Krieg in Nahost:Berechtigte Kritik oder Antisemitismus?

Lesezeit: 2 Min.

Das Bürgerzentrum Trafo ist erst vor wenigen Jahren eröffnet worden. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein israelischer Historiker soll in einem Münchner Bürgerzentrum über Palästina sprechen. Doch kurz zuvor wird der Mietvertrag für den Saal gekündigt. Das Amtsgericht aber erlaubt die Veranstaltung.

Von Bernd Kastner

Wo verläuft die Grenze zwischen Kritik an der israelischen Regierung und Antisemitismus? Drei Israel-kritische Gruppen hatten für diesen Montagabend den israelischen Historiker Ilan Pappé eingeladen, der Titel seines Vortrags lautet: "Palästina - Israel: Wie weiter?"

Am vergangenen Samstag hat der Trägerverein des Bürgerzentrums "Trafo", das maßgeblich von der Stadt finanziert wird, den Mietvertrag für den Saal gekündigt, aus Sorge, dass es zu Antisemitismus kommen könnte. Dagegen sind die Veranstalter vor Gericht gezogen, und am Montagnachmittag hat ihnen das Amtsgericht in einer einstweiligen Verfügung recht gegeben: Die Kündigung ist nichtig, das Bürgerzentrum wurde verpflichtet, den Saal zur Verfügung zu stellen.

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Die Begründung für die Saal-Kündigung lautet in Kurzfassung: Der Trägerverein des Trafo befürchte, dass der Vortragende oder Besucher gegen Strafgesetze verstoßen würden, oder dass Stimmung gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland gemacht oder zum Hass aufgestachelt werde. Zudem befürchte man an dem Abend das Verbreiten antisemitischer Stereotype.

Leo Agerer, Vize des Trafo-Vereins und zugleich CSU-Stadtrat, sagt, er habe erst am Freitag überhaupt von der Veranstaltung erfahren. Er begründet die Kündigung insbesondere mit einem Zitat aus einem aktuellen Aufsatz Pappés über den Palästina-Konflikt: "Das Bild ist das eines kolonisierten Volkes, das um sein Überleben kämpft, während seine Unterdrücker eine Regierung gewählt haben, die entschlossen ist, die Vernichtung, ja sogar die Auslöschung des palästinensischen Volkes - oder sogar seines Anspruchs, ein eigenes Volk zu sein - zu beschleunigen. Die Hamas musste handeln, und sie musste schnell handeln." Pappé ist in England an der Universität Exeter Direktor des "Europäischen Zentrums für Palästina-Studien".

Angela Krause, Sprecherin des Vereins Salam Shalom, der mit der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe und "Frauen in Schwarz" die Veranstaltung organisiert hat, erklärt, dass sie das Zitat nicht gekannt habe und es ebenfalls für "bedenklich" halte. Auf Nachfrage habe Pappé erklärt, er unterstütze die Hamas-Aktionen nicht, er erkläre sie lediglich als Experte; er habe betont, dass er die "Gräueltaten" der Hamas verurteile. Krause sagt, bei der Saal-Anmietung Mitte September, also noch vor dem Terrorüberfall auf Israel, habe sie angegeben, dass der Referent "zur ethnischen Säuberung Palästinas" spreche, angelehnt an den Titel eines entsprechenden Pappé-Buches.

Das Amtsgericht erlässt eine einstweilige Verfügung

Am Montag beantragten die Organisatoren über einen Rechtsanwalt beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung, um die Veranstaltung doch noch zu erzwingen. Die Vorwürfe in der Kündigung seien "absurd", argumentieren die Veranstalter, es gehe vielmehr um Kritik an der Politik der israelischen Regierung durch einen international geachteten Wissenschaftler. Das Amtsgericht habe ihnen recht gegeben, berichtet der Anwalt der Veranstalter; ein Gerichtssprecher bestätigte die Entscheidung. Die Begründung für die Kündigung sei nicht ausreichend, zudem sei der Inhalt des Vortrags seit September bekannt gewesen.

"München ist bunt" protestiert gleichwohl nach wie vor gegen die Veranstaltung und befürchtet, dass dabei das Existenzrecht Israels infrage gestellt werde: "Jeder Antisemitismus gefährdet die Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland und richtet sich gegen die demokratischen Grundwerte der Bundesrepublik."

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