Ein Mann feuert hinterrücks fünf Schüsse auf seinen Nebenbuhler ab. Dann kniet er sich über das am Boden liegende, schwer verletzte Opfer, hält ihm den Revolver an den Kopf - und drückt ab. Heimtückischer, so möchte der Laie meinen, geht es eigentlich nicht mehr. Juristisch gesehen liegt die Sache jedoch anders.
Das Landgericht München I verurteilte den Täter Hassan A. lediglich wegen versuchten Totschlags, nicht wegen versuchten Mordes, zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Das Opfer hatte an jenem Apriltag vergangenen Jahres überlebt. Aber nur, weil sich beim letzten Abdrücken kein Schuss mehr löste. Hassan A. hatte zuvor die Trommel des Revolvers leer geschossen.
Der spektakuläre Fall hatte am 19. April 2016 nicht nur die Polizei, sondern auch Anwohner in Atem gehalten. Hassan A. hatte sich mitten auf der Zentnerstraße eine Schießerei mit der Polizei geliefert, bei der insgesamt 20 Schüsse abgegeben wurden. Nachdem die Polizei das Opfer hatte in Sicherheit bringen können, saß Hassan A. noch auf der Straße und drohte damit, sich umzubringen. Er hatte mittlerweile seinen Revolver nachgeladen. Erst das Spezialeinsatzkommando der Polizei konnte ihn überwältigen.
Hinter der ganzen Geschichte verbirgt sich ein Familiendrama. Der aus Irak stammende Hassan A., 41 Jahre alt, und seine wesentlich jüngere Frau, 25, reisten im Juli 2015 mit ihren Kindern nach Deutschland. Hier näherte sich die Frau ihrem leiblichen Onkel, ebenfalls 25 Jahre, an, und trennte sich von ihrem Mann.
Sie zog mit den Kindern zunächst zu ihrer Familie nach Schweden und lebte später mit ihrem neuen Freund in Ellwangen. Zwischenzeitlich war ein Sorgerechtsstreit um die Kinder entbrannt, die vom Stadtjugendamt bei einer Pflegefamilie untergebracht worden waren. Nun sollte vor einem Urteil ein Gutachten über die Erziehungsfähigkeit der Eltern erstellt werden. Und bei dieser Gelegenheit trafen Hassan A. und Lailan A. bei einer Gutachterin an der Zentnerstraße in Schwabing aufeinander, Lailan A. händchenhaltend mit dem Onkel.
Nach einem Streit beruhigte sich die Situation, und während Lailan A. bei der Gutachterin saß, sprachen die Männer in einem Café miteinander. Hassan A. stand dann auf und ging nach Hause. Um einen Revolver zu holen, den er ein paar Wochen zuvor für 5000 Euro in Tschechien gekauft hatte. Er kam zum Café zurück, redete weiter mit seinem Nebenbuhler und zeigte ihm die Waffe. Der Onkel verständigte daraufhin Lailan A., sie solle die Polizei rufen.
Die Beamten feuerten 15 Schüsse ab
Dann gingen die Männer hinaus auf die Straße, setzten sich auf einen Mauervorsprung, bis eine Zivilstreife der Polizei eintraf. Der Onkel, Basel R., ging auf die Beamten zu, da zog Hassan A. den Revolver und feuerte fünf Schüsse ab. Eine Patrone traf das Opfer an der Seite und fügte ihm lebensbedrohliche Verletzungen zu. Die Beamten feuerten 15 Schüsse ab, trafen Hassan A. am Oberschenkel, zwei Querschläger trafen zudem Basel R.
"Das Opfer war in dem Augenblick, als es auf die Polizei zuging, völlig wehrlos", sagte Staatsanwalt Laurent Lafleur. Er plädierte auf versuchten Mord und eine lebenslange Haftstrafe. Die Aktion sei im wahrsten Sinne des Wortes "mordsgefählich" gewesen: für das Opfer, die Polizisten und die Passanten.
Lafleuer vermisste auch jegliche Reue bei dem Angeklagten. Verstörend sei zudem gewesen, dass Hassan A. sowie auch die Angehörigen des Opfers im Gerichtssaal lautstark kundtaten, dass eine Beziehung zwischen Onkel und Nichte für sie gravierender sei, als ein Angeklagter, der "mitten in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände schafft".
Um das Mordmerkmal der Heimtücke, räumte Richter Norbert Riedmann ein, habe es erhebliche Diskussionen innerhalb der Kammer gegeben. Diesen "extrem kurzen Zeitraum" könne man aber von dem kompletten Tatgeschehen nicht abspalten. Und: "Im Zweifel für den Angeklagten." Der sah das anders und schimpfte nach dem Urteil, das sei alles "ein Unrecht".