Wohnprojekt im Prinz-Eugen-Park:Blick hinter die Öko-Fassaden

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Was tut sich im Prinz-Eugen-Park? Das kann man künftig auch am Smartphone nachvollziehen. (Foto: Robert Haas)

In und um München entstehen Projekte, die sich grundsätzlich unterscheiden von Investoren-Mietshäusern. Ein Besuch im Prinz-Eugen-Park, wo Vision auf Wirklichkeit trifft.

Von Bernd Kastner

Ulf Rössler bemüht ein altes Bild, wenn er das Neue beschreibt: "Wie ein Dorf" solle dieses Areal mal werden, das einst eine Kaserne war, ein Dorf in der Stadt. Der Architekt steht am Zugang zum Quartiersplatz im Prinz-Eugen-Park, um ihn herum eine Schar Innovations-Interessierter, und beschreibt die drei Kriterien der Nachhaltigkeit, an denen sich hier alle orientieren: Sozial durchmischt sei die Bewohnerstruktur, ein reges Quartiersleben solle entstehen, und ökologisch solle alles gebaut und bewohnt werden. Während er davon spricht, zwängt sich zwischen der Personengruppe und einer Hausfassade ein dickes Auto durch. Vision trifft auf Wirklichkeit, auch im Öko-Quartier in Oberföhring.

Es geht an diesem Samstag weniger um Mobilität als ums Wohnen, und da ist der Trend grün, doppelt grün sogar. Es entstehen immer mehr Wohnprojekte, in München und inzwischen auch drum herum. Das sind gemeinschaftlich geplante und organisierte Häuser, die sich grundlegend unterscheiden vom Mietshaus-Wohnen nach Investoren-Maßstäben. In den Projekten achten die Planerinnen und Bewohner zum einen immer stärker auf ökologische Komponenten, auf recyclingfähige Materialien zum Beispiel oder aufs Ermöglichen nachhaltiger Mobilität. Solche Projekte entstehen längst nicht mehr allein in der Stadt, sondern auch draußen, im Grünen, in Umlandkommunen. Der 13. Wohnprojekttag, organisiert von der Volkshochschule, der Mitbauzentrale und der Wohnwerkstatt, hat diese Trends in den Fokus genommen. Zur Veranstaltungsreihe gehören Führungen durch Neubaugebiete, die geprägt sind von solchen Projekten, meist organisiert als Baugemeinschaften oder Genossenschaften.

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Neben Rössler, der die Besonderheiten des Holzbaus im Prinz-Eugen-Park erklärt, steht Ralf Schmid für den Projekt-Boom im Umland. Er arbeitet für die Genossenschaft Maro in Ohlstadt bei Murnau, die Projekte ausschließlich auf dem Land realisiert. Maro steht für "Miteinander aber richtig organisiert", die Genossenschaft hat neun Häuser gebaut, in Weilheim, Peiting, Dietramszell oder Prien, immer mit dem Fokus aufs Mehrgenerationenwohnen. Auf die Frage nach den Vorteilen einer Genossenschaft, betont Schmid zwei Sicherheiten: vor übermäßigen Mietsteigerungen, weil kein Investor mitmischt, und vor Kündigung. "Wenn ich einmal eine Wohnung habe, muss ich nicht mehr raus", sagt er.

Ulf Rössler geleitet die Gruppe zwischen Häusern hindurch, die mitunter ganz gewöhnlich aussehen, weil verputzt, und doch aus Holz sind. Manche hybrid, mit mehr oder weniger Beton, andere ganz aus Baum. Es gebe unterschiedliche Stufen der Nachhaltigkeit, was an den Baukosten abzulesen sei, mal 1800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, mal rund 3000. Aber Vorsicht, das sind die reinen Baukosten, es kommt noch allerhand oben drauf, ehe eine Wohnung verkauft oder vermietet wird, und dann ist man bei einer frei finanzierten Eigentumswohnung locker bei den in München heute üblichen 10 000 pro Quadratmeter. Der Prinz-Eugen-Park ist öko - billig ist er nicht.

