Gericht

Lesezeit: 2 min

Im Münchner Landgericht fand der Prozess statt. (Foto: dpa)

Als es um eine Studienfahrt zur KZ-Gedenkstätte geht, spricht der Gautinger AfD-Politiker Rainer Groß vom NS-belasteten Tannenberg als weiterem Ziel. Ein Linke-Bezirksrat wirft ihm "Hitlerverehrung" vor - das hat das Münchner Landgericht nun verboten.

Von Michael Berzl, Gauting/München

Tannenberg ist ein Ort in Ostpreußen mit vielen Bezügen zum Nationalsozialismus. Ein Denkmal, das dort an eine Schlacht im Ersten Weltkrieg erinnert, wurde von Adolf Hitler zum Reichsehrenmal erhoben, der Sarg von Hindenburg wurde dort in einer Gruft beigesetzt. In der rechtsextremen Szene ist der Ort auch heute ein Begriff. Entsprechend wirkte eine Bemerkung von AfD-Bezirksrat und Bundestagskandidat Rainer Groß, als es im oberbayerischen Bezirkstag eigentlich um eine Studienfahrt nach Auschwitz ging. Da könne man ja auch nach Tannenberg fahren, sagte der 61-jährige AfD-Politiker aus Gauting beiläufig zu einem Fraktionskollegen. Entsprechend heftig reagierte Linken-Bezirksrat Klaus Weber. Der 60-Jährige aus Neuried forderte, Groß abzuberufen und bezeichnete ihn als "Hitlerverehrer". Das jedoch ist ihm nun verboten worden.

Der AfD-Mann Groß muss sich solche Bezeichnungen nicht mehr gefallen lassen. Das hat er per Unterlassungsklage erreicht, über die am Mittwoch vor dem Landgericht in München verhandelt wurde. Doch eines stellte die Vorsitzende Richterin Petra Gröncke-Müller gleich zu Beginn der Verhandlung klar: Dass sie den Vorschlag, nach Tannenberg zu fahren als "wirklich unpassend" empfindet, als "sehr problematisch". Das war der Juristin wichtig, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, in dem Groß seinen Unterlassungsanspruch durchsetzte.

Politische Gegner im oberbayerischen Bezirkstag und nun auch Kontrahenten vor Gericht: Klaus Weber aus Neuried ist der Fraktionssprecher der Linken. (Foto: Stephan Rumpf)

Es gebe zwei Orte mit dem Namen Tannenberg, führte die Richterin aus, beide mit deutlichem NS-Bezug: ein ehemaliges Führerhauptquartier im Schwarzwald und der Ort in Ostpreußen mit Hitlers Reichsehrenmal. Tannenberg als Alternative zu Auschwitz. Groß hat diese Äußerung nicht bestritten, auch in der Verhandlung am Landgericht nicht.

Die Bemerkung mit "Tannenberg" hörte damals bei einer Zusammenkunft des Bezirkstags wohl eher zufällig auch Linken-Politiker Weber. Und der Fraktionssprecher wollte das nicht einfach unkommentiert lassen. Er wollte ein Abberufungsverfahren gegen Groß in die Wege leiten, da der Linke den AfD-Mann aus Gauting nach der Äußerung für unwürdig hielt, sein Amt weiter auszuüben. Daraus wurde aber nichts. In einer Pressemitteilung des Landesverbands der Linken wurde der AfD-Politiker außerdem als "Hitlerverehrer" bezeichnet, auch eine Nähe zu Rechtsextremisten wurde ihm unterstellt. Da solche Vorwürfe via Internet auf der Homepage des Linken-Landesverbands publiziert wurden, war auch Landesgeschäftsführer Maximilian Steininger zur Verhandlung gekommen.

Rainer Groß aus Gauting kandidiert für den Bundestag. (Foto: Stephan Rumpf)

Nichts davon dürfen Weber oder die Linke weiterhin öffentlich äußern. Ihr Rechtsanwalt Jasper Prigge erklärte nach dem Vortrag der Richterin, seine Mandanten würden sich der Unterlassungsklage der AfD unterwerfen; damit müssen sie auch die Gerichts- und Anwaltskosten übernehmen. Weber als Beklagter nannte die Argumente der Richterin nachvollziehbar, er vertrete aber einen anderen Standpunkt.

Zuvor hatte Richterin Gröncke-Müller detailliert erklärt, warum in ihren Augen der Unterlassungsanspruch gegenüber der Linken gerechtfertigt ist. Der Vorwurf der Hitlerverehrung sei eine Meinungsäußerung, die in dem Fall rechtswidrig sei und stark in Persönlichkeitsrechte eingreife. "Viel Schlimmeres kann man ja jemandem nicht vorwerfen", sagte sie. Für so einen Vorwurf reiche aber die Tannenberg-Bemerkung nicht aus, "da müsste mehr kommen". Groß selbst, der Jurist ist, betonte in seinem Schlusswort: "Ich bin weder rechtsextremistisch noch nationalsozialistisch. Da bin ich so weit davon entfernt wie Anfang und Ende des Universums."

Nach den Ausführungen der Richterin ist auch der Vorwurf nicht zu halten, Groß unterhalte Kontakte zu der rechtsextremen Partei "Die Freiheit", denn die sei im Dezember 2016 aufgelöst worden und damit lange vor den angeblichen Kontakten.

© SZ vom 01.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Extremismus in Bayern
:AfD-Politiker klagt gegen Beobachtung

Thomas Wagenseil, AfD-Bezirkstagsabgeordneter, fiel im Internet durch sein Faible für Wehrmacht und Waffen-SS auf. Damit machte er den Verfassungsschutz auf sich aufmerksam.

Von Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: