Straßenstand an der Münchner Freiheit vor zwei Wochen: Ein "Volksbegehren Grenzschutz" sucht Unterstützer. Auch zahlende Fördermitglieder sind willkommen. Erst 14 Tage zuvor ist der Verein am 26. August in einer Gaststätte bei Zorneding gegründet worden. Beteiligt sind auch Personen, die der Verfassungsschutz als rechtsextremistisch, islamfeindlich oder als "Reichsbürger" beobachtet. Für den 29. September lädt die Gruppierung zu einer "Konferenz" nach München ein. Auch dort soll ein Redner auftreten, für den sich die Verfassungsschützer interessieren: Martin Sellner, Anführer der "Identitären Bewegung" in Österreich. Der Gruppierung droht zudem juristischer Ärger. Wegen eines unerlaubten Videodrehs im Rathaus prüft die Stadt rechtliche Schritte.
Das Symbol des Volksbegehrens, eine blonde Frau mit Schwert, Kettenhemd und Grenzpfahl vor der Kulisse des Wallfahrtsorts Wilparting, wirkt eher unfreiwillig komisch. Doch beim bayerischen Verfassungsschutz nimmt man die Neugründung ernst. "Es liegt nahe, dass der Verein zu einem Schulterschluss zwischen Extremisten und Nichtextremisten beiträgt", sagt Markus Schäfert, Pressesprecher des Landesamts. Seine Behörde achte deshalb darauf, inwieweit "die für den Verein tätigen Extremisten" die Ausrichtung der Gruppierung beeinflussen und "instrumentalisieren, um ihre extremistischen Ziele zu erreichen".
An dem ersten Aktivistentreffen des Vereins beteiligten sich Führungsfiguren mehrerer Gruppierungen aus dem Bereich der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit, unter ihnen Michael Stürzenberger, führender Kopf des Münchner Ablegers der Dresdner Pegida, und Gernot Tegetmeyer, regelmäßiger Versammlungsleiter von Pegida Nürnberg und Redner bei Münchner Kundgebungen. Auf einem Gruppenfoto, das der Verein auf Facebook postete, sind 22 Männer und drei Frauen zu sehen, viele von ihnen AfD-Mitglieder. Vorsitzende des Vereins ist die gebürtige Münchnerin Brigitte Fischbacher, ehemalige Bundestagskandidatin der AfD für Ebersberg und Erding.
Sie hatte im Februar ein Video gepostet, das die Schuld am Zweiten Weltkrieg einer angeblichen jüdisch-kapitalistischen Verschwörung zuschiebt. Als Kronzeuge dieses revisionistischen Geschichtsbildes kommt Adolf Hitler in dem Video vor. Fischbachers Stellvertreter ist Jürgen Elsässer, der Herausgeber des rechtspopulistischen Compact-Magazins. Unter den Gründern, Unterstützern und Sympathisanten der Kampagne finden sich zahlreiche weitere Funktionäre und Kandidaten der AfD. In den sozialen Netzwerken tauchen darüber hinaus Verbindungen zur Münchner NPD-Tarnliste BIA, zu rechten Bürgerwehren sowie zu verschwörungstheoretischen Kreisen auf.
Für den Giesinger AfD-Landtagskandidaten Uli Henkel ist das Volksbegehren dennoch "die DNS der AfD". Henkel sagt das in einem Werbevideo, das die Gruppierung Anfang September im Eingang zum Münchner Rathaus gedreht hat. Selbst Grenzen zu überschreiten ist für die Initiatoren des Grenzschutz-Volksbegehrens offenbar kein Problem: Für den rechten Dreh, an dem auch der Milbertshofener Bezirkstagskandidat Daniel Stanke beteiligt war, gab es keine Genehmigung der Stadt, wie Stefan Hauf, der Leiter des Presse- und Informationsamts bestätigt. Die Stadt prüfe deshalb, "welche rechtlichen Schritte gegen die Aufnahme und Veröffentlichung des Videos möglich sind".
Für Ende September hat das rechte Netzwerk eine "Grenzschutzkonferenz" in München angekündigt. Vom "Münchner Norden" ist die Rede, ansonsten gibt man sich konspirativ: "Der genaue Konferenzort wird den angemeldeten Teilnehmern ca. 24 Stunden vor Veranstaltung per Email mitgeteilt." Die Redner werden dagegen schon mal öffentlich präsentiert. Unter ihnen ist Martin Sellner. Die bayerischen Verfassungsschützer sehen in ihm den "führenden Aktivisten der Identitären Bewegung im deutschsprachigen Raum".
Weitere Referenten werden mit verschwörungstheoretischen Beiträgen angekündigt: Vom "Großen Austausch" ist die Rede und von der "Neuen Weltordnung". 70 Euro soll die Teilnahme kosten. Wer's um die Hälfte billiger haben will, für den hat Jürgen Elsässer auch eine Lösung parat: Am besten "vorher noch ein Abonnement über 12 Ausgaben des Compact-Magazins" abschließen. So rechnet sich Grenzschutz allemal.