Wenn Reinhard Schmidt seinen Kunden erklären will, was sie bei Econ Industries überhaupt machen, dann stellt er ihnen normalerweise einen Haufen Steine auf den Tisch. Dazu ein Gläschen Öl, eines mit Wasser und noch weitere Materialproben. "Die Leute müssen das mit den Händen anfassen, um zu begreifen, wie wir mit unseren Anlagen den Sondermüll reinigen." Normalerweise fliegen Schmidt und sein Vertriebsteam dafür rund um die Welt zu den Kunden in Indien, Bahrain, Kolumbien oder Aserbaidschan. "Fünf persönliche Kontakte braucht es, um einen Deal einzufädeln", dachte der Maschinenbauingenieur lange Zeit. Doch dann kam Corona. Und plötzlich war vieles, was vorher selbstverständlich war, nicht mehr möglich. Für seinen innovativen Umgang mit den Einschränkungen durch die Pandemie und seine klare Orientierung an der Nachhaltigkeit ist das Unternehmen aus Percha nun für den Wirtschaftspreis des Landkreises Starnberg nominiert worden.
Seit 2003 sitzt das Familienunternehmen mit seinen derzeit 20 Mitarbeitern an dem Standort gegenüber der Werft am Starnberger See. Der Recklinghausener Schmidt hat es gemeinsam mit seiner Frau, die sich um den kaufmännischen Ablauf kümmert, gegründet. Die Idee dahinter: Industrieabfälle, Schlämme und kontaminierte Böden sollen so aufbereitet werden, dass die einzelnen Rohstoffe weiter verwertet werden können. Müll reduzieren im großen Stil ist das Anliegen. "Wir sind keine Müllverbrenner und keine Deponie - wir wollen mit unseren Technologien dafür sorgen, dass weltweit das Beste aus dem Müll wieder herausgeholt wird. Damit gehört Nachhaltigkeit zu unserer Firmen-DNA", sagt der Geschäftsführer. Das gilt auch für gefährlichen Sondermüll. Aus einer Lastwagenladung quecksilberhaltigem Boden bleiben nach der Reinigung zwei Komponenten übrig: ein kleiner Becher Quecksilber und ein großer Container wiederverwertbarer Bohrschlamm.
Die patentierte Technologie namens "VacuDry" ist dabei im Grunde ein Erhitzen und Kondensieren des Sondermülls. "Es ist ein bisschen so, wie man die Kaffeemaschine zu lange laufen lässt und der heiße, trockene Kaffeesatz zurückbleibt", erklärt Schmidt. Mit seinem auf Auslandsgeschäfte konzentrierten Unternehmen gewann er schon 2018 den Exportpreis des bayrischen Wirtschaftsministeriums und gehörte bereits zu den Nominierten des hiesigen Wirtschaftspreises. Doch wie manövriert sich ein so international aufgestelltes Unternehmen durch die Corona-Krise?
"Dass wir nicht mehr reisen konnten, hat uns zunächst eiskalt erwischt", sagt Schmidt. Um die Liefertermine einhalten zu können, mussten technische Abnahmen der Anlagen plötzlich online stattfinden, "Remote-Abnahmen" nennt Schmidt das. Den Kunden im Ausland wurde mit einer Werkstattschalte ein Einblick in die laufende Produktion ermöglicht. "Unsere Branche ist gar nicht so offen für Digitalisierung, ein Maschinenbauer fasst die Dinge lieber mit der Hand an", sagt Schmidt. Das hebt auch die Jury des Wirtschaftspreises lobend bei der Nominierung des Unternehmens hervor: "Wie man das scheinbar Unmögliche, nämlich die Abnahme einer Anlage mittels Video-Konferenz zwischen Deutschland und zum Beispiel der arabischen Welt vornehmen kann und sich gedanklich dahin entwickelt eine Bauanleitung komplexer Anlagen zu schreiben, damit der Kunden ohne physische Präsenz von Econ Industries vor Ort im Ausland die Anlage aufbauen und in Betrieb nehmen kann - das hat uns begeistert", teilt Annette von Nordeck von der GWT mit.
Vor allem in der Akquise musste die Firma neue Wege gehen. Die Pandemie bremste die zuvor 50 weltweiten Kundenbesuche auf null herunter. So konnte der Betrieb in vier Monaten zwar einen 70-prozentigen Rückgang der Reisekosten verbuchen und rund 60 000 Euro einsparen. Doch neue Aufträge kamen so nicht an Land. Dafür entwickelte Econ Industries ein eigenes Software-Tool, das intern "Project Tracker" genannt wurde. Damit durchsuchten die Vertriebsmitarbeiter ganze Datensätze und machten so innerhalb der rund 5000 Bestandskunden mögliche Neuaufträge ausfindig. Mit Erfolg. Eine zusätzliche Mitarbeiterin für den Kundendialog wurde eingestellt und eine neue Daten-Cloud eingerichtet. Den bisherigen Jahresumsatz von zehn Millionen Euro zur erreichen, sei nicht unrealistisch, schätzt Schmidt.
Bewährt hat sich für das Familienunternehmen, dass es alle Anlagen in Deutschland plant und produziert und sich somit unabhängig von weltweiten Lieferketten machen konnte. Sechs Wochen im Home-Office, drei Wochen in Kurzarbeit und keine Corona-Fälle in der Belegschaft - es hätte schlechter laufen können für den Hidden Champion. Letztlich, sagt der Geschäftsführer, bedeutete die Krise einen "Weiterbildungsschub für die Mitarbeiter", die sich nun allesamt deutlich beweglicher im Digitalen zeigten. Und damit der persönliche Kontakt zu den weltweiten Kunden nicht ganz abreißt, hat sich der Anlagenbauer auch etwas einfallen lassen: Eine Wand mit Freizeitbildern von Kollegen aus dem Ausland soll die Mitarbeiter daran erinnern, dass da am anderen Ende der Welt auch bloß ganz normale Menschen auf den Bildschirm schauen.