Landtagswahl in Bayern:Wahlkampf im Treppenhaus

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Hep Monatzeder kämpft im Stimmkreis 107 um die Stimmen der Wähler. (Foto: Robert Haas)

Im Westen suchen Josef Schmid, Florian Ritter und Hep Monatzeder den direkten Kontakt zu den Münchnern.

Von Dominik Hutter

Ja, der Herr Schmid", sagt die Dame, die gerade aus dem Auto steigt. Manchmal benötigt man gar keinen verbalen Türöffner, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Viele kennen den Wahlkämpfer mit der am Hemd baumelnden Sonnenbrille ohnehin. Zweimal OB-Kandidat, seit vier Jahren Zweiter Bürgermeister, da muss man sich nicht mehr jedem vorstellen. So mancher, der im sogenannten Österreicherviertel in Pasing seine Haustür öffnet, fühlt sich sichtlich geehrt, dass da ein leibhaftiger Bürgermeister einfach mal so vorbeischneit.

Für alle anderen, vor allem für die Misstrauischen, sagt der 48-Jährige sein Sprüchlein: "Grüß Gott, mein Name ist Josef Schmid, Zweiter Bürgermeister. Ich kandidiere am 14. Oktober für den Landtag." Der CSU-Politiker tritt leutselig auf, wie der Mann von nebenan. Aber er bleibt auch kurz angebunden. Sonst geht es nicht. Im Stimmkreis Pasing, der weite Teile des Münchner Westens umfasst, wohnen knapp 110 000 Wahlberechtigte, da lässt sich nicht mit jedem die komplette Weltgeschichte diskutieren. Kleinere Debatten gibt es aber durchaus. Eine Anwohnerin der Böcksteiner Straße beklagt sich über das Nichtvorhandensein der einst hoch und heilig versprochenen Grünen Welle. "Sie haben mich enttäuscht", sagt sie. Schmid erklärt, wie schwierig es ist, in der Staustadt München die Ampeln auf grün zu schalten und dass man es ja versucht habe.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Zwei Bürgermeister und ein Abgeordneter: In Pasing kämpfen Josef Schmid (CSU),...

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(Foto: Robert Haas)

...Hep Monatzeder (Grüne)...

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(Foto: Stephan Rumpf)

...und Florian Ritter (SPD) um ein Direktmandat.

Die meisten Leute reagieren sehr freundlich - selbst die, die Schmid nicht wählen wollen. Die Bewohnerin eines Reihenhäuschens macht das dem Wahlkämpfer unmissverständlich klar. "Aber es ehrt Sie, dass Sie vorbeikommen." Einfacher hat es Schmid bei der älteren Dame in der Agnes-Bernauer-Straße, die sich klar zur CSU bekennt: "Meine Partei." Und in der Schladminger Straße sagt ein Mann: "Gegen Ihre Partei habe ich nichts. Aber der Spitzenkandidat..." Dann erzählt Schmid vom Söder-Auftritt beim Aubinger Herbstfest, der sei doch überzeugend gewesen. Die meisten Pasinger bleiben jedoch unverbindlich und nehmen nur die Broschüren entgegen. Die Wahl ist schließlich geheim, da muss man nicht alles öffentlich ausplaudern.

Haustürwahlkampf. Dieses "Format", bei dem der Kandidat zusammen mit Helfern von Tür zu Tür geht und klingelt, zählt zu den anstrengenderen. Aber es verschafft auch die bei Politikern so heiß ersehnten persönlichen Kontakte. Gut möglich, dass sich manche Pasinger die Augen reiben, wenn nach Schmid plötzlich noch ein weiterer Bürgermeister vor der Wohnung steht. Ex-Bürgermeister genau genommen. Denn auch Hep Monatzeder, der 18 Jahre lang im heutigen Schmid-Büro residierte, will es noch einmal wissen und tritt für die Grünen im tiefschwarzen Pasing an. Mit Haustürwahlkampf, Fahrradtouren und Infoständen. Und es gibt auch noch Florian Ritters Küchentisch, der mitsamt dem Kandidaten an wechselnden Orten auf Dazusetz-Willige wartet. "Mit den Leuten reden", das ist die erklärte Taktik des erfahrenen SPD-Abgeordneten. Auch mit ihm muss im Münchner Westen an der Haustür gerechnet werden.

