Bombenfunde aus dem Zweiten Weltkrieg:Fliegerbombe im Garten? Was Sie jetzt wissen müssen

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Sprengmittel aus dem Zweiten Weltkrieg zu finden, ist in Deutschland keine Seltenheit. Viele Kosten, die dabei entstehen, sind jedoch dem "allgemeinen Lebensrisiko" zuzurechnen. (Foto: dpa)

Muss bei Funden von Bomben oder Sprengstoff tatsächlich immer der Eigentümer des Grundstücks zahlen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Stephan Handel

Warum müssen die Eigentümer für die Bergung der gefährlichen Stoffe bezahlen?

"Zunächst einmal ist ein Eigentümer verantwortlich für Gefahren, die von seinem Grundstück ausgehen", sagt Daniel Pflüger, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Arnecke Sibeth - "also auch dafür, diese Gefahren zu beseitigen." Im Falle von Kampfmitteln greife das Kriegsfolgengesetz von 1957. Darin wurde festgelegt, dass alle Ansprüche gegen das ehemalige Deutsche Reich erloschen seien, die Bundesrepublik Deutschland also nicht dafür hafte. Und damit gilt der Satz aus dem Grundgesetz: Eigentum verpflichtet.

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Etwa 200 000 Euro soll die Entschärfung der Sprengmittel kosten. Die 72 Jahre alte Eigentümerin des Grundstücks steht vor dem Ruin.

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Wie teilen sich die entstehenden Kosten insgesamt auf?

Der Grundstückseigentümer muss für die Bergung der Bomben aus dem Boden bezahlen, Abtransport und Beseitigung übernimmt hingegen die öffentliche Hand. Dabei gibt es eine Vereinbarung, nach der der Bund immer dann haftet, wenn es um Liegenschaften in seinem Besitz geht sowie um Hinterlassenschaften der ehemaligen Wehrmacht. Bei allem, was den Alliierten des Zweiten Weltkriegs zuzurechnen ist, ist hingegen das jeweilige Land zuständig, in diesem Fall also der Freistaat Bayern. Nachdem offenbar sowohl deutsche wie auch amerikanische Waffen in Freimann zu finden sind, kann damit gerechnet werden, dass Bund und Freistaat um die Kosten wohl noch streiten.

Kann der Grundstückseigentümer zur Sanierung verpflichtet werden, auch wenn die Kosten seinen Ruin bedeuten würden?

"Das Bundesverfassungsgericht hat sehr wohl eine Zumutbarkeitsgrenze gezogen", sagt Rechtsanwalt Pflüger. "Die Faustformel dafür lautet: Wenn die Kosten der Sanierung den Wert des Grundstücks nach der Sanierung übersteigen, ist diese nicht zumutbar." Die Grenze kann aber auch unter diesem Wert liegen: Wenn die Sanierung notwendig wird durch Ursachen, die der Allgemeinheit zuzurechnen sind - was bei Krieg wohl immer der Fall sein dürfte - oder wenn das Grundstück für den Eigentümer einen "wesentlichen Teil des Vermögens und seiner privaten Lebensführung" darstellt. Wenn er das Grundstück also letztlich verkaufen müsste, um die Sanierung bezahlen zu können, dann wäre das nicht mehr zumutbar. Der Eigentümer müsste mit dieser Argumentation gegen den Bescheid - im Freimanner Fall: des Kreisverwaltungsreferats - klagen. Wusste der Eigentümer beim Kauf aber von den Kampfmitteln oder hatte er Grund zur der Annahme, dass dort noch Kampfmittel liegen können, dann kann die Grenze der Zumutbarkeit auch deutlich höher liegen.

Die Grundstückseigentümer verfügen über ein Schriftstück aus dem Jahr 1959, dem Jahr des Grundstückskaufs. Darin ist auch die Rede von einer gewissen Summe für "Spreng- und Räumarbeiten". Bedeutet das nicht die Zusicherung, dass das Gelände bombenfrei ist?

Nicht unbedingt, sagt Rechtsanwalt Pflüger: "Das ist Auslegungssache, da müsste man das Schriftstück genauer anschauen." Sodann wäre zu prüfen, ob das Unternehmen, das die Grundstücke damals verkauft hat, noch existiert - was bei der Bayerischen Landessiedlung, um die es hier geht, wohl der Fall ist. Allein aus der Tatsache aber, dass eine Tochterfirma des Freistaats die Verkäuferin war, lässt sich keine Haftung Bayerns ableiten: "Wenn die Gesellschaft liquidiert ist, haftet in der Regel auch niemand mehr", sagt Pflüger.

Nun mussten die Anwohner in einem größeren Umkreis ihre Häuser für voraussichtlich zehn Tage verlassen. Muss die Stadt, die die Evakuierung angeordnet hat, die Hotelkosten bezahlen?

Das muss sie - erst einmal - nicht: "Wenn die Evakuierung eine recht- und verhältnismäßige Anordnung ist", sagt Pflüger, "dann können die Kosten für den Betroffenen unter das allgemeine Lebensrisiko fallen. Das heißt: Er muss die Anordnung hinnehmen und die Kosten selber tragen." Auch in diesem Fall gilt: Erst wenn die Leistungsfähigkeit des Einzelnen überschritten wird, kann er verlangen, dass die Kosten von ihm genommen werden. Ob und ab welchem Betrag die Maßnahme für den Betroffenen ein "Sonderopfer" darstelle, für das er nicht alleine geradestehen muss, das kann aber nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall entschieden werden.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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