Nahverkehr:Teure Starthilfe für neue U-Bahnlinie

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393 Millionen Euro soll der Rohbau für die neue Station am Hauptbahnhof kosten, an der frühestens ab 2037 die neue U 9 halten könnte. (Foto: MVG)
  • Die Stadt will für 393 Millionen Euro unter dem Hauptbahnhof eine U-Bahn-Station samt Zugängen im Rohbau errichten.
  • Außerdem startet die Vorplanung des 10,5 Kilometer langen Streckentunnels der U 9 bis 2025.
  • "Ein Restrisiko bei der Finanzierung bleibt bestehen", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).

Von Dominik Hutter, München

Die anspruchsvolle Aufgabe lautet: Wie treibt man eine Milliardensumme für eine neue U-Bahn auf, obwohl die Gesetzeslage eine solche Zahlung nicht hergibt? Die Antwort des Münchner Stadtrats lautet: mit einer Vorleistung von insgesamt 493 Millionen Euro. Diesen Posten bewilligte der Planungsausschuss am Mittwoch, die Entscheidung muss allerdings noch von der Vollversammlung bestätigt werden. Mit dem Geld wird unter dem Hauptbahnhof eine U-Bahn-Station samt Zugängen im Rohbau errichtet (393 Millionen), zudem startet die Vorplanung des 10,5 Kilometer langen Streckentunnels der U 9 bis 2025 (100 Millionen).

Für einen Bundeszuschuss zu der alles in allem rund 3,5 Milliarden Euro teuren U-Bahn-Strecke liegt zwar eine Absichtserklärung des Bundesverkehrsministers vor. Fix ist aber noch nichts, zumal die aktuell verbindlichen Förderkriterien als veraltet gelten und von der U 9 wohl nicht erfüllt werden. "Ein Restrisiko bei der Finanzierung bleibt bestehen", räumt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ein. Das wollte Linken-Stadträtin Brigitte Wolf zumindest bei den 100 Millionen für die Streckenplanung nicht eingehen.

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Bei "null finanzieller Grundlage" dürfe man nicht mit einer solchen Summe in Vorleistung gehen. Die 493 Millionen für den Bahnhof trug sie jedoch mit - was den Rest des Stadtrats wie auch den Oberbürgermeister ratlos zurückließ. "Wir sollen fast 400 Millionen ausgeben und verzichten auf die weitere Planung der Strecke?", wunderte sich SPD-Verkehrssprecher Jens Röver, der in ferner Zukunft schon Archäologen bei der Entdeckung einer ungenutzten U-Bahn-Station unter dem Hauptbahnhof sah. "Völlig skurril", lautete das Urteil Reiters über die Logik der Linken.

Tatsächlich sei doch eine belastbare Planung überhaupt erst die Grundlage, um an Fördergelder des Bundes zu kommen, betonte der jüngst zur CSU gewechselte Stadtrat Alexander Reissl. Wer in Berlin Geld haben will, könne nicht mit "irgendeiner Kinderzeichnung" daherkommen. Reissl erinnerte daran, dass die Innenstadtlinie U 9 das "mit Abstand ambitionierteste Projekt" seit Beginn des U-Bahn-Baus in den Sechzigerjahren sei. Die Strecke, die sich vor allem am Hauptbahnhof durch ein Labyrinth bereits vorhandener Tunnel schlängelt, müsse an mehreren Stellen bei laufendem Betrieb an bestehende Strecken angebunden werden.

Hintergrund der Finanzierungsdebatte um die U 9, die nach heutigen Plänen erst 2037 ihren Betrieb aufnehmen könnte, ist die seit Jahrzehnten bestehende Kosten-Nutzen-Berechnung bei Nahverkehrsprojekