Tradition:"Heit werd d'Feiertagsgurgel eighängt!"

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Den offiziellen Sammlerkrug ziert in diesem Jahr ein Motiv von Leo Höfter, das auch auf den offiziellen Oktoberfest-Plakaten zu sehen ist: Es zeigt den Engel Aloisius und das Münchner Kindl, die sich an der Hand halten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Armbrustschützenzelt wird der offizielle Wiesnmasskrug der Stadt vorgestellt. Die Kabarettistin Claudia Pichler philosophiert dabei über das Trinken nach der Pandemie.

Von Franz Kotteder

Feste Rituale haben die Eigenschaft, selten Überraschungen zu bieten. So auch bei der Vorstellung des offiziellen städtischen Wiesnmasskrugs, die alle Jahre wieder gut drei Wochen vor Beginn des Oktoberfests im Zelt des Wiesnwirte-Sprechers stattfindet. Anwesend sind immer die Wiesnwirte sowie, dem Blitzlichtgewitter nach zu urteilen, die ziemlich vollständig erschienene Weltpresse. Man weiß, dass der Gastgeber und der Wiesnchef etwas sagen werden, man weiß, wie der Masskrug aussieht und welches Motiv ihn schmückt. Denn das ist jeweils das offizielle Wiesnplakat, das immer schon spätestens Mitte Februar bekanntgegeben wird. Was also ist das Besondere?

In diesem Jahr ist das Besondere, dass die letzte Krug-Vorstellung vor drei Jahren stattgefunden hat. Und so kann Wirte-Sprecher Peter Inselkammer vom Armbrustschützenzelt mit Fug und Recht behaupten: "Es ist ein sehr emotionaler Moment, wenn man wieder sagen kann: Willkommen auf der Wiesn!" Ein bisschen ungehalten ist er darüber, dass derzeit in der Presse so viele Virologen befragt werden, denn: "Dass die Infektionsgefahr auf einem Volksfest größer ist, als wenn man daheim bleibt, das hätte ich nach 30 Jahren Wiesn-Erfahrung auch sagen können." Er sei aber glücklich darüber, "dass nun der Point of no return da ist, die Wiesn kann praktisch nicht mehr abgesagt werden".

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Das fand auch der Wiesnchef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU). Er begrüßte Wirte, Küchenpersonal und die Musiker auf der Bühne: "Es handelt sich nicht um die Rammstoana Musikanten, sondern um das Trio Aufwind!" Eine Anspielung auf die Querelen um das Rammstein-Konzert auf der Theresienwiese, das ein Veranstalter anscheinend ohne Wissen der Band für 145 000 Besucher an Silvester geplant hatte. Das Siegermotiv von Leo Höfter im Plakatwettbewerb für die Wiesn wiederum lobte Baumgärtner über den Schellenkönig: "Dem Engel Aloisius und dem Münchner Kindl sieht man die Vorfreude förmlich auf den Rücken geschrieben", sagte er.

Eine interessante Interpretation, denn das Motiv zeigt die beiden Münchner Ikonen von hinten im menschenleeren Bierzelt, bei dem es sich dekomäßig um die Schützen-Festhalle handeln dürfte. Für 26,99 Euro (mit Zinndeckel, der den Wirt Franz Xaver Kugler zeigt, 44,99 Euro) bekommt man den Sammlerkrug über den offiziellen Oktoberfest-Onlineshop ( https://shop.oktoberfest.de), im Souvenirhandel auf der Wiesn sowie in den Touristeninfos am Hauptbahnhof und im Rathaus.

Fand die rechten Worte zur Einführung: die Kabarettistin Claudia Pichler. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Zur Abwechslung in der trotz jahrelanger Unterbrechung erkennbaren Routine verhalf dann schließlich die Kabarettistin Claudia Pichler. Jedes Jahr, so das Ritual, darf eine andere Kleinkünstlerin (oder ein anderer Kleinkünstler) den aktuellen städtischen Masskrug mit einem Kurzauftritt promoten. Pichler verlegte sich dabei vor allem auf die Folgen der Pandemie. Sie freue sich sehr über die erste Wiesn danach, meinte sie - alleine schon, um die Leute wiederzusehen. Und deren Veränderungen: "Viele sind ja raumgreifender geworden. Man nennt das auf Bayerisch Corona-Fettn, Pandemie-Wammerl oder Booster-Bäucherl." Auch könne man sich nun seltsame Begrüßungsrituale sparen, wie den Ellenbogencheck oder die Ghettofaust, "wennst zum Beispiel den Pfarrer nach Monaten wieder auf der Straß' triffst".

Die aufdringlichen Busserl älterer Herren könne sie mittlerweile mit Verweis auf deren "Zugehörigkeit zu einer schützenswerten Risikogruppe" elegant abwehren. Dem nach den Kontaktsperren aufgetretenen gesteigerten Redebedarf lasse sich durch die bewährte Methode ihres eher schweigsamen Vaters begegnen, der Telefongespräche oft schon nach wenigen Worten mit dem Satz abwürge: "Oiso - jetzt hoit i di gar nimma länger auf!"

Ratschläge für den Wiesnbesuch habe das Bayerische genug zu bieten: "Es gibt bei uns viele schöne Begriffe rund ums Biersaufen. Ich sag nur: einilitern und reikübeln!" Ihr Favorit jedoch für den Volksfestbesuch mit ausführlichem Biergenuss: "Heit werd d'Feiertagsgurgel eighängt!" Der Applaus der Wiesnwirte zeigte: Der Wiesnmasskrug mag wichtig sein, noch wichtiger aber ist, dass die Gäste auch brav ihre Feiertagsgurgel mitbringen.

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