Treffpunkt der rechten Szene:Kehrtwende in Richtung Toleranz

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In Zukunft ein Ort für Toleranz? Die Eventlocation "Weitblick" am Olympiapark. (Foto: Robert Haas/Bildbearbeitung: SZ)

Die Eventlocation "Weitblick" am Olympiapark hat sich zum Vernetzungsort der radikal rechten Szene entwickelt. Nun scheidet ein Betreiber aus. Sein Sohn bittet um Entschuldigung und verspricht, nicht mehr an "Querdenker" oder Extremisten zu vermieten.

Von Bernd Kastner, Sebastian Krass und Leon Lindenberger

Die Eventlocation "Weitblick" am Olympiapark hat sich in den vergangenen vier Jahren zu einem wichtigen Vernetzungsort der radikal rechten Szene entwickelt. Nun gebe es Veränderungen in der Geschäftsleitung, wie einer der beiden Betreiber mitteilt. Falk S. schreibt in einer Mail an "Geschäftspartner:innen und Nachbar:innen", dass er fortan alleiniger Geschäftsführer sei und die Geschäftsanteile seines Vaters übernehme. Der 59-jährige Mike S. steige aus der Firmenleitung aus und gebe seine Anteile ab. Dies ist offenbar eine Reaktion auf Berichte der SZ über das "Weitblick" als Treffpunkt unter anderem von "Querdenkern", Verschwörungstheoretikern und AfD-Politikern. Der Vater nahm während der Pandemie immer wieder an Demonstrationen gegen die Corona-Politik teil.

Falk S., 38, schreibt, er "bedauere es sehr", dass die Location für Veranstaltungen rechter Gruppen genutzt wurde. Nun wolle er deutlich machen, dass man "für Weltoffenheit, Toleranz, Inklusion" stehe. "Wir wollen ein Ort sein, an dem Menschen zusammenkommen - unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer Lebensentwürfe." Er distanziere sich "von Menschen und Gruppen, die diese Werte, meine Werte nicht teilen".

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Hinter der Entwicklung steht offenbar ein Familienkonflikt. Wie der Sohn schreibt, sei er 2021 aus der mit seinem Vater betriebenen Firma ausgestiegen, weil damals bereits rechte Gruppen die Räume am Sapporobogen genutzt hätten. Im Juli 2023 sei er wieder eingetreten, "mit dem ausdrücklichen Versprechen meines Vaters", dass keine Buchungen von radikal Rechten mehr angenommen würden. "Dieses Versprechen wurde gebrochen", schreibt Falk S. Dafür bittet er in seiner Erklärung, die auch auf der Firmen-Homepage veröffentlicht ist, um Entschuldigung. "Was passiert ist, kann ich nicht rückgängig machen. Als neuer Mehrheitsgesellschafter kann ich aber jetzt sicherstellen, dass sich Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen."

Fragen der SZ zur Kritik des Sohnes ließ Mike S. unbeantwortet. Und was wusste der Sohn über die jüngsten Veranstaltungen im "Weitblick"? Im November 2023 fand in der Location der "Congress der klaren Worte" statt, bei dem etwa Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gesprochen hat; im Januar lud der weit rechts stehende österreichische Sender Auf1 zum Neujahrsempfang ins "Weitblick", neben AfD-Politikern kamen auch Rechtsextremisten. Warum hat der Sohn dies nicht verhindert, obwohl er die politische Ausrichtung ablehne? Über einen Medienberater teilt Falk S. mit, er habe erst durch "Medienrecherchen" von der inhaltlichen Ausrichtung bestimmter Veranstaltungen erfahren.

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Eine Veranstaltungs-Location am Olympiapark hat sich über Jahre zu einem Sammelplatz von "Querdenkern", Verschwörungstheoretikern und AfD-Politikern entwickelt. Nun reagieren die Betreiber.

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Die Treffen im "Weitblick" wurden über Jahre dokumentiert von der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus, die von der Stadt finanziert wird. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz teilte der SZ mit, es verfolge die Aktivitäten im "Weitblick" "mit Aufmerksamkeit". Auf eine Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Anna Rasehorn und Christiane Feichtmeier zu Beobachtungen des Verfassungsschutzes schrieb das Innenministerium vor wenigen Tagen: Dem Landesamt "liegen hierzu keine Erkenntnisse vor". Wie passt dies zusammen? Einerseits die "Aufmerksamkeit", andererseits "keine Erkenntnisse" über die Gruppierungen, die sich im "Weitblick" trafen?

Ein Sprecher des Verfassungsschutzes erläutert, dass unter den Beobachtungsauftrag allein Bestrebungen fielen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung wenden. Maßgeblich sei allein die Frage, ob eine extremistische Bestrebung vorliege. Nicht Auftrag des Verfassungsschutzes sei, "gegebenenfalls gesellschaftlich polarisierende Kritik generell zu überwachen oder zu bewerten". Ebenfalls nicht zum Auftrag gehöre "ein über die philosophische Rationalität hinausgehender Skeptizismus bis hin zu irrationalen blanken Zweifeln". Deshalb lägen zu diversen Gruppen und Organisationen, die das "Weitblick" nutzten, keine Erkenntnisse vor.

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