Anders als viele Innenstadt-Stimmkreise ist "106 München-Pasing" noch genau so zugeschnitten wie bei der Landtagswahl 2013. Damals gewann der langjährige Abgeordnete, Ex-Staatsminister und einstige Münchner CSU-Chef Otmar Bernhard das Direktmandat mit klarer Mehrheit, und auch bei der jetzigen Wahl gilt der Münchner Westen als vergleichsweise sichere Bank für die Regierungspartei. Bernhard tritt nicht mehr an, sein Nachfolger als CSU-Kandidat erklärt mit dem durchaus griffigen Slogan "Stadt. Land. Schmid" seine Umzugswünsche vom Rathaus ins Maximilianeum. Wie der städtisch-liberale Allacher mit den oftmals doch recht ländlich geprägten CSU-Kollegen im Maximilianeum klarkommt, wird sich erst noch zeigen müssen. Schmid wirbt mit Weltoffenheit und mit Traditionsbewusstsein. Und natürlich mit dem, was er als Bürgermeister im Rathaus bewirkt hat.

Im Trio der aussichtsreichsten Pasing-Bewerber kann jeder mit politischer Erfahrung punkten, auch wenn bisher nur der SPD-Mann Ritter eine Landtagskarriere vorweisen kann. Aber ein Bürgermeisteramt verschafft tiefe Einblicke in alle Aspekte der Kommunalpolitik, und das kann man auch in den Bürgerdebatten bei einer Landtagswahl nutzen. Denn es ist wie immer: Den Wählern sind die politischen Zuständigkeiten herzlich egal, im Fokus stehen vor allem Wohnen und Verkehr. Und da geht es sehr oft um Dinge, die nicht im Landtag, sondern im Rathaus entschieden werden.

Florian Ritter kennt diese Situation nur zu gut, in Neuaubing hat er deshalb jemanden zu Gast, der diese Themen geradezu verkörpert: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der bei den Landtags-Genossen als Wahlkämpfer begehrt ist und daher in München seine Runden durch die Stimmkreise zieht. Mit Ritters doch recht allgemeiner Bitte, ein paar Sätze zur Entwicklung des Münchner Westens zu sagen, hält sich der Rathaus-Chef gar nicht erst auf, sondern legt sofort los mit dem Großstadt-Thema, bei dem er für die SPD Wahlkampf-Potential sieht: Wohnen und Mieterschutz. Der Verkauf der GBW-Wohnungen durch die Staatsregierung, Verbesserungen beim Mieterschutz auf Landes- und Bundesebene, kommunale Mietpreisbremse - Reiter hat offenkundig seine eigene Agenda für den Landtagswahlkampf der SPD und zieht sie auch durch. Ritter bleibt derweil die Rolle des Moderators, aber so war der Abend wohl auch gedacht: Der Kandidat bietet Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit dem Oberbürgermeister.

Ritter ist schon seit 2003 im Landtag, seine Themen sind vor allem Bürgerrechte, Wirtschaft und Datenschutz. Der 56-Jährige gilt als engagierter Kämpfer gegen rechtsradikale Tendenzen. Im Wahlkampf bemüht er sich um ein breites Themenspektrum - von einer Matinee zu 100 Jahren Frauenwahlrecht über Gewerkschaftsthemen wie den Acht-Stunden-Tag oder Soziales, dann im Gespräch mit Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Und es gab auch wieder ein Entenrennen an der Würm, wie es schon der SPD-Bundestagskandidat Bernhard Goodwin veranstaltet hatte. Ritter will damit für einen besseren Schwimmunterricht werben. Eine der teilnehmenden roten Gummienten landete später in CSU-Gewahrsam: als ein Juso, das Tierchen in der Hand, auf dem Heimweg einen Bekannten von der Jungen Union traf. Der wiederum begleitete Josef Schmid beim Haustürwahlkampf. Da war die Verlockung zu groß, dem politischen Gegner ein sozialdemokratisches Wahlkampfaccessoire zu überreichen.

