Kinos in der Krise:"Es geht darum, sich wieder mehr bei den Leuten im Kopf zu verankern"

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Torjubel im Kinosaal: Zum Auftakt der Handball-EM konnten sich die Besucher der Filmstation Gilching über einen deutschen Sieg freuen. (Foto: Nila Thiel)

Das Kino in Gilching überträgt die Spiele der Handball-EM. Ein Gespräch über Filmhighlights und die Stärken der großen Leinwand in Zeiten von Netflix und Co.

Interview von Ann-Marlen Hoolt, Gilching

Seit dieser Woche läuft die Heim-EM im Handball. Die Filmstation in Gilching überträgt die Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft. Zum Eröffnungsspiel am Mittwochabend gegen die Schweiz kamen rund 100 Leute. Fünf Euro kostet ein Ticket, doch weil die deutschen Spiele auch frei verfügbar bei ARD und ZDF übertragen werden, bekommen alle Besucher zusätzlich einen Verzehrgutschein über fünf Euro. Sie müssen also lediglich ein Getränk kaufen, um die Handball-Europameisterschaft auf der großen Leinwand zu sehen. Zum nächsten Mal spielt die deutsche Mannschaft am Sonntag, 14. Januar, um 20.30 Uhr gegen Nordmazedonien. Ulf Maneval leitet die Filmstation gemeinsam mit seinem Partner Matthias Bojen. Im SZ-Interview erzählt er, warum er die Menschen im Fünfseenland erst wieder fürs Kino begeistern muss und warum er Streamingdienste nicht als Konkurrenz sieht.

SZ: Herr Maneval, woher kam die Idee, Handballspiele im Kino zu übertragen. Die laufen doch eigentlich frei verfügbar im Fernsehen?

Ulf Maneval: Seit Anfang der Saison haben wir eine Kooperation mit dem örtlichen Handballverein. Der hat gefragt, ob wir nicht die EM zeigen könnten. Wir haben vor Corona auch schon mal Sport im Kino gezeigt, Fußballspiele, die auch frei empfangbar waren. Das war immer gut besucht. Deshalb probieren wir es jetzt noch einmal, als Kooperation mit dem Verein.

Für etwas Geld bezahlen, das ich auch umsonst im Fernseher sehen kann - auf den ersten Blick wirkt das wie ein schlechter Deal. Welchen Mehrwert bekomme ich, wenn ich das Spiel im Kino sehe?

Wir sind technisch besser ausgestattet, die Leinwand ist größer und der Ton ist besser. Aber was es wirklich ausmacht, das ist das Miteinander. Gemeinsam ins Kino gehen, sich mit Freunden treffen, zusammen das Spiel erleben - das hat man nicht, wenn man vor dem Fernseher auf der Couch sitzt.

Seit 2018 betreibt Ulf Maneval (rechts) gemeinsam mit Matthias Bojen die Filmstation in Gilching. (Foto: Arlet Ulfers)

Hatten Sie vorab Sorge, dass der Kinosaal leer bleibt? Schließlich ist Bayern keine Handballhochburg.

Gewissheit hat man nie. Wir haben damit einfach etwas Neues ausprobiert. Das machen wir immer schon so. Einfach mal testen, was bei den Leuten ankommt. Aber allein schon wegen der Kooperation mit den Handballern hatten wir geahnt, dass das Interesse da ist. Wenn bloß 20 Leute gekommen wären, wäre das zwar etwas schade gewesen, aber auch okay.

Wenn Sie sagen, dass Sie immer mal wieder Neues ausprobieren - mit welchen Ideen locken sie die Menschen noch in den Kinosaal?

Ein guter Film ist da das A und O. Bei schlechten Filmen kommen die Leute nicht. Ganz einfach. Aber wir planen auch schon länger, den Café-Betrieb bei uns auszubauen, sodass auch Gäste kommen können, die sich keinen Film anschauen. Wir könnten uns auch vorstellen, Kino-Abos anzubieten. Es geht im Grunde darum, sich wieder mehr bei den Leuten im Kopf zu verankern. Das ist gerade unsere große Aufgabe.

Ist die Kinolaune der Menschen im Fünfseenland denn aktuell nicht besonders groß?

Nicht nur speziell bei uns, sondern überall. In der Pandemie haben viele Leute das Kino einfach aus dem Blick verloren. Um die müssen wir jetzt kämpfen. Unsere Besucher- und Umsatzzahlen liegen noch unter dem Niveau der Vor-Corona-Jahre. Aber es bessert sich. An Filmen wie "Barbie" und "Oppenheimer" im vergangenen Sommer oder beim Eberhofer-Krimi haben wir ganz klar gesehen: Bei guten Filmen, die auch gut beworben werden, kommen selbst die Leute ins Kino, die sonst nur selten hingehen. Solche Publikumsmagnete fehlen gerade. Das ist ein Problem.

Da zeigen sich die Nachwehen der Streiks in Hollywood aus dem vergangenen Jahr.

Genau. Wegen der Streiks sind viele Filme nicht wie geplant fertig geworden. Da haben sich die Lieferketten verschoben. Als Kino sind wir nun mal abhängig von dem, was produziert wird. Es ist jetzt nicht so, dass wir keine guten Filme zeigen können. Aber wir merken die Verzögerung.

Haben Sie denn schon Kinohighlights für die kommenden Monate im Auge?

Es stehen schon einige tolle Filme an. "Fifty Fifty" und "Eine Million Minuten" sind zwei deutschsprachige Beispiele. Im Arthouse-Bereich startet in der kommenden Woche " Poor Things". Der wird vermutlich nicht die Massen ansprechen, aber trotzdem sein Publikum finden. Und dann gibt's natürlich die Blockbuster: Ein neuer "Deadpool" kommt im Sommer und im Herbst eine Fortsetzung zum "Joker" mit Joaquin Phoenix. Im Frühjahr startet der neue "Dune", der wird sehr stark werden. Die Geschichte ist gut, die Bilder und der Ton sind gewaltig - das ist ein richtiger Kinofilm.

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Wünschen Sie sich mehr solcher Filme, die speziell fürs Kino gemacht sind? Schließlich konkurrieren Sie ja auch mit den Streamingdiensten.

Ach, mich stören die Streamer gar nicht so sehr. Ich sehe die nicht als Konkurrenz. In der Pandemie hatte ich Sorge, dass die Kreativen dahin abwandern, dann hätte das Kino ein qualitatives Problem bekommen. Aber dazu ist es nicht gekommen. Die Aufmerksamkeit für einen Film ist im Kino am größten, das haben die Streamingdienste inzwischen auch mitbekommen. Apple TV hat zuletzt einige eigene Filme ins Kino gebracht. Ich habe noch keinen wirklich guten Film gesehen, der exklusiv fürs Streamen gemacht wurde. Es ist das eine, wenn man sich auf dem Sofa von Netflix berieseln lässt. Aber ein guter Film ist fürs Kino da.

Noch einmal zurück zum Handball. Bisher haben Sie nur Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft im Programm. Wie sieht es denn mit den übrigen Spielen aus?

Das kommt darauf an, wann die deutsche Mannschaft in der Hauptrunde spielt. Die Termine stehen dann erst kurzfristig und wir müssen schauen, ob wir Platz im Programm haben. Aber die Resonanz war bisher gut und ich gehe davon aus, dass wir, wenn es so bleibt, die übrigen deutschen Spiele auch weiterhin zeigen werden. Jetzt muss die deutsche Mannschaft nur noch die Hauptrunde erreichen. Aber davon gehen wir aus.

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