Der Goldene Löwe des Filmfestivals Venedig geht an den Film "Poor Things" des griechischen Regisseurs Giorgos Lanthimos. Das gab die Jury am Samstagabend bekannt. "Poor Things" ist eine experimentelle Variation der Frankenstein-Geschichte mit der US-Schauspielerin Emma Stone in der Hauptrolle. Weitere Rollen sind mit Willem Dafoe und Mark Ruffalo besetzt - und auch die deutsche Schauspielerin Hanna Schygulla ist kurz zu sehen. Der 50-jährige Regisseur Lanthimos ist bekannt für Filme wie "The Favourite - Intrigen und Irrsinn", "The Lobster" oder "The Killing of a Sacred Deer".
In dem grotesken Märchen "Poor Things" spielt Stone eine schwangere Frau, die sich auf der Flucht vor dem Missbrauch ihres Mannes umbringt. Der Wissenschaftler Godwin Baxter (Willem Dafoe) findet ihre Leiche, setzt ihr das Gehirn ihres ungeborenen Kindes ein und wiederbelebt sie. Sie wird nun Bella genannt und hat das geistige Alter eines Kindes, entwickelt sich aber stetig weiter. Das Publikum folgt Bella dabei, wie sie lernt sich zu bewegen und zu sprechen. Schließlich flüchtet sie aus der Enge von Baxters Haus und lernt auf ihren Reisen das Leben kennen. Ihr Umfeld ist von ihrer vorurteilsfreien und sexuell freizügigen Art gleichsam irritiert und fasziniert.
Regisseur Giorgos Lanthimos hat die Hauptdarstellerin seines Films "Poor Things" gepriesen. "Dieser Film ist vor allem die Hauptfigur Bella Baxter, dieses unglaubliche Wesen, und sie würde ohne Emma Stone, ein weiteres unglaubliches Wesen, nicht existieren", sagte der 50-Jährige. "Sie ist der Film, vor und hinter der Kamera." Stone (34) war wie auch das restliche Schauspieler-Team von "Poor Things" wegen des Hollywood-Streiks nicht zu den Filmfestspielen Venedig gereist.
Weitere wichtige Preise der Filmfestspiele gingen an die Amerikanerin Cailee Spaeny für ihre Rolle in "Priscilla" (beste Schauspielerin), den Amerikaner Peter Sarsgaard für seinen Part in "Memory" (bester Schauspieler) sowie den japanischen Regisseur Ryusuke Hamaguchi, der für seinen Film "Evil Does Not Exist" (japanisch: "Aku wa sonzai shinai") den Großen Preis der Jury erhielt.
Das Festival zeichnete auch zwei sehr politische Filme aus: Der italienische Regisseur Matteo Garrone gewann für das Drama "Io capitano" über zwei Migranten aus dem westafrikanischen Senegal den Silbernen Löwen für die beste Regie. Und die polnische Regisseurin Agnieszka Holland erhielt den Spezialpreis der Jury für ihren Film "Zielona Granica". Das Drama erzählt von Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze.
Die Filmfestspiele Venedig, die am 30. August begonnen hatten, zählen neben den Filmfestspielen in Cannes und der Berlinale zu den drei bedeutendsten der Welt. Im diesjährigen Wettbewerb hatten 23 Werke um die Preise konkurriert. Die Auszeichnungen wurden von einer internationalen Jury verliehen. Ihr Vorsitzender war der amerikanische Regisseur Damien Chazelle.
Große Freude in Griechenland
Chazelle hat seine Erfahrung als diesjähriger Jury-Präsident der Filmfestspiele Venedig geteilt. "Ich glaube, wir waren alle beeindruckt von der Bandbreite der Filme, und wir waren auch beeindruckt von der Bandbreite der Reaktionen", sagte der 38-Jährige am Samstagabend. "Was ich wirklich aus dieser Erfahrung mitgenommen habe, abgesehen davon, dass ich das Glück hatte, diese Filme zu sehen..., war, wie leidenschaftlich, unterschiedlich und manchmal sogar heftig die Diskussionen und Debatten sein konnten, die durch diese Filme angeregt wurden."
Die Verleihung des Goldenen Löwen an den Film "Poor Things" des griechischen Regisseurs Giorgos Lanthimos hat in den griechischen Medien und in Kinokreisen in Athen Begeisterung ausgelöst. "Lanthimos hat mit seinem Talent bewiesen, dass das griechische Kino und seine Schöpfer auf der internationalen Landkarte der Filmindustrie gleichberechtigt stehen können", erklärte am Samstagabend das Griechische Filmzentrum (HCC), das für die Förderung des Kinos in Griechenland zuständig ist.
"Große Auszeichnung für den griechischen Regisseur in Venedig" titelten fast identisch alle griechischen Nachrichtenportale am Samstagabend. Die größte Sonntagszeitung To Vima meinte: "Und das ist der erste Schritt in Richtung einer brillanten Zukunft des Films, alles deutet darauf hin, dass der Film für den Oscar nominiert wird." Das Athener Nachrichtenportal Protothema.gr titelte: "Triumph in Venedig".