Handwerkskunst:Plakative Kunst

Lesezeit: 5 min

Mehr als Konzert-Information: Señor Burns fertigt Gig-Poster für Bands wie "Spirit Fest" an. (Foto: Señor Burns)

Konzertposter, T-Shirts, Kaffeetassen - alles mögliche lässt sich mit Siebdruck zum Liebhaber-Objekt machen. In Kursen, Büchern und bei Designern kann man die beliebte Technik und das Anfertigen von Werkzeugen lernen.

Von Jürgen Moises und Michael Zirnstein

Kunst ist frei, kann aber auch unter Druck entstehen. Unter dem sanften Druck einer Gummirakel zum Beispiel, die Farbe durch die unbedeckten Stellen eines auf einen Rahmen gespannten Gewebes streicht. Es bleibt ein Abbild auf Papier, einem T-Shirt, einer Keramiktasse ... Die Möglichkeiten des Siebdrucks sind nahezu unerschöpflich, das macht ihn beliebt bei Künstlern, Konzertplakatgestaltern und Hobby-Designern. Siebdrucken ist Kunst für jeden. In Kursen und Büchern lernt man schnell, wie man seine Ideen in Kleinserien auf die Welt bringt.

Rock-Kunst

Beeindruckt vom Druck: Markus Acher von "The Notwist" freut sich über die von Señor Burns handgemachte Plattenbox für die mit ihm verbandelte japanische Band "Tenniscoats". (Foto: Señor Burns)

Als Konzertplakatkünstler Señor Burns lebt Bernd Hoffmann wie ein Rockstar. Ein wenig zumindest, denn der Münchner reist dem Rockzirkus hinterher zu Festivals, trifft befreundete Musiker und hat selbst eine kleine Bühne: seinen Stand mit vielen bunten Gig-Postern, die er für etliche Bands in seiner Siebdruckwerkstatt hergestellt hat. Gerade Indierock-Fans sind ein dankbares Publikum für Gig-Poster-Kunst, wie sie etwa Pearl Jam bei jedem Konzert in Auftrag geben. Um überhaupt mit den Bands in Kontakt und klarzukommen, ist es freilich hilfreich, dass der gelernte Schreiner und studierte bildende Künstler selbst Bass spielt und einmal den Musikverlag Red Can Records mit Künstlern wie Candelilla und Angela Aux geführt hat. Plakate, Platten- und CD-Hüllen gestaltete er selbst und bedruckte sie kunstvoll und experimentierfreudig (etwa mit Kunstgrasstreuseln) von Hand.

Das bekamen The Notwist mit und orderten ein LP-Cover von Señor Burns - es folgten Dutzende weitere Arbeiten für die international geachtete Weilheimer Band. Das war die beste Referenz, um auch mit anderen Künstlern - von Kofelgeschroa über Calexico bis Kate Nash - zusammenzuarbeiten. Anders als in den Siebzigern etwa im Londoner UFO-Club oder im Filmore in San Francisco, als Konzert-Aushänge eine eigene Kunstform wurden, hängen Burns' Plakate kaum noch öffentlich, sondern in Auflagen von 50 bis 300 Stück signiert zu Hause bei Sammlern. Im Angebot hat er längst auch Postkarten, Aufkleber und Siebdruckkunst ohne Band-Bezug (Web-Shop unter www.senorburns.net).

Einen anderen, man möchte fast sagen melancholischeren Stil, hat der Münchner Konzertplakatkünstler Simon Marchner. Auch er hat für große Künstler wie Chilly Gonzales, The National, Cat Power oder Bad Religion Poster entworfen und gedruckt.

Siebdruck-Workshops

Stephanie Schmitz bringt Hobbydesignern in Kursen Siebdruck-Techniken bei. (Foto: Stephanie Schmitz)

Man kann tolle Siebdruck-Shirts oder Poster auch selber machen. Wie? Das erfährt man in München in verschiedenen Workshops. Eine bewährte Adresse dafür ist die Färberei, die seit 2006 eine Siebdruckwerkstatt hat und Kurse für Einsteiger anbietet. Geleitet werden sie von der Kunsttherapeutin Sabine Mayer. Sie finden ungefähr zweimal im Monat sonntags statt (Claude-Lorrain-Straße 25; nächste Termine: 20. und 27. Februar; 55 Euro; www.diefaerberei.de/siebdruck). Auch einen Siebdruck-Schnupperkurs kann man dort machen. Dieser ist freitags (17-20 Uhr), die Teilnahme kostenfrei (Anmeldung: oe_werkstatt@kjr-m.de).

