Klimaschutz auf dem Fünfseen-Filmfestival:"Wir wollen eine Art Feuermelder sein"

Lesezeit: 2 min

Zwei umweltaktivistische Gruppierungen in Großbritannien und Deutschland werden begleitet - im Hambacher Forst sowie im englischen Pont Valley. (Foto: FSFF)

"Finite: The Climate of Change" begleitet zwei Umweltbewegungen. Ein Aktivist der Letzten Generation verteidigt den resoluten Protest.

Von Katja Sebald, Gauting

Es ist eine verkehrte Welt: Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern der Profit. Nicht die Unternehmen, die mit dem Kohle-Tagebau die Natur unwiederbringlich zerstören, werden kriminalisiert, sondern diejenigen, die dagegen protestieren. Der Dokumentarfilm "Finite: The Climate of Change" des britischen Regisseurs Rich Felgate zeigt die ungeschönte Realität des Umwelt- und Klimaaktivismus. Er begleitet hautnah die Arbeit von zwei Gruppierungen: unmittelbar betroffene Bewohner und Aktivisten in Pont Valley in Durham im Nordosten Englands und Baumbesetzer im Hambacher Forst.

Über drei Jahrzehnte gab es Demonstrationen und Bürgerinitiativen gegen den Kohleabbau in Pont Valley, nur knapp dreihundert Meter von der nächsten Siedlung entfernt. Anfang 2018 kündigte das Bergbauunternehmen Banks Group an, mit der Erschließung der Mine zu beginnen. Die Zeit drängte, denn am 3. Juni 2018 lief die Planungsgenehmigung aus, bis zu diesem Termin musste die Erschließungsstraße fertiggestellt werden.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Das von den Aktivisten errichtete Protestcamp erfuhr große Unterstützung durch die Bevölkerung. Auch Aktivisten aus dem Hambacher Forst beteiligten sich zeitweise an den Blockaden und Demonstrationen. Buchstäblich in letzter Minute konnte der Abbau gestoppt werden, die Zerstörung der Landschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschritten.

Auch die Proteste gegen die Abholzung des Hambacher Forsts in Nordrhein-Westfalen haben eine jahrzehntelange Geschichte. Seit 2012 wurde der verbliebene Teil des Waldes mehrfach von Aktivisten besetzt. Ihre Baumhauskolonie und die Protestmärsche, an denen zeitweise Tausende von Menschen teilnahmen, sind die Symbole des Widerstands gegen den Braunkohleabbau in Deutschland. Im September 2018 spitzte sich die Situation zu, als vor der geplanten Rodung des verbliebenen Waldes durch den Tagebaubetreiber RWE die Polizei anrückte, um das Camp zu räumen und die Baumhäuser abzureißen.

Der Film zeigt die letzten Bilder eines verunglückten Journalisten

Der 27-jährige Journalist Steffen Meyn, der von einer Hängebrücke aus filmte, stürzte damals aus rund fünfzehn Meter ab und starb. Im Film sind auch die letzten Bilder seiner Kamera zu sehen. Im Herbst 2018 stoppte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Rodung, die Landesregierung stellte die Räumung ein.

Der Film zeigt das brutale Vorgehen der Polizei, er zeigt Razzien, Schikanen und unnötige Zerstörungswut. Er zeigt aber auch immer wieder Gesichter von Polizisten, aus denen man Verständnis für die Protestierenden oder einfach Angst lesen kann. Und die zunehmende Gewaltbereitschaft der Aktivisten, ihre Ohnmacht und ihre wachsende Verzweiflung, die sie Steine werfen und Sabotageakte durchführen lässt. Die Grenzen zwischen Gut und Böse lassen sich in dieser verkehrten Welt nicht immer leicht ziehen.

Im Hambacher Forst verteidigen Aktivisten die Bäume vor einer Abholzung durch die RWE. (Foto: FSFF)
Auch in Nordengland protestieren Menschen gegen den Kohleabbau. (Foto: FSFF)
Luis Böhling von der "Letzten Generation" verteidigt im Gautinger Kino die Herangehensweise der Aktivisten. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Zum Filmgespräch am Freitagabend in Gauting hatten Anne und Alex Eichberger, Initiatoren der Sektion "Kino & Klima" auf dem Fünfseen-Filmfestival, Luis Böhling eingeladen, einen Aktivisten aus der Münchner Gruppe der "Letzten Generation". Neunzig Prozent der Gesellschaft seien grundsätzlich für Klimaschutz, sagte Alex Eichberger nach dem Film. Warum das Verständnis für die Klimaaktivisten dennoch abgenommen habe, fragte er Luis Böhling, der sich bei der "Letzten Generation" engagiert und zum Filmgespräch nach Gauting gekommen war. "Die Frage nach der Akzeptanz stellt sich für mich nicht", antwortete der 19-jährige Münchner Philosophiestudent, "die Dringlichkeit steht für mich im Vordergrund".

Anders als in anderen Städten sei in München die Kommunikation mit der Polizei gut, es komme deshalb kaum zu Gewaltexzessen, wie sie im Film zu sehen waren. "Die Blockaden in München werden von rund hundert Aktivisten durchgeführt, aber es gibt viele, die hinter uns stehen und uns unterstützen", sagte er. Den Aktivisten sei durchaus bewusst, dass das, was sie tun, illegal ist: "Aber die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung folgen ihrem selbst aufgestellten Klimaschutzgesetz nicht. Wir wollen deshalb eine Art Feuermelder sein."

Der Film "Finite: The Climate of Change" ist auf dem FSFF noch einmal am Dienstag, 29. August um 17.30 Uhr im Kino Breitwand in Gauting zu sehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFünfseen-Filmfestival
:"Ich wollte immer Regisseurin werden"

Als Ehrengast kommt Margarethe von Trotta zur Eröffnung des Fünfseen-Filmfestivals. Bei ihrem Besuch in Starnberg erinnert sie sich zurück an ihre Anfänge - und die gesellschaftlichen Hürden, vor denen Frauen ihrer Generation standen.

Von Katja Sebald

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: