Verkehr in München:Runter vom Radweg

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Ist das Radfahren auf der Straße ungefährlicher als auf dem Radweg? Die Stadt sagt: Ja. (Foto: Stephan Rumpf)

Radfahren in München ist nicht ungefährlich - oft kommt es zu Konflikten und Unfällen. Die Stadt rät, wenn möglich, auf der Fahrbahn zu radeln, weil es dort häufig am sichersten sei.

Von Andreas Schubert

Radfahren auf den vielen schmalen Radwegen Münchens ist mitunter gefährlich. Konflikte mit anderen Radlern und Fußgängern sind an der Tagesordnung. Und an Kreuzungen oder Ausfahrten werden die Radfahrer regelmäßig von Autofahrern übersehen. Da ist es oft sicherer, sich die breite Fahrbahn mit den Autos zu teilen. Die Stadt München schafft deshalb nach und nach die sogenannte Benutzungspflicht von Radwegen ab. Weil dies vielen Radfahrern nicht schnell genug geht, sind derzeit noch einige Klagen gegen die Stadt anhängig. So lange diese Verfahren aber offen sind, nennt die Verwaltung keine Details, etwa, um welche Straßen es bei diesen Klagen geht.

Erst vergangene Woche beschäftigte sich das Verwaltungsgericht mit der Klage eines Studenten gegen die Benutzungspflicht in der Ludwigstraße. Diese wurde zwar nicht aufgehoben. Bei der Verhandlung kam aber heraus, dass die Schilder, die den Radweg am Odeonsplatz bis zum Beginn der Ludwigstraße ab der Galeriestraße benutzungspflichtig machen, dort eigentlich gar nicht hingehören. Denn der Odeonsplatz steht nicht auf der Liste der Straßen mit einer besonderen Gefahrenlage, die Schilder standen also seit 20 Jahren illegal und müssen nun abgebaut oder verhangen werden.

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Diese kuriose Wendung hat rechtliche Hintergründe: Bis 1998 mussten vorhandene Radwege immer benutzt werden. Seither sieht die Straßenverkehrsordnung vor, dass Kommunen erst eine besondere Gefahrenlage an Straßen definieren müssen, um eine Benutzungspflicht anzuordnen. An 90 Münchner Straßen können es sich Radler inzwischen aussuchen, wo sie fahren wollen. An 380 anderen Straßen müssen die Radwege nach wie vor benutzt werden. Die Benutzungspflicht ist am Verkehrszeichen 237 (weißes Rad auf blauem Grund) zu erkennen, respektive an den Zeichen 240 und 241, die einen gemeinsamen und einen getrennten Fuß- und Radweg markieren.

Die Stadt selbst rät Radfahrern, wenn möglich, auf der Fahrbahn zu radeln. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) schließt aus Unfallstatistiken und Aussagen von Experten, dass Radfahrer auf der Fahrbahn häufig am sichersten unterwegs seien, weil sie dort vom Kraftfahrzeugverkehr frühzeitig und besser gesehen werden und es daher deutlich seltener zu Konflikten mit abbiegenden Fahrzeugen kommt. Dass in 22 Jahren nicht noch mehr Fahrbahnen für den Radverkehr freigegeben wurden, liegt auch am aufwendigen Vorgehen. Das KVR muss erst die Unfalldaten der Polizei und die Verkehrsdaten des Planungsreferats auswerten.

Das KVR - und von 2021 an dann das neue Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt - arbeitet aktuell am Aufbau einer eigenen, zentralen Datenbank, in die die Daten der Polizei einfließen werden und die dann zur Unfallanalyse herangezogen wird. Ist aus den Daten abzuleiten, dass für den Radverkehr keine besondere Gefahr besteht, auf der Fahrbahn zu fahren, kann die Radwegbenutzungspflicht aufgehoben werden. Das ist immer eine Sache der Abwägung. Und die Bezirksausschüsse werden dann auch noch in die Entscheidung mit einbezogen. "Die Überprüfung der Straßen auf die Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht erfolgt sukzessiv und stadtviertelweise, sie ist noch nicht abgeschlossen", teilt das KVR mit. Überprüft würden gemäß der Straßenverkehrsordnung "grundsätzlich alle Straßen". Wo es sinnvoll ist, die Benutzungspflicht aufzuheben, ergebe immer erst die Einzelfallprüfung im Detail.

Wo viel Autoverkehr herrscht, müssen die Radler in der Regel einen Radweg benutzen, sei er noch so schmal. Dies gilt zum Beispiel für Abschnitte der Schleißheimer Straße oder der Nymphenburger Straße. In der Augustenstraße etwa wurde die Pflicht dagegen aufgehoben. Dort hält sich der Autoverkehr in Grenzen und der Radweg, der sehr schmal ist und an vielen Geschäften und Hofeinfahrten vorbeiführt, ist tatsächlich eine riskante Strecke.

Geht es nach dem Fahrradklub ADFC, sollte die Stadt noch mehr Fahrbahnen freigeben. Schon vor mehreren Jahren hat der Verein eine Liste mit mehr als 100 Straßen veröffentlicht, an denen er gerne die Benutzungspflicht aufheben lassen würde. Und Martin Glas, der frühere Münchner Vorsitzende des ADFC, sagt sogar, er persönlich halte die Benutzungspflicht nie für sinnvoll. Glas, der oft Rennrad fährt, hat schon selbst als Privatmann vor Gericht die Aufhebung von Benutzungspflichten durchgesetzt, etwa in Brunnthal im Landkreis München, wovon die örtliche Politik nicht begeistert war. Glas, der immer noch im Vorstand des ADFC aktiv ist, ist gerne schnell unterwegs und würde am liebsten immer auf der Straße fahren. Wer langsamer fahren wolle, könne doch weiterhin die Radwege nutzen.

© SZ vom 18.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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