"Vegane Fleischerei" am Viktualienmarkt:"Es ist mehr als bloß ein Trend" 

Lesezeit: 3 min

Geschäftsführer Markus Dorsch hat auch Fleischpflanzerl ohne Fleisch im Angebot. (Foto: Florian Peljak)

Ochsenfetzen, Leberkäse, Salami: In der neu eröffneten "Veganen Fleischerei" neben dem Viktualienmarkt gibt es Dutzende fleischlose Produkte. Das Geschäft brummt - und das liegt nicht an der Fastenzeit.

Von Sarah Maderer

Was zuerst auffällt, ist der Geruch. Herzhafte Gewürze wie in einer gutbürgerlichen Küche liegen in der Luft, dazu ist es einladend hell. Nur die glänzenden weißen Fliesen an den Wänden rund um den Verkaufstresen erinnern an eine herkömmliche Metzgerei. Und ein paar Wandhaken, von denen statt Schinken oder Salami eine Stoffkuh baumelt - "Friends Not Food" lautet der Slogan. Polsterbänke säumen die breite Fensterfront zur Frauenstraße, in der Ecke steht ein einzelner Holztisch im Landhausstil und im Hintergrund spielt Gute-Laune-Softrock aus den Neunzigern.

Seit ihrer Eröffnung Mitte Januar sei die "Vegane Fleischerei" gut angelaufen, sagt Markus Dorsch, der das Konzept aus Dresden als Franchisenehmer in München betreibt. Vor allem im Imbissbetrieb am Samstag habe sein Team kaum Zeit zum Durchatmen. Tatsächlich, die Ladentür geht ununterbrochen auf und zu, an der Verkaufstheke bildet sich eine Schlange. Die Kunden stört das nicht, so bleibt mehr Zeit zum Orientieren und Probieren. Schnell entstehen Gespräche: "Ich brauch' noch kurz, ich bin neu", "Hat schon mal jemand die Salami mit Fenchel probiert?", oder "Woraus ist denn der Heringssalat gemacht?" Das Verkaufsteam berät geduldig, schneidet im Minutentakt neue Probier-Würfel auf und reicht Löffel mit Heringssalat über den Tresen. Der besteht übrigens aus Aubergine und lässt das Gehirn tatsächlich glauben, dass man gerade Fisch isst.

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Auch Lyoner und Leberkäse schmecken so authentisch nach Fleisch, dass man in der Blindverkostung den Unterschied kaum herausschmecken könnte. Das decke sich auch mit dem Feedback "echter" Metzger, die zur Kundschaft gehören und Rückmeldung zur Würzung geben, erzählt Markus Dorsch. Hergestellt werden die Produkte aus Soja oder Jackfrucht, Auberginen oder auf Basis von Ölen.

Unangefochtener Verkaufsschlager ist nach Dorschs Worten die Leberkassemmel für 4,50 Euro. Doch wie in jeder Metzgerei scheiden sich auch hier die Geister, welcher Senf auf die Semmel gehört. "Einmal mit Ketchup und scharfem Senf, einmal mit Ketchup und süßem Senf und einmal, wie es sich gehört", ruft der Verkäufer bei der Ausgabe.

Bei Salami, Kabanossi und Bratwurst, also jenen Produkten, deren Textur im fleischlichen Original gröber ausfällt, schmeckt man dann doch einen deutlichen Unterschied. Soll aber nicht heißen, dass diese Alternativen enttäuschen, denn sie überzeugen jede für sich mit der richtigen Gewürzmischung. Außerdem gebe es keinen preislichen Unterschied zur tierischen Konkurrenz, erklärt Dorsch. "Wir liegen unter den Münchner Metzgern im guten Durchschnitt. Das Einzige, was wir nicht haben, sind unterpreiste Lockangebote. Denn es kann nicht sein, dass die Scheibe Leberkäse halb so viel kostet wie die Semmel. Zumal wir Bio-Semmeln haben."

So sieht eine vegane Wurstplatte mit dreierlei Sorten Salami, Leberwurst, Bockwurst, Ziegenkäse und zwei verschiedenen Lyonern aus. (Foto: Florian Peljak)
Die Kundschaft ist gemischt - das Interesse an veganen Produkten hat mit der Fastenzeit nichts zu tun. (Foto: Florian Peljak)
Der Ochsenfetzenburger ohne Fleisch ist beliebt. Der Renner aber ist die Leberkassemmel. (Foto: Florian Peljak)

Das Publikum in der Veganen Fleischerei ist gemischt. Es kommen viele junge Menschen, die über soziale Medien von der Eröffnung erfahren haben und zum ersten Mal vorbeischauen. Aber auch Stammgäste, die das vegane Sortiment in ihren Wocheneinkauf integriert haben. So wie Harald Langer. Der 57-jährige Münchner kauft jede Woche hier ein. Seine Frau ernähre sich ausschließlich vegan, er selbst esse noch an besonderen Anlässen Fleisch, brauche es aber eigentlich gar nicht mehr. "Einerseits esse ich vegan aufgrund von Ethik und Klimaschutz, andererseits ist es gesünder. Im Alter soll man eh nicht mehr so viel Fleisch essen", erklärt Langer.

Betreiber Markus Dorsch erlebe das bei Paaren öfter, dass sich die Frau vegan ernähre und der Mann noch skeptisch sei. Bei den Kostproben komme dann aber das Lächeln automatisch. "Wir wollen niemandem etwas aufschwatzen. Man kann ja viel erzählen, wie etwas schmeckt, aber letzten Endes muss man einfach probieren."

Das hat sich auch eine Anwohnerin gedacht, die zum ersten Mal die vegane Ochsenfetzensemmel kostet. "Würzig und lecker", stellt sie nach dem ersten Bissen fest. Sie hat es tatsächlich nach einer abgeschlossenen Fastenwoche in die Vegane Fleischerei verschlagen. Eigentlich habe sie diesen Tag noch mit einer Suppe langsam angehen wollen, aber Ochsenfetzen in vegan seien auch in Ordnung.

Würste ohne Fleisch: Bratwurst fein, Knoblauch-Bratwurst, Bratwurst, Bockwurst. (Foto: Florian Peljak)
Wenn's schnell gehen muss: Gulasch ist auch im Glas zu haben. (Foto: Florian Peljak)

Markus Dorsch sieht in der Fastenzeit eine Chance für seine vegane Wurst. "Die Leute wollen bewusst auf Fleisch verzichten, aber das ist längst nichts Saisonales mehr. Durch die vielen Flexitarier, die einen fleischlosen Tag pro Woche einlegen oder andersherum nur noch einen Tag die Woche Fleisch essen, ist das in der Mitte der Gesellschaft und in den Köpfen der Leute angekommen. Es ist mehr als bloß ein Trend."

Wenn alles nach Plan läuft, will Dorsch schon zum 9. März eine zweite Filiale in der Häberlstraße am Goetheplatz aufmachen. Sobald dort Ruhe eingekehrt ist, könne man das Thema Gastronomie-Partner angehen. "Es gibt schon mehr Anfragen, als mir lieb ist, auch von Kantinen von großen bekannten Arbeitgebern in München." Es sei außerdem nicht ausgeschlossen, dass sich die Vegane Fleischerei irgendwann um einen Stand auf dem Viktualienmarkt bewirbt, um München weiter "kulinarisch aufzuwerten", wie Dorsch sagt. Auf Beef mit der Metzgerzeile sei man nämlich nicht aus.

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