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Katharina Winter beobachtet seit Jahren den Boom der Wohnprojekte in der ganzen Region. Sie berät in der Mitbauzentrale Kommunen und Bauwillige. In München begann der Boom vor etwa zwei Jahrzehnten mit damals neuen Genossenschaften wie Wogeno und Wagnis; es dauerte etwa zehn Jahre, ehe auch im Umland Projekte wuchsen. Für Großstädter, die ins Grüne wollen? Eher nicht. Winter spricht gerne vom "Zahn", den sie Münchnerinnen und Münchnern immer wieder ziehen müsse: Die Kommunen im Umland wollen ihre günstigen Grundstücke nicht projektbegeisterten Großstädtern überlassen, um so die Stadtflucht zu fördern. Solche Vorhaben seien vor allem von und für Einheimische und für jene, die zumindest einen Ortsbezug haben.

Baugenossenschaften oder -gemeinschaften im Grünen profitieren aber von einem Wissenstransfer von der Stadt aufs Land. Deshalb habe die Stadt München den Auftrag der Mitbauzentrale vor zwei Jahren auf den gesamten Großraum erweitert, sagt Winter. Entscheidend für neue Projekte sei, dort wie in München, ein bezahlbares Grundstück, und das gebe es fast ausschließlich von den Kommunen. Diese schätzten, sagt Winter, inzwischen den Wert von Wohnprojekten, weil zum Selbstverständnis der Beteiligten gehöre, sich zu engagieren, auch übers eigenen Haus hinaus. Wohnen mit Mehrwert also. "Liebe Leute hier am Ort, organisiert euch!" Einen solchen Appell an die eigenen Bürger empfiehlt Winter den Verantwortlichen in den Rathäusern, die ihr Dorf beleben wollen. Und ja, es tue sich einiges: "Es sind viele Projekte in der Pipeline."

Initiativen vor Ort sind auch der Kern der Maro-Projekte, wobei Ralf Schmid auch Großstädtern Hoffnung macht, zumindest ein bisschen: Ein kleiner Teil der Wohnungen könne an Münchner gehen. In vielen Maro-Häusern gebe es Demenz- und Pflegewohngemeinschaften, sie seien ein Kompromiss zwischen häuslicher Pflege und Heim, erklärt Schmid zwischen den Holzhäusern. Auch Maro baue mit Holz, in Andechs etwa. Dort allerdings brauche es auch viel Beton, wegen des Grundwassers: Ohne den schweren Beton würde das Haus fast wegschwimmen, sagt Architekt Rössler, der dieses Gebäude plant.

Im Prinz-Eugen-Park führt er die Gruppe in die privaten Winkel der verschiedenen Projekte, bittet, nicht zu fotografieren oder die Grünflächen zu betreten, die Bewohner seien strapaziert von den vielen Neubau-Touristen. Zu bestaunen gibt es clever arrangierte Laubengänge, ein Trampolin im Boden des Projektplatzes oder ein Mini-Bächlein, in dem Wasser von den begrünten Dächern oberirdisch abgeleitet wird. 1800 Wohnungen wird es im ganzen Quartier am Ende geben, 5400 Menschen leben hier, ein Drittel davon in der Ökosiedlung. Das alles könnte dem Dorf-Gedanken recht nahe kommen. Offenbar hat dieses städtische Dorf Neugier geweckt, auch bei jenen Firmen, die bisher nach Schema x bauen: "Inzwischen", sagt Rössler, und man hört leichten Spott aus seiner Stimme, "inzwischen ziehen sich die Bauträger ihre Öko-Klamotten an und kommen zu uns zum Besprechen." Wissenstransfer also, auch innerhalb der Großstadt.

© SZ vom 27.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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