Bilanz der Münchner Grünen:Wahlempfehlung für Reiter war "Mist"

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Fast zweite Bürgermeisterin, jetzt doch einfache Stadrätin: Sabine Nallinger. (Foto: Catherina Hess)

Die Münchner Grünen sind wütend. Drei Wochen, nachdem das Rathaus-Bündnis geplatzt ist, wird analysiert, was schief gelaufen ist. Die Parteimitglieder geben sich selbstkritisch - und lassen keinen Zweifel daran, wer die Hauptschuld an dem Debakel trägt.

Von Dominik Hutter, München

Drei Wochen nach dem Scheitern der schwarz-rot-grünen Bündnisverhandlungen hat die Basis der Münchner Grünen heftige und teilweise sehr grundsätzliche Kritik an der Strategie der Parteispitze geübt. Die klare Wahlempfehlung für den SPD-Mann Dieter Reiter sei "Mist" gewesen, erklärte der frühere Stadtrat Jens Mühlhaus bei einer Stadtversammlung im Hofbräuhaus. Stattdessen hätte man frühzeitig vertrauensvollen Kontakt zu kleineren Parteien und auch zur CSU suchen müssen. So aber habe den Grünen "nach der KVR-Panne der Mut und die Frechheit gefehlt, um andere Verhandlungsmöglichkeiten auszuloten".

Kritisiert wurde auch der Umgang mit der gescheiterten OB-Kandidatin Sabine Nallinger, die nach langem Engagement für die Partei nun als einfache Stadträtin dasteht. "Schlichtweg schlechter Stil" sei das, ärgerte sich eine Grüne. "Ein Stimmen-Staubsauger auf Platz eins sollte als logische Folge eine führende Rolle erhalten", assistierte ein Parteimitglied mit Verweis auf das gute Abschneiden Nallingers bei der Stadtratswahl.

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Eine Rücktrittsforderung an den Vorstand, wie im Vorfeld bereits geäußert, gab es am Donnerstagabend nicht. Die Debatte verlief munter, nach einem kurz aufgeheiztem Entree aber sachlich. Hauptverantwortlich für das Scheitern, da waren sich die meisten Grünen einig, sei die SPD. Mehrere Redner warnten dennoch davor, die Schuld allein an anderer Stelle abzuladen.

Kritische Selbstreflexion ist gefragt

"Das ist mir zu wenig", erklärte Bernd Oostenryck, der nicht das Gefühl hatte, das Verhandlungsteam habe in den Bündnisgesprächen stets an einem Strang gezogen. "Eine kritische Selbstreflexion steht uns gut zu Gesicht", hieß es in einem anderen Redebeitrag. Landtags-Fraktionschefin Margarete Bause empfahl, beim nächsten Gesprächsmarathon "bitte eine oder zwei Personen mitzunehmen, die solche Verhandlungen schon einmal geführt haben".

Besonders selbstkritisch beurteilen die Grünen die Stadtversammlung, bei der sich Reiter als gemeinsamer Kandidat für die Stichwahl präsentiert hatte. "Es war ein Fehler, Reiter ohne Vorbedingungen eingeladen zu haben", kritisierte Bause. Man hätte, das merkten mehrere Redner an, vor dem Aussprechen einer Wahlempfehlung unbedingt ein eindeutiges Bekenntnis zu Rot-Grün und die Bereitschaft, notfalls eine Minderheitsregierung zu bilden, einfordern müssen.

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Aber auch die Spitzen der Münchner Grünen gestanden Fehler ein. "Ich ärgere mich im Nachhinein, dass wir nicht früher mit dem Bündnispartner gesprochen haben, dass wir das Kreisverwaltungsreferat neutral halten wollen", erklärte Nallinger in Anspielung auf die Personalie, die die Bündnisgespräche zum Platzen gebracht hatten. Die Grünen hätten sich allzu sehr auf die SPD verlassen und wohl auch zu entschieden für ein Bündnis mit dem langjährigen Partner ausgesprochen.

Hauptschuldiger, das betonten auch die Mitglieder des Verhandlungsteams unisono, sei aber die SPD, "Im Prinzip haben die uns verarscht", erklärte Parteichef Sebastian Weisenburger. Nach Einschätzung von Fraktionschef Florian Roth war das Scheitern der Gespräche unvermeidbar, weil es irgendwann am Vertrauen gefehlt habe. "Wir hätten manches besser machen können, aber am Ergebnis hätte das nichts geändert", sagte Roth.

Ko-Parteichefin Katharina Schulze betonte, das Team habe stets die Vorgaben der Stadtversammlung umgesetzt. Es sei beschlossen gewesen, offene Verhandlungen mit einer Präferenz für Rot-Grün zu führen. Vorwürfe, nicht ernsthaft verhandelt zu haben, wies Schulze zurück. "Wir haben zu fünft um jeden Fahrradweg gestritten." Die Parteichefin räumte allerdings ein, dass sich das Team bereits zwei Tage vor der entscheidenden letzten Sitzung dazu entschieden hatte, keine Schritte mehr auf SPD und CSU zuzugehen.

Es gab aber auch Unterstützung für den Vorstand. So erklärte der frühere Münchner Jugendamts-Chef Hubertus Schröer, stolz auf seine Partei zu sein, die das Spiel um Posten am Schluss nicht mehr mitgespielt habe. Eine Parteifreundin erklärte: "Ich möchte kein Mitglied einer Partei sein, die eine Schleimspur auslegt."

© SZ vom 06.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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