Ebenfalls schon seit zehn Jahren bietet Stephanie Schmitz Siebdruckkurse in München an. Sie machte das zuerst in der Werkbox³ im Werksviertel. Seit deren Umzug hat sie ihr Atelier im Kunstlabor 2 in der Maxvorstadt (Dachauer Straße 90). Die Gebühr beträgt 75 Euro, die nächsten Termine sind am 12. März, 2. April und 7. Mai. Alles andere erfragt man am besten direkt bei Stephanie Schmitz (Telefon 0177/4130230 oder siebdruck@werkbox3.de). Auch in der Silberfabrik in Haidhausen (Elsässer Straße 19) gibt es Siebdruckkurse. Diese kosten 89 Euro und finden meist zwei Mal im Monat statt ( www.silberfabrik.com). "Siebdrucken für Kinder" heißt ein Kurs, den das Haus für Eigenarbeit veranstaltet (54 Euro, Wörthstraße 42, Termine unter unter welcome@hei-muenchen.de oder 089/44 80 623). Und nicht zuletzt macht Señor Burns in seinem Atelier in Giesing immer wieder Workshops. Wegen Corona fiel zuletzt vieles aus. Wer Interesse hat, schaut am besten regelmäßig auf die Seite senorburns.wordpress.com oder schreibt eine Mail an werkstatt@red-can.com.

Siebdruck zu Hause

Unbunt präsentiert sich das Buch "Siebdruck zu Hause". Die Autorin liefert aber klare Strukturen für das Handwerk und regt die gestalterische Fantasie an. (Foto: Verlag Herrmann Schmidt)

Überraschend unbunt präsentiert sich das Buch "Siebdruck zu Hause". Der Einband und die meisten der 158 Seiten mit 240 Abbildungen sind zweifarbig schwarz-silber bedruckt - das lässt Raum für die Fantasie. Die Autorin Pippa Parragh, Meisterdruckerin aus Wien, gibt freilich auch Anregungen für kunstvolle verzierte Kissenüberzüge, Papiertaschen, Geschirrtücher, T-Shirts oder gar Steine. Vor allem aber gibt sie Struktur: vom Aufbau einer kostengünstigen Mini-Werkstatt daheim bis zum Arbeiten selbst - vorbereiten, drucken, nachbereiten. Egal ob man das Druckgewebe mit Foto-Emulsion beschichtet und mit digital erstellten Folien belichtet oder ob man ganz einfach sein Motiv mit der Schere von Hand aus dickem Papier ausschneidet und aufklebt. Zur Inspiration liegt ein fünffarbiger Bogen mit Beispielen bei. Wem das nicht reicht, dem sei im selben Verlag Hermann Schmidt das Buch "Nea Machina: die Kreativmaschine" empfohlen, in dem die Chiemgauer Poschauka-Brüder zeigen, wie sie ihre knallbunten, plakativen Motivideen unter anderem für La Brass Banda entwickeln.

Geräte und Werkstätten

Auch wie man den Rahmen für das Sieb und anderes benötigtes Werkzeug anfertigt, unterrichtet Stephanie Schmitz. (Foto: Stephanie Schmitz)

Der Siebdruck ist relativ einfach zu erlernen und vielfältig einsetzbar. Nur was macht man ohne eigenes Siebdruckgerät und Werkstatt? Auch dafür gibt es Lösungen in München. So bietet Stephanie Schmitz allen, die bei ihr den Einführungskurs absolviert haben, die Möglichkeit, ihre Werkstatt im Kunstlabor 2 (Dachauer Straße 90) zu mieten. Die Tagesmiete beträgt 50 Euro, die Siebpauschale zwischen 35 und 55 Euro. Wer will, kann eine individuelle Betreuung hinzubuchen. In der Färberei ist es ganz ähnlich. Auch dort gibt es die Möglichkeit, die Werkstatt nach Absprache tageweise zu nutzen (Gebühr: 30 Euro). Voraussetzung ist ebenfalls, dass man den Einführungskurs gemacht hat.

Eine weitere Option: Sich sein Siebdruckgerät selber bauen. Auch das kann man bei Stephanie Schmitz lernen. In einem zweitägigen Kurs stehen außer dem Bau eines Geräts auch das Bespannen des Siebs und die Schnittschablonen-Drucktechnik auf dem Programm (190 Euro, inklusive Material, WerkBox³, Dachauer Straße 110c, 25./26. März und 26./27. Mai). Eine etwas andere Variante bietet die Silberfabrik an. Hier gibt es "DIY Siebdruck Kits für Zuhause" ( www.silberfabrik.com). Für 129 Euro bekommt man ein Sieb mit etwa zehn bis 20 Motiven zu Themen wie "Fruity" oder "Tiere", drei Farben, eine Rakel, Kopien zum Ausrichten sowie eine Videoanleitung. Ähnliche Angebote findet man im Fachhandel, bei Boesner oder Shops im Internet, wo es zudem Materialien wie Rahmen oder Farben gibt. Auch Stephanie Schmitz überlegt, geprägt durch Corona, ihren Siebdruckgeräte-Baukurs als Do-it-yourself-Variante anzubieten: als Kaufset mit Anleitung für zu Hause.

Druckaufträge

Echte Handarbeit - das kann man aber auch von Profis wie den Arsonists machen lassen. (Foto: Arsonists)

Wer sein ganz eigenes, individuelles Siebdruckmotiv möchte, kann es in einem Workshop selber ausarbeiten und drucken. Es geht aber noch anders. Man sucht oder gestaltet sich ein schönes Motiv und lässt dann die Profis ran. Wie etwa die Arsonists, ein von Günter Götzer angeführtes Team aus Grafikern, Siebdruckern, Fotografen und Marketing-Experten, die ihre Werkstatt am Stiglmaierplatz (Kreittmayrstraße 3) haben. Sie bieten Siebdrucke auf T-Shirts, Hoodies, Caps, Socken, Schals und noch einigem mehr an. Das gewünschte Motiv kann man auf der Webseite www.arsonists.de hochladen. Es gibt viele Farben, Materialien und Drucktechniken zur Auswahl, wie erhabener 3D-Siebdruck oder Irisdruck, bei dem die Farben direkt auf dem Sieb vermischt werden. Der Preis hängt vom Motiv, der Druckart, Platzierung und Auflage ab. Wer will, kann sich auch Einzelstücke drucken lassen. Nur wird das dann etwas teuer.

Druck-Kunst

Was an der auf einem Plattenspieler rotierenden schwarzen Schallplatte denn Kunst sei, fragte der Besucher einer Ausstellung. Dem Gast sei nicht aufgefallen, dass die Scheibe gar keine echte Vinyl-LP war, sondern ein auf ein weißes Papierrechteck gedrucktes Objekt, sagt der Künstler Marco Stanke. Die Täuschung ist für ihn aber gar nicht entscheidend. Auch nicht die Fortführung des Siebdrucks im Kunstkontext wie etwa bei Andy Warhol. Und schon gar nicht der dekorative oder plakative Aspekt dieser "fast schon charakterlos universellen" Handarbeit (nicht mal für seine Band Polizei druckt er Plakate oder Fan-Shirts). Vielmehr befasst sich der Absolvent der Münchner Kunst-Akademie aus der Malerei-Klasse von Pia Fries mit den Materialien und der Technik des Siebdrucks an sich: Bei seinen LP-Objekten zum Beispiel trägt er die Rillen in zehn Durchgängen auf, bis sie glänzen und tastbar werden. Er bedruckt auch Flächen mit silbriger Rubbellos- oder mit Zündholzschachtel-Reibefarbe. Oft verlässt er die Ebene, druckt so oft, bis die Farbe Strukturen (etwa des Siebes) zeigt, er falzt, bis die Farbe bricht und aufblättert, und er entfaltet das Papier ins Dreidimensionale (zu sehen auf seiner Webseite marco-stanke.de, zu erwerben über die Galerie Renate Bender). Einen Einblick in die Verwendung verschiedener Drucktechniken in der Kunst gibt der Münchner Radierverein, dem auch Marco Stanke angehört.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: