Wintersemester:Zigtausend Studierende und kein Platz

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Die Münchner Hochschulen bereiten sich für das Wintersemester auf einen Mix aus Präsenz und digitaler Lehre vor. Doch wie genau das funktionieren soll, ist offen.

Von Sabine Buchwald, München

Die Grünen haben ihren Parteitag in der Kleinen Olympiahalle abgehalten, der Stadtrat hat im Gasteig getagt. Wenn man sich direkt in die Augen sehen will, bedarf es derzeit kreativer Ideen. Daran sollte es an den Münchner Hochschulen, lauter Orten voll mit klugen Köpfen, eigentlich nicht mangeln, wenn es darum geht, den ministerialen Wunsch nach einem Hybrid-Semester umzusetzen: Ein Mix aus digitaler Lehre und Präsenz-Angeboten, so solle das neue Wintersemester an den bayerischen Hochschulen aussehen. Das verkündete Wissenschaftsminister Bernd Sibler vorige Woche erneut.

Er wünscht sich ausdrücklich eine andere Situation als im vergangenen Sommersemester, das den Studierenden coronabedingt nur Online-Lehre bot. Bis zu 200 Studierende seien nun bei einer Veranstaltung erlaubt, heißt es aus dem Ministerium. Doch ist diese Regelung tatsächlich umsetzbar? Wie sollen die Dozenten ihre Veranstaltungen planen?

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An der Ludwig-Maximilians-Universität finden in den beiden größten Hörsälen normalerweise viele Hundert Studierende Platz. Im ehrwürdigen Audimax im Hauptgebäude am Geschwister-Scholl-Platz passen knapp 800 Leute in die steil aufsteigenden Ränge. Man sitzt hier auf hölzernen Klappstühlen dicht an dicht, kommt ohne Körperkontakt kaum aneinander vorbei. Den größten Hörsaal der LMU, der jünger und moderner ist, hat man weitläufiger planen können. Er ist auf dem sogenannten High-Tech-Campus in Martinsried im Biomedizinischen Centrum (BCM) entstanden und bietet 950 Plätze. Unter normalen Umständen, wohlgemerkt. In diesen Zeiten aber gelten für Studierende, anders als an den Schulen, Abstandsregeln zwischen den Sitzplätzen.

Allein diese Vorgabe macht es den Universitäten und Hochschulen schwer, größere Veranstaltungen in ihren eigenen Gebäuden durchzuführen. "Die laut Ministerratsbeschluss theoretisch mögliche maximale Teilnehmeranzahl von 200 Personen erreichen wir aufgrund der 1,5-Meter-Abstandsregel in keinem einzigen Raum", schrieb Matthias Fahrmeir, Leiter des Liegenschafts- und Technikreferats der LMU, Mitte September an die Dekane.

Im Audimax des Hauptgebäudes seien gemäß den Hygienevorschriften lediglich 77 Plätze belegbar, im großen BCM-Hörsaal 176 Plätze. Viele Unterrichtsveranstaltungen könnten nicht in Präsenzform stattfinden, weil sie zu viele Teilnehmer haben, warnt Fahrmeir. Für Vorlesungen im großen Stil, wie sie etwa bei den Erstsemester-Vorlesungen der Juristen oder im begehrten Fach Betriebswirtschaftslehre in den großen Fakultäten stattfinden, sind diese Örtlichkeiten also nicht nutzbar. Sie werden folglich online stattfinden müssen.

Ob kleinere Veranstaltungen wie etwa Seminare von Angesicht zu Angesicht abgehalten werden können, wird derzeit an Münchens größter Universität eilig überlegt. Vor drei Wochen wurde die Raumplanung für die Veranstaltungen der LMU wieder auf null gesetzt. Wofür man sonst ein halbes Jahr Zeit hat, muss nun in sechs Wochen geschafft werden, denn am 2. November geht es dort los. Keine leichte Aufgabe.

Neben den coronabedingt beschränkten Kapazitäten ergeben sich noch andere Probleme: Die Räume müssen nach den Lehrveranstaltungen zwischengereinigt werden; außerdem braucht es Aufsichtspersonal, das die Einhaltung der Regeln gewährleistet; und es muss verhindert werden, dass es keine Menschenansammlungen auf den Gängen und auf den Toiletten gibt. Was leicht passieren könnte, wenn parallele Veranstaltungen zur selben Zeit beginnen oder aufhören.

In Anbetracht der Schwierigkeiten wundert es nicht, wenn LMU-Vizepräsident Oliver Jahraus, zuständig für die Lehre, sagt: "Wegen der anhaltenden Pandemie wird das Wintersemester wohl weitgehend so aussehen wie das Sommersemester."

Nur starten im Herbst aber sehr viel mehr Erstsemester. In den Jahren zuvor waren es um die 9000 sowohl an LMU als auch an der Technischen Universität (TU). Sie müssen sich mit den für sie neuen Gegebenheiten erst vertraut machen und sollen möglichst ihre Dozenten und Kommilitonen kennenlernen, dessen ist man sich an den Unis bewusst. "Onboarding" nennt man das im Managerjargon.

"Ich gehe davon aus, dass die gut 800 Professoren und 5500 Dozenten der 18 Fakultäten der LMU ein passendes Veranstaltungsformat anbieten werden, damit das äußerst notwendige Onboarding möglich wird", sagt Jahraus. Und ergänzt: "Für viele, viele kleine Kohorten."

Letztlich bedeutet das wohl, dass die Dozenten sich selbst überlegen müssen, wie sie Studierenden persönlichen Kontakt im kleinen Rahmen ermöglichen. Die Verantwortung liege bei den Dozenten, erklärt ein Professor. Wer kein Risiko eingehen will, plant wohl lieber digital. Kreativität und Eigeninitiative werden so nicht gerade gefördert.

Die Kleine Olympiahalle jedenfalls wurde von den Universitäten bislang nicht gebucht. Für 8500 Euro netto wäre sie pro Tag zu haben, ohne Reinigung et cetera. Einen Versuch, ob hier oder anderswo, wäre es wert, auch für Präsenzprüfungen. Aber dafür müsste den Hochschulen finanziell geholfen werden.

© SZ vom 05.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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