St.-Vinzenz-Viertel:Neuer Holzhybrid-Bau für solvente Eigentümer

St.-Vinzenz-Viertel: So soll es aussehen, wenn es Ende des Jahres fertig ist: Das Holzhybrid-Ensemble "Vinzent" an der Ecke Gabrielen- und Rupprechtstraße. Simulation: Bauwerk

So soll es aussehen, wenn es Ende des Jahres fertig ist: Das Holzhybrid-Ensemble "Vinzent" an der Ecke Gabrielen- und Rupprechtstraße. Simulation: Bauwerk

Eine Wohnung in Neuhausen für 3,3 Millionen Euro? Man baue eben nicht für Krankenpflegerinnen, sagt der Firmenchef. Und Schuld sei sowieso der Markt.

Von Bernd Kastner

Am Ende ist noch Zeit für Fragen nach den eineinhalb Stunden, in denen fünf Männer viel reden. Sie preisen an, was in Neuhausen entstehen soll: ein Haus mit Wohnungen und Büros. Wenn in München ein Bauträger zum Pressegespräch lädt, dann ist das gerne mal eine Werbeveranstaltung. Und so gibt es für die Journalistinnen und Journalisten, die von freundlichen PR-Leute umsorgt werden, Frühstücksbuffet und eine Projektbroschüre in einer Baumwolltasche aus starkem Stoff. "Vinzent" ist aufgedruckt.

Die Firma Bauwerk baut 56 Wohnungen und Büros für 400 Arbeitsplätze. "Grüne Ökologie war gestern. Der Megatrend von morgen ist blau", steht in der Einladung, "denn blaue Ökologie wird technischen Fortschritt und Umweltschutz nicht voneinander entkoppeln." Ort der Projekthuldigung ist der Mercedes-Tower, ganz oben. Drunter werden Autos verkauft, man blickt auf Arnulfstraße, Donnersbergerbrücke, Landshuter Allee, auf viele fahrende und stehende Autos und auf die Bauwerk-Baustelle an der Ecke Rupprecht- und Gabrielenstraße im St.-Vinzenz-Viertel, wo gerade ein altes Parkhaus abgerissen wird. Dort soll ein Holzhybrid-Bau entstehen, mit viel Gewächs an der Fassade.

Die Pflanzen werden, entgegen dem "Megatrend", wohl in altem Grün gedeihen. Das sollen sie in ausgetüftelten, großen Pflanztrögen tun, in denen unter einem Metalldeckel das Wasser steht, auf dass die Wurzeln nie dürsten und die Pflege einfach sei. Roderick Rauert, einer der Bauwerk-Chefs, sagt in kleiner Runde, dass er gerne gartele, das wassersparende System daheim auf Balkon und Terrasse ausprobiert habe, und es selbst bei seiner Frau funktioniere, obwohl die so gar keinen grünen Daumen habe. Trotzdem wüchsen jetzt Erdbeeren bei den Rauerts daheim. Eine "Suppe" bilde sich schon unten drin, aber: nicht so schlimm.

In ihren eineinhalb Stunden schwärmen die fünf Männer - Bauträgerchefs, Projektleiter, Architekt, Trendforscher - von dem, was sie erdacht haben und bis 2024 bauen. Ihre Worte sind groß: Neue Dimension. Unglaublich. Phänomenal. Unterm Strich bedeutet das, dass das dreiteilige Gebäude drei Etagen tief in der Erde sitzt, weil man mit einer Tiefgarage das alte Parkhaus ersetzen müsse. Beim Abbruch wolle man möglichst viel Beton recyceln, später ressourcenschonend bauen und ausstatten. Fürs "Trend-Thema Nachhaltigkeit" stehe vor allem Holz, sein Anteil am Gebäude liege bei 25 Prozent.

Tristan Horx, Sohn aus der Trendforscherfamilie, skizziert in einer "Keynote" "Megatrends" und Wohntrends, letztere in fünf Thesen, zum Beispiel: "Arbeit wird flexibler, work/life verschwimmen." Oder: "Eine Zukunft in Fülle erwartet uns. #Intelligente Verschwendung". Er mag die "blaue Ökologie", weil er die grüne verbinde mit Gleichungen wie "Zukunft = Knappheit". Falsch, sagt er: "System-Technologie ist die Lösung". Während Horx in der Zukunft weilt, klappert leise ein Journalistenlöffel, zu belegten Semmeln gibt es Schokodessert. Horx, zurück im Jetzt, sagt, dass man Wodka inzwischen schon künstlich herstellen könne, das gefällt ihm. "Notfalls saufen wir uns die Welt halt schön."

Eineinhalb Stunden war Geld kein Thema, dann stellt Jürgen Schorn, der andere Bauwerk-Eigner, die Frage, ehe sie ein Journalist formuliert: Was kostet das? Antwort: Die günstigste Wohnung 659 000 Euro, dafür kriege man zwei Zimmer und 40 Quadratmeter. Die teuerste mit 200 Quadratmetern koste 3,3 Millionen, die Quadratmeterpreise begännen bei 12 400 Euro. Und wo enden sie? Bei 20 000 Euro. Viel Geld, sagen sie auch bei Bauwerk, aber ergänzen, dass andere Anbieter in dieser Gegend bis zu 28 000 Euro verlangten. Und nein, man baue keine Wohnungen für die in Coronazeiten so gelobten Krankenpflegerinnen. Schuld daran seien übrigens, und das sagen alle auf dem Münchner Markt, nicht die Bauträger, sondern die Bodenpreise. Man sei, sagt Schorn, "gefangen im Markt der Grundstückspreise".

Des Klimas wegen baut Bauwerk also mit Baum. Warum dann nur 25 Prozent Holzanteil? Das liege an der Tiefgarage, die man nun mal betonieren müsse, und am Schallschutz zwischen den Wohnungen, sagt Architekt Ludwig Wappner und erläutert dann, dass man nicht so negativ denken solle: "Man muss es positiv konnotieren." Das befolgt Bauherr Schorn, der sich, sein Team und das Hybridensemble ganz positiv sieht. Ihnen gehe es nicht so sehr ums Geldverdienen bei diesem Projekt, vielmehr wolle man voranschreiten, Neues wagen. "Wir sind losgelaufen. Wir wollen der First Mover sein."

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