Prozess in München:Vermeintlicher Helfer soll obdachlose Frau vergewaltigt haben

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Eine Dusche und ein Bett soll ihr der 37-Jährige angeboten haben. Doch dann soll es zu einem brutalen Verbrechen gekommen sein. Vor Gericht schweigt der Angeklagte zu den Vorwürfen.

Von Susi Wimmer

Brigitte T. hat schon viel durchgemacht in ihrem Leben, die mehr als 60-Jährige lebt in München auf der Straße. "Aber es gibt doch nicht solche Menschen, die so etwas machen können", sagte sie fassungslos gegenüber einer Polizistin. An einem Abend im September 2021 bot ein freundlicher Mann der Obdachlosen an, sie könne bei ihm duschen und übernachten. Auf dem Weg zu seiner Wohnung im Werksviertel soll der "nette Mann" sie dann zusammengeschlagen und vergewaltigt haben.

Auf der Anklagebank vor dem Landgericht München I sitzt Benjamin U. Ein gepflegter junger Mann mit Undercut, der sich auszudrücken weiß. Der 37-Jährige ist gelernter Schreiner. Die Polizei hat tatrelevante DNA von ihm am Körper der Frau sichergestellt. Aber nach Absprache mit seinem Verteidiger Timo Westermann sagt er am ersten Verhandlungstag: nichts.

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Aufgrund der "Brutalität der Tat", so berichtet eine Kriminalhauptkommissarin vor der 9. Strafkammer, habe sie Brigitte T. sofort im Krankenhaus vernommen. Die Frau erzählte, sie habe den Mann am Abend des 20. September am Orleansplatz kennengelernt. Da sie auf der Straße lebe, sei sie auf ihre Menschenkenntnis angewiesen, "und der war nett". Er bot ihr Quartier und Dusche an und so durchquerten sie die Unterführung am Ostbahnhof und gingen auf der Haagerstraße in Richtung Riesenrad. Dort sei es "zu dieser sexuellen Situation" gekommen.

Das Opfer dachte, es gäbe mehrere Täter, so brutal sei der Missbrauch gewesen

Staatsanwalt Maximilian Weihrauch geht davon aus, dass Benjamin U. sexuelle Handlungen forderte. Als die Frau das verneinte, soll er sie sofort mit mehreren Faustschlägen ins Gesicht niedergestreckt und ihr dabei die Nase gebrochen haben. Dann soll U. sie an den Haaren gezogen und ihren Kopf mehrfach auf den Boden geschlagen haben, ehe er sie vergewaltigte. Brigitte T. sagte bei der Polizei, sie habe teilweise das Bewusstsein verloren.

Richter Christian Daimer will alle Details aus dem Leben des Angeklagten wissen. Von der Schreinerlehre bis zu seiner Selbständigkeit - und dem Burn-out. U. hat zwei Söhne, für die er keinen Unterhalt zahlt. Dass er abgerutscht sei, das wolle er so nicht formulieren. Aber er verlor seine Wohnung, lebte bei einem Bekannten, häufte 100 000 Euro Schulden an, trank "zehn Bier am Tag". Und: Nach einer Auseinandersetzung mit seiner Freundin stand er unter offener Bewährung.

Ermittlungen der Polizei ergaben, dass Brigitte T. und ihr späterer Peiniger noch in einem Supermarkt am Ostbahnhof Getränke gekauft hatten. Die Filialleiterin meldete sich bei der Polizei und sagte, der Mann auf dem Überwachungs-Video komme jeden Abend in den Supermarkt. Noch während des Telefonats erschien Benjamin U. zum Einkaufen. Die Bundespolizei wurde verständigt und nahm ihn sofort fest.

Brigitte T. sprach später bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung von mehreren Tätern. "Ja", sagt die Kripobeamtin, "ich glaube, sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein einzelner Mann das alles gemacht haben kann." Der Prozess dauert an.

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