Schule und Lärmschutz:"Wir bauen hier nicht Alcatraz"

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Verlassen: Die Kinder der Grundschule am Strehleranger sind 2019 in mobile Raumeinheiten an der Staudingerstraße umgezogen. (Foto: Florian Peljak)

Bis zu 26 Meter hohe Lärmschutzwände sollen laut Gutachten ein geplantes Schulzentrum in Ramersdorf-Perlach abschirmen. Abschreckend, findet das der Bezirksausschuss.

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

Wolfgang Thalmeir (CSU) ist bekannt für seine spitze Zunge, mit der er gerne städtische Bauprojekte kritisiert. Passende Gelegenheit dazu bot dem Vorsitzenden des BA-Unterausschusses Bauvorhaben, Stadtplanung und Stadtteilentwicklung (BSS) jetzt einmal mehr eine Vorlage des Baureferats mit dem Arbeitstitel "Strehleranger 2". Sie befasst sich - als Teil der Schulbauoffensive - mit dem Neubau einer sechszügigen Grundschule, einer dreizügigen Mittelschule, einer Dreifach-Sporthalle, eines Hauses für Kinder und einer Tiefgarage.

Ein nicht gerade kleines Vorhaben also. Weshalb sich vielleicht die Mitarbeiter im Baureferat angespornt gefühlt haben, auch beim Lärmschutz groß zu denken beziehungsweise Größe zu zeigen. Jedenfalls stellten Thalmeir und seine Kollegen vom Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach "mit Überraschung" fest, dass die Gutachter rund um das Schulareal bis zu 26 Meter hohe Lärmschutzwände fordern. Was Thalmeir in der jüngsten BA-Sitzung fast fassungslos kommentierte: "Wir bauen hier nicht Alcatraz, sondern eine Schule."

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Die Lokalpolitiker im Stadtbezirk lehnen jedenfalls "derartige Mauern" als nicht realisierbar und abschreckend ab. Stattdessen bitten sie dringend um eine Erklärung zu den im Gutachten enthaltenden Darstellungen und den für den Schallschutz notwendigen Baumaßnahmen. Nicht zuletzt würden die BA-Mitglieder aber auch gerne wissen, was es für die Nachbarn bedeutet, falls die Schallschutzmauern nicht errichtet würden.

Vielleicht hat auch Stadträtin Beatrix Burkhardt (CSU) an Alcatraz, die berühmte Gefängnisinsel vor San Francisco, denken müssen, als sie von diesen Planungen erfuhr. Zumindest legt der Titel ihrer Anfrage, die sie an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gestellt hat, diese Vermutung nahe: "Lärmschutz an der Grundschule am Strehleranger - Mauern wie bei einem Hochsicherheitstrakt?"

Seit Jahren werde die Grundschule am Strehleranger geplant, so Burkhardt. Es fanden zahlreiche Umplanungen hinsichtlich der Positionierung der Schulgebäude statt, Ortstermine hinsichtlich der sich dort befindlichen Bäume, Bürgeraktionen - aber letztendlich war das weitere Vorgehen auf dem Weg. Jetzt allerdings werde dem Bauausschuss des BA Ramersdorf-Perlach plötzlich ein Lärmgutachten des Baureferats vorgestellt, das ganz eindeutig in die geplante Tektur eingreife und im Bauplan so nicht vorgesehen sei, kritisiert die Stadträtin.

In dem Lärmschutzgutachten des Baureferats werde auf die Immissionsrichtwerte für ein "reines Wohngebiet" hingewiesen, die am geplanten Standort deutlich überschritten werden. Eine Ausnahme nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für Geräuscheinwirkungen, die von Kindertagesstätten oder zum Beispiel von Schulen hervorgerufen würden, gelte in diesem Falle nicht. Demzufolge seien hier Lärmschutzmaßnahmen vorzusehen.

Diese sollten, wie Burkhardt fortfährt und womit sie vermutlich Wände meint, laut Gutachten folgende Abmessungen aufweisen: eine 24 Meter hohe und 180 Meter lange Wand, eine 26 Meter hohe und 95 Meter lange Wand, eine 28 Meter hohe und 65 Meter lange Wand sowie eine 20 Meter hohe und 230 Meter lange Wand. Summa summarum würde das laut Burkhardt letztendlich bedeuten, dass das Schulgebäude von vier Seiten abgeschirmt wäre. Überlegungen, wonach sich Schulen nach außen öffnen sollen, würden damit konterkariert.

Burkhardt will deshalb von OB Reiter unter anderem wissen, ob dieses Gutachten erneut eine Verschiebung des Bauvorhabens nach sich zieht und ob "diese völlig abstrusen Planungen" zwischen den Referaten abgesprochen sind. Außerdem interessiert sie, wie das Planungs- und Bildungsreferat zu diesen Aussagen des Baureferats stehen. Welche Schallschutzmaßen waren bisher vorgesehen? Vor allem aber Burkhardts letzte Frage birgt möglicherweise Zündstoff weit über den Strehleranger hinaus: Welche Auswirkungen hätte das Gutachten des Baureferats auf andere schulische Bauvorhaben, will sie in Erfahrung bringen.

© SZ vom 03.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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