Prozess:Eine Bombe, 400 000 Euro und ein Streit, bei dem beide recht haben

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Die Explosion der Fliegerbombe riss einen Krater an der Feilitzschstraße, zudem flog brennendes Stroh durch die Gegend und zerstörte mehrere Läden. (Foto: Robert Haas)
  • Im August 2012 wurde in Schwabing eine Fliegerbombe zur Explosion gebracht. Der Knall war in der ganzen Stadt zu hören, viele Münchnerinnen und Münchner erinnern sich noch an Bilder des spektakulären Feuerballs.
  • Drei Geschäfte in der Nähe wurden durch die Explosion teils sehr stark beschädigt. Dafür zahlt die Axa-Versicherung.
  • Die Versicherung will ihr Geld von der Stadt zurück, unterlag aber einmal vor dem Landgericht. In zweiter Instanz beschäftigt sich nun das Oberlandesgericht mit hochkomplexen, fast philosophischen Fragen.

Von Stephan Handel

Die Bombensprengung von Schwabing beschäftigt auch nach fünf Jahren weiter die Gerichte: Vor dem Oberlandesgericht begann ein Prozess der Axa-Versicherung gegen die Landeshauptstadt München. Drei Firmen, die durch die geplante Explosion Schäden erlitten hatten, haben von der Versicherung Geld erhalten. Das versucht die nun von der Stadt zurückzubekommen, es geht um 400 000 Euro.

Die amerikanische 250-Kilogramm-Bombe wurde bei Bauarbeiten an der Feilitzschstraße gefunden. Weil ein Abtransport zu riskant war, wurde sie am Abend des 28. August 2012 gesprengt. Zuvor war sie mit Stroh abgedeckt worden. Dieses Stroh jedoch entzündete sich bei der Explosion und flog durch die Gegend. Dabei brannte eine Boutique in der Nähe aus, in den Geschäftsräumen der beiden anderen Firmen entstanden Sachschäden, außerdem konnten sie einige Zeit nicht öffnen.

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Vor dem Landgericht München hatte die Axa keinen Erfolg - aus einem einfachen Grund: Das Gericht befand, dass der Konzern die Falsche verklagt habe. Angeordnet habe die Sprengung nicht die Stadt, sondern das bayerische Innenministerium, das durch einen Vertrag mit der beauftragten Sprengfirma verbunden ist. Deshalb müsse auch der Freistaat einstehen, wenn durch schuldhaftes Verhalten Schäden entstanden sind; die Stadt wäre fein raus.

Die weiteren Argumente waren dann von geringerem Gewicht. Nicht mehr beschäftigen musste sich das Landgericht mit der Frage, ob die Sprengung fachgerecht oder fehlerhaft vonstatten ging, ebenso wenig damit, ob nicht vielleicht die Grundstückseigentümer haften müssten. Die Axa war mit dem Urteil nicht zufrieden und ging in Berufung.

Die Verhandlung vor dem 1. Senat des OLG schwankte zwischen recht praktischen Überlegungen und rechtsphilosophischen Gedankenexperimenten: Die Axa trug vor, dass doch - weil der Bombenfund keine Katastrophe, sondern ein "Schadensereignis unterhalb der Katastrophe" sei - die Stadt zuständig gewesen sei, und dass nicht der Freistaat diese Verantwortung einfach an sich reißen könne. Dies lief schließlich auf die Frage hinaus: Hätte die Stadt die Befehlsgewalt gehabt, die Sprengung zu stoppen? Oder lag diese Kompetenz alleine beim Sprengmeister oder dem Vertreter des Innenministeriums?

"Sie haben recht, und Sie haben auch recht", stöhnte Thomas Steiner, der Vorsitzende Richter schließlich - keine Kapitulation des Gerichts, sondern vielmehr das Eingeständnis, dass das wirklich ein höchst kompliziertes Problem sei. Was zum Beispiel, fragte Steiner, wäre denn gewesen, wenn die Bombe explodiert wäre, bevor Stadt, Land oder Sprengmeister überhaupt von ihr erfahren hätten? Wer hätte dann gehaftet?

Der nächste Kläger soll schon warten

Keiner von den dreien, offensichtlich. Wenn man aber sagen würde, dass die Stadt zuständig gewesen sei und unrechtmäßig das Heft des Handelns aus der Hand gegeben habe - was dann? Gibt es eine "Amtspflichtverletzung durch Wegschauen"?

Wie auch immer das Gericht entscheiden wird, die nächsten Verfahren dürften nicht lange auf sich warten lassen: Die Bayerische Versicherungskammer hat angeblich eine Forderung von 1,8 Millionen Euro gegen die Stadt und wartet nur auf den Ausgang des Axa-Verfahrens, das am 22. März 2018 fortgesetzt wird.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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