Islam in München:Wie halten es junge Muslime mit dem Ramadan?

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Der Ramadan beginnt. Münchner Muslime erzählen von dieser besonderen Zeit. (Foto: Robert Haas)

Wochenlang essen und trinken viele Gläubige tagsüber nichts. Vier junge Frauen erzählen, welchen Stellenwert der Fastenmonat für sie hat und wie sich die Entbehrungen mit dem Alltag verbinden lassen.

Von Andrea Schlaier

"Little Türkiye in Munich" nennen manche das Restaurant "Anne's Hausmamaskost" an der Hotterstraße. Im Stockwerk darüber hat das liberale Forum für Islam seine Räume. Unten im Lokal wird türkisch gekocht und hier findet während des Ramadan auch für viele das gemeinschaftliche abendliche Fastenbrechen "Iftar" statt. Traditionell wird es mit einer Dattel begonnen, der im Islam eine reinigende Wirkung zugesprochen wird.

In der Minute, in der dem Mondkalender zufolge die Sonne untergeht, geht's los. Selten bleibt dabei einer der 80 Plätze bei "Anne" frei. An den Tischen sitzen auch viele junge Muslime der Stadt, gern mit Besuch von außerhalb.

Das Fasten gilt als eine der fünf Säulen des Islam. Neben der Pilgerfahrt nach Mekka, dem regelmäßigen Gebet, dem Glaubensbekenntnis und der Spendenbereitschaft zählt es zu den Grundpflichten gläubiger Muslime. Sie sollen von Beginn der Morgendämmerung bis zur Abenddämmerung nichts zu sich nehmen. Nach der reinen Lehre sind auch Geschlechtsverkehr und Rauchen tabu. Der Ramadan hat in diesem Jahr am 23. März begonnen und endet am 21. April.

Als Krönung des Fastenmonats gilt das sogenannte Zuckerfest - eines der wichtigsten Feste im Islam überhaupt. Damit alle Gläubigen teilhaben können, werden ihnen die sogenannte Zakat ul-fitr, das Spenden, aufgetragen. Muslimische Gemeinden sollen für ihre ärmeren Mitglieder sammeln. Außerdem sind Muslime während des Ramadan ohnehin gehalten, Bedürftige zu unterstützen.

Welchen Stellenwert hat der Ramadan im Leben von Münchner Muslimen? Kommt das Fasten überhaupt noch in Frage? Und wie lassen sich die Entbehrungen im Alltag bewerkstelligen? Vier junge muslimische Frauen, die bei "Anne's Hausmamaskost" mitarbeiten beziehungsweise zu Gast sind, antworten.

"Fasten heißt für mich auch, weniger Zeit in sozialen Medien zu verbringen"

Rumeysa Güles, 20. (Foto: Robert Haas)

Rumeysa Güles, 20, studiert Soziale Arbeit an der FOM Hochschule München: "Viele kriegen so einen Abturn auf den Glauben, weil die Eltern zu streng sind und Sachen aufzwingen. Ich hab mit 13 angefangen zu beten, weil ich das bei meinen Eltern gesehen hab und dachte, wow, was ihnen das bedeutet, das will ich auch. Das Wichtigste ist, selber einen Weg dorthin zu finden, und es nicht nur zu machen, weil man hineingeboren wurde.

Der Ramadan bedeutet für mich Zusammenhalt, ganz aktiv im Alltag. Außerdem ist das irgendwie so eine Reinigung der Seele und des Körpers natürlich auch. Man kann sich viel besser konzentrieren und neigt in der Zeit zu guten Taten, weil man irgendwie in diesem Flow ist. Bei mir sieht das dann so aus, dass ich einen Obdachlosen, den ich auf der Straße sehe, frage, ob er Hunger hat und ihm eine Breze kaufe.

Fasten heißt für mich auch, weniger Zeit in den sozialen Medien zu verbringen. Bei den Vorlesungen an der Uni haben wir öfter Pause, da kann ich dann mein Gebet verrichten, kein Problem. Allein die Vorfreude aufs Fastenbrechen am Abend macht mich glücklich. Wir fangen meistens mit Datteln an. Der Zucker geht direkt ins Blut."

"Dieses Jahr faste ich nicht, weil ich ziemlich viele Stunden am Tag arbeite"

Asude El, 25. (Foto: Robert Haas)

Asude El, 25, Studentin aus Ankara, die gerade an der TU ihren Master in Technischer Informatik macht: "Ramadan ist für mich wie ein warmes Gefühl, schwer zu erklären. Es ist vielleicht wie für Sie Weihnachten: eine großartige Zeit, um sich mit der eigenen Familie zu verbinden und gemeinsam Iftar zu verbringen. Dieses Jahr faste ich nicht, weil ich ziemlich viele Stunden am Tag arbeite, so dass ich keine Energie mehr zum Fasten habe.

Grundsätzlich halte ich es sowieso nicht so traditionell. Es geht für mich nicht nur darum, nichts zu essen und zu trinken. Es geht darum, einen Monat lang schlechte Eigenschaften aufzugeben (lacht): Das heißt, auch keine schlechten Videos anschauen. Es ist auf eine Art wie Meditieren, um zu verstehen, wie es armen Menschen geht.

Es geht darum, die eigene Seele zu füttern, Fasten ist ein Geheimnis. Die Stimmung, wie wenn man sich in den Ferien trifft. Ich bin in eine muslimische Familie hineingeboren und auch gläubig; meine Eltern sind aber nicht streng. Der Glaube kommt ohnehin von innen. Sich mit anderen zu verbinden ist das, worauf ich mich in diesem Monat freue."

"Meine nicht-muslimischen Freunde akzeptieren meine Rituale"

Nihal Özcelik, 21. (Foto: Robert Haas)

Nihal Özcelik, 21, wechselt gerade das Studienfach von Medizin zu Wirtschaftsinformatik: "Normalerweise bin ich ein Mensch, der dauernd essen will, und halte es keine zwei Stunden ohne aus - nur am Ramadan klappt es. Wenn meine Mutter dann in der Küche kocht und ich rieche das, kann ich mir vorstellen, wie es Menschen geht, die immer nur Essen riechen und zu arm sind, um es sich leisten zu können. An Ramadan macht meine Mutter für uns Doma, gefülltes Gemüse, das ist mein Lieblingsessen, neben allen Kebab-Sorten.

Ich lebe mit meinen Eltern und meinen beiden Brüdern zusammen. Wir stehen alle zusammen auf und machen Frühstück in der Nacht, essen und trinken gemeinsam und beten dann. Das ist mein Highlight. Diese Gemeinsamkeiten gibt es nur im heiligen Monat, auch mit Verwandten und Bekannten. Darauf warte ich das ganze Jahr.

Ich glaube an Gott und den Propheten und komme auch aus einer gläubigen Familie. Meine nicht-muslimischen Freunde akzeptieren meine Rituale an Ramadan. Sie versuchen, dann nicht vor mir zu essen, obwohl ich sage, es passt schon. Das freut mich."

"Im Ramadan fokussiere ich mich darauf, verständnisvoller mit anderen umzugehen"

Feyza Nur Özer, 23. (Foto: Robert Haas)

Feyza Nur Özer, 23, Englisch-Lehrerin aus Konya, Türkei: "Ich habe ein bisschen Geld gespart, um hier in München Ramadan feiern zu können und bin jeden Abend bei "Anne's Küche" Iftar. Ich liebe es an diesem Ort, es ist so eine schöne Stimmung.

Während des heiligen Monats wohne ich in München bei einer alten Freundin meiner Mutter. Ich bin ein gläubiger Mensch, lese den Koran und bete fünf Mal am Tag. Sonst bin ich im Leben immer auf alltägliche Dinge fokussiert, aber im Ramadan fokussiere ich mich darauf, verständnisvoller, hilfsbereiter und achtsamer mit anderen Menschen umzugehen.

Davon abgesehen will ich auch Gutes für mich selbst tun, das ist auch wichtig. Ich liebe es wirklich sehr zu essen. Mich den ganzen Tag davon abzuhalten, bringt mich tatsächlich dazu, dem Essen weniger Wichtigkeit beizumessen. Es gelingt mir ganz gut und macht mir eigentlich auch nichts aus, wenn andere um mich herum was zu sich nehmen. Wenn in meiner Schule in der Türkei Prüfungen anstehen, ist das schon schwer genug, da fasten wir nicht. Wir holen das dann nach."

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