Impfgegner:Von Faschist bis "Impfnazi"

Lesezeit: 3 min

Die Kinder selbst haben vor allem Wut auf das Coronavirus, wie Bilder zeigen, die sie zum Termin mitgebracht haben. (Foto: Nila Thiel)

In Herrsching existiert eine kleine Gruppe Montagsspaziergänger. Ansonsten gibt es im Landkreis Starnberg aber kaum Widerstand gegen die Maßnahmen zur Corona-Eindämmung. Beschimpft werden Landrat Stefan Frey und ärztliches Personal trotzdem mitunter.

Von Carolin Fries und Florian Zick, Starnberg

Auch im Münchner Umland gehen Impfgegner bei sogenannten Montagsspaziergängen in zunehmender Zahl auf die Straße. In Wolfratshausen liefen nach Angaben der Polizei diese Woche etwa 650 Menschen mit Kerzen durch die Altstadt. Woanders sind schon länger im dreistelligen Bereich Leute unterwegs, in Dachau und in Erding zum Beispiel. Im Landkreis Starnberg ist die Szene dagegen noch nicht sonderlich aktiv. Zwar treffen sich in Herrsching seit drei Woche immer wieder montags ein paar Versprengte vor dem Rathaus. Viel mehr als eine Handvoll Teilnehmer sind es aber auch dort nicht.

Landrat Stefan Frey (CSU) hat dafür eine recht simple Erklärung: Da merke man eben, dass der Landkreis im Kern eine eher urbane Struktur habe, sagt er. Die Leute seien weitgehend aufgeklärt und gut informiert. Die Szene der harten Impfgegner sei "klein und überschaubar", so Frey. Er geht davon aus, dass die Proteste in Herrsching aus AfD-Kreisen gesteuert werden. Es seien letztlich aber immer "die drei, vier selben Hanseln", so Frey, die gegen die Corona-Maßnahmen aufbegehren würden.

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Frey ist ein sehr guter Maßstab was die Corona-Gegenwehr angeht. Der Starnberger Landrat ist ein offensiver Unterstützer der Impfkampagne. Über seinen Facebook-Kanal ruft er immer wieder aktiv dazu auf, sich piksen zu lassen. Aber selbst in den nicht gerade für ihre verbale Zurückhaltung bekannten sozialen Netzwerken ist der Ton auf seiner Seite gemäßigt. Es gebe schon mal Kritik, sagt Frey. Einmal wurde er etwa aufgefordert, persönlich die Haftung für mögliche Impfschäden zu übernehmen, wenn er derart für die Schutzimpfungen werbe. Ein anderes Mal sei er als Faschist beschimpft worden, weil er sich für das Kinderimpfen ausgesprochen habe. "Wenn man das so stehen lässt, spricht das dann aber eigentlich auch für sich", sagt Frey. Zudem müsse man sehen, dass die Gruppe der Impfbefürworter deutlich in der Überzahl sei. "Da findet sich immer jemand, der auch bei Facebook dann aktiv dagegenspricht." Einem User, der ihn explizit aufgefordert hat, "einigen Leuten virtuell die Freundschaft zu kündigen", antwortete er: "Ach, da stehe ich drüber."

Auch im Landratsamt selbst ist das Impfen immer wieder Thema. Auch den etwa 600 Mitarbeitern dort ist es natürlich nicht verborgen geblieben, wie ihr Chef zu dem Thema steht. "Da gibt es schon auch mal Gemaule", sagt Frey. Da gehe es dann aber vor allem um die Tests, die ungeimpfte Mitarbeiter jeden Tag machen müssen. Im Grunde sei die Einsicht in die Notwendigkeit der Impfung aber sehr groß. Die Impfquote bei ihm im Haus betrage rund 90 Prozent, sagt Frey - im Landkreis liegt der Wert aktuell bei nur 73 Prozent.

Bernhard Junge-Hülsing ist optimistisch, dass die Quote noch steigt. "Die Ärzte impfen auch in den Weihnachtsferien weiter", sagt der Starnberger HNO-Arzt, der die niedergelassenen Mediziner im Landkreis in der Pandemie koordiniert. Eine Rolle dabei könnte auch das neue Novavax-Vakzin spielen, hofft der Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer. Dieser sei mit einem Totimpfstoff vergleichbar und könne "hoffentlich all jene überzeugen, die bislang mit den mRNA- und Vektorimpfstoffen haderten".

Junge-Hülsing wirbt seit einem Jahr mit großem Engagement und großem Erfolg für die Schutzimpfungen. In keinem anderen Landkreis in der Region starteten die Immunisierungen erfolgreicher, nirgends lag der Anteil der Geimpften höher als im Fünfseenland. Starnberg hatte den Impfturbo - und entsprechend hart ging Junge-Hülsing mit kategorischen Impfverweigerern ins Gericht. Für diese forderte der Mediziner in einem SZ-Interview härtere Einschränkungen während der vierten Welle. "Wir müssen die Diktatur der Ungeimpften brechen", sagte er. Natürlich sei er darauf auch mal auf der Straße angesprochen worden, "doch das freut mich eigentlich", sagt er. Denn dann könne er alle seine wissenschaftlich belegten Argumente direkt an den Mann beziehungsweise die Frau bringen. Der Austausch sei wichtig und richtig. Weniger Verständnis habe er für Beschimpfungen - erst recht, wenn sie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Starnberger Praxis abkriegten. "Zwei- oder dreimal ist es vorgekommen, dass ein Patient schimpfend rein stürmte und seine Akte haben wollte." Dabei sei auch mal der Ausdruck "Impfnazi" gefallen. In den sozialen Medien erlebe er indes keinen Hass gegen seine Person, berichtet der 57-Jährige.

Vor allem für sein offensives Werben ums Kinderimpfen ist Landrat Stefan Frey angegangen worden. (Foto: Nila Thiel)

Starnbergs Klinik-Geschäftsführer Thomas Weiler, der als Krisenmanager die Krankenhäuser in den Landkreisen Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau und Landsberg durch die Pandemie führt und zudem die Staatsregierung berät, hat ebenfalls mit Kritikern zu tun. Diese hätten sich bislang jedoch ausschließlich gegen politische Entscheidungen wie die Corona-Maßnahmen gerichtet. In Bezug auf seine Person seien Anfeindungen "bisher kein Thema".

© SZ vom 23.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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