Stadtrat:München will mit Stelen und Tafeln an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern

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Klein, quadratisch und golden ist der Entwurf des Designers Kilian Stauss für Stelen. (Foto: Stauss processform, Prof. Kilian Stauss)
  • Viele Städte erinnern mit sogenannten Stolpersteinen, die in Bürgersteige eingelassenen sind, an die Opfer des Nationalsozialismus.
  • In München wird das seit Jahren kontrovers diskutiert. Die Israelitische Kultusgemeinde etwa sprach sich wiederholt gegen Stolpersteine aus.
  • Nun hat sich der Kulturausschuss auf Stelen und Wandtafeln geeinigt. Doch der Streit geht weiter.

Von Jakob Wetzel

Die Entscheidung ist gefallen: Statt Stolpersteine auf öffentlichem Grund zu erlauben, setzt die Stadt auf Stelen und Wandtafeln, um individuell an die Münchner Opfer der Nazis zu erinnern. Am Donnerstag hat sich der Kulturausschuss des Stadtrats mit großer Mehrheit für einen Entwurf des Designers Kilian Stauss ausgesprochen.

Dieser sieht vor, an den letzten Wohnorten der Ermordeten Wandtafeln aus vergoldetem Edelstahlblech anzubringen. Alternativ sollen Edelstahl-Stelen vor den Gebäuden aufgestellt werden; die Inschriften sollen dann auf goldenen Hülsen Platz finden. Die Stadt soll das Projekt demnach mit zunächst 150 000 Euro fördern. Die Initiative muss aber aus der Gesellschaft kommen.

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Es sei ein wichtiger Tag für München, betonten mehrere Stadträte unisono: Die Jury habe einen zweckmäßigen und ästhetischen Entwurf ausgewählt. Er hoffe auf eine gewisse Befriedung, sagte Marian Offman (CSU), der auch im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde sitzt.

Er wisse um den Dissens in Gesellschaft und Stadtverwaltung, appelliere aber an alle, sich zu einigen und zu versöhnen. Um Starthilfe zu geben, sagte Offman, habe er mit Uri Siegel gesprochen, dem Neffen des einstigen FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer und Neffen zweiten Grades des Rechtsanwaltes Michael Siegel.

Sie wollen sich für zwei erste Tafeln oder Stelen einsetzen: Erinnert werden soll an Tilly Landauer, die 1944 in Auschwitz starb, und an ihren Mann Franz, der 1943 in Westerbork in den Niederlanden umgebracht wurde. Das Paar wohnte an der Königinstraße 85.

Gegen den Entwurf stellte sich nur Thomas Ranft (Piraten): Er sei für Stolpersteine und lehne diese Lösung ab, sagte er. Kritik äußerten aber auch die Grünen: Wer einen Dissens ausräumen wolle, brauche einen Kompromiss, sagte Fraktionschef Florian Roth. Tatsächlich hätten sich die Gegner der Stolpersteine einseitig durchgesetzt. Einwilligen werde er trotzdem. Denn antisemitische und nationalistische Strömungen nähmen zu, da sei alles gut, was die Erinnerung wachhalte.

Sonja Haider (ÖDP) hingegen sah in dem Entwurf einen Kompromiss: Sie befürworte zwar Stolpersteine, möge aber das Design, denn das sei ein Brückenschlag zu den Stolpersteinen, sagte sie. Deshalb stimme sie zu. Umgekehrt sorgt die Ähnlichkeit aber auch für Kritik.

Gabriella Meros, Vorsitzende des Vereins "Respect & Remember Europe", folgte der Debatte als Zuhörerin. "Das sind Stolpersteine an der Wand", sagte sie nach der Sitzung empört. Ihr Verein habe ursprünglich Investoren werben wollen. Das werde man jetzt nicht tun. Der Streit geht weiter.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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