Missbrauchsvorwürfe:Die Polizei ist überfordert

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Es waren schockierende Vorwürfe, die 2020 laut wurden: Hat es in dem früheren katholischen Piusheim bei München schweren sexuellen Missbrauch gegeben? (Foto: Uwe Lein/dpa)

Zwei Jahre Ermittlungen zu Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs im Piusheim enden ohne Ergebnis. Das zeigt, wie schwierig die Spurensuche bei solchen Fällen ist.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich in der Ortschaft Baiern südöstlich von München einst abscheuliche Szenen zutrugen. Wer die Hinweise sieht, muss davon ausgehen, dass dort über Jahre hinweg, eher Jahrzehnte, Kinder und Jugendliche von einzelnen Heimmitarbeitern sexuell missbraucht worden sind. Es gibt Personen, die sich glaubhaft daran erinnern, wie sie vergewaltigt wurden. Für sie muss die Nachricht unerhört klingen, dass die Ermittlungen in der Causa Piusheim nun eingestellt wurden.

Etwas mehr als zwei Jahre nach Beginn der polizeilichen Nachforschungen im Frühjahr 2020 hat die Staatsanwaltschaft den Fall aufgegeben. Zwei Jahre Recherche ohne Ergebnis für Menschen, die seit ihrer Kindheit unter Traumata leiden. Angesichts der Erlebnisse der Betroffenen fühlt sich das falsch an.

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Der Fall zeigt aber vor allem eines: Die Recherche bei lange zurückliegenden Missbrauchs-Verdachtsfällen - wie jenen in der ehemaligen Schwererziehbaren-Einrichtung Piusheim im Landkreis Ebersberg - ist äußerst beschwerlich. Das gilt vor allem für die Betroffenen, die sich an Erlebnisse erinnern sollen, die sie am liebsten aus dem Gedächtnis streichen würden. Die Erinnerung ist zwar oft noch vorhanden, doch darüber mit Beamten oder Journalisten zu sprechen, fällt den meisten aus nachvollziehbaren Gründen sehr schwer.

Und doch gibt es Betroffene, die sich äußern. Franz Mayer, der eigentlich anders heißt, meldete sich nach den ersten öffentlichen Berichten bei der SZ. Für ihn, so wirkte es, war es befreiend, die Erinnerungen zu teilen. Sie sind damit nicht ausgelöscht, aber Mayer erklärte, er müsse sie nun nicht mehr allein mit sich herumtragen.

Seine Erinnerungen trugen immerhin dazu bei, dass die Polizei auch ihn vernahm. Er brachte weitere Heime zur Sprache, in denen es zu ähnlich schlimmen Verbrechen gekommen sein soll. Entscheidend vorangebracht hat er die Ermittlungen zum einstigen Knabenheim in Baiern aber offenbar nicht. Auch das dürfte Gründe haben. Wie viele von sexueller Gewalt betroffene Menschen so kann auch er sich zwar detailliert an die Taten erinnern, nicht aber an die Täter, ihre Gesichter und Namen. Die habe er bewusst verdrängt, auch und vor allem aus Selbstschutz.

Der Fall zeigt, worauf es bei vergleichbaren Ermittlungen, sei es im Piusheim oder anderswo, auch in Zukunft ankommt: Dass sich möglichst viele Betroffene melden, um bei der Suche nach den Tätern zu helfen.

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Von Korbinian Eisenberger

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