Ritter war am Wochenende auch auf dem Corso Leopold zu sehen. Als stets ansprechbarer Wahlkämpfer, aber auch als Zuhörer bei politischen Fishbowl-Debatten. Dort konnte er Konkurrent Hep Monatzeder lauschen, den es als Mitdiskutant kaum noch auf dem Klappstuhl hielt, als die Milbertshofener CSU-Kandidatin Tina Pickert die Stadt zum Hauptschuldigen der Wohnungsmisere erkor, weil angeblich die Gelder für den sozialen Wohnungsbau nicht abgerufen worden seien. Auch Monatzeder kann mit seinen Rathaus-Erfahrungen punkten. Er kontert mit dem immer noch erklecklichen Wohnungsbestand der Kommune, während der Freistaat seine Grundstücke in München und auch die 33 000 bayerischen GBW-Wohnungen meistbietend versilbert habe. Sozialen Sprengstoff böten vor allem die Mieten. Und nicht etwa das, was an den deutschen Grenzen passiert.

"Es macht mir richtig Spaß", sagt Monatzeder, als er auf dem Corso Leopold Wahlbroschüren mit seinem Konterfei verteilt. Der 67-Jährige, der bereits seit 1990 im Münchner Stadtrat sitzt, wird - wie Schmid - von vielen Münchnern auf der Straße erkannt und begrüßt. Ein Hallo hier, ein Nicken da, Monatzeder profitiert von seiner Ausstrahlung als bayerisch-bürgerlicher Grüner mit Fahrrad- und TSV-1860-Leidenschaft. Eine Landtagskandidatur, das sagt er ganz offen, war in seiner Lebensplanung ursprünglich nicht mehr vorgesehen gewesen. Monatzeder, der seine politische Karriere gerne mit dem Posten des Oberbürgermeisters gekrönt hätte, war vor der Kommunalwahl 2014 Opfer eines forcierten Generationswechsel in seiner Partei geworden und verschwand nach dem Ende der rot-grünen Koalition aus der ersten Reihe der Politik. Seitdem ist er einfacher Stadtrat. Nun mischt er wieder mit. Und ärgerte die SPD, als bei zwei seiner Wahlkampfveranstaltungen der doch eigentlich der SPD angehörende Ex-OB Christian Ude auftrat. Ude und Monatzeder waren der Kitt des rot-grünen Bündnisses, sie fühlen sich nach wie vor freundschaftlich verbunden. Seit aber SPD und Grüne um den Rang der zweitstärksten Kraft in München buhlen, sind derlei Spezeleien bei den Sozialdemokraten nicht mehr gern gesehen.

Der Corso Leopold, der bekanntlich weit außerhalb des Stimmkreises 106 liegt, hat sich längst zu einer beliebten Politik- und Wahlkampfbühne entwickelt. Monatzeder hatte nicht nur Konkurrenz durch den Mit-Pasinger Ritter. Die Grünen waren zahlenmäßig so stark vertreten, dass viele Passanten erstaunt aufsahen, als ihnen schon wieder jemand eine Grünen-Broschüre - nur mit anderem Konterfei - andiente. Im Stimmkreis selbst dürften sich die Kandidaten eher selten begegnen, er zählt zu den flächenmäßig größten Münchens und reicht von Aubing-Lochhausen-Langwied über Allach-Untermenzing und Pasing-Obermenzing bis ins westliche Laim. Urbane Quartiere wie das Pasinger Zentrum sind darin ebenso enthalten wie die Häuschenviertel Richtung Stadtrand oder die Riesenfläche, auf der in einigen Jahren der Stadtteil Freiham stehen wird.

Die Willkommenskultur ist übrigens unterschiedlich ausgeprägt im Stimmkreis Pasing. Schmid muss grinsen, als er beim Klingelputzen die Fußmatte in der Agnes-Bernauer-Straße sieht. Darauf steht in dicken Lettern: "Oh no. Not you again." Darf man wohl nicht persönlich nehmen.

© SZ vom 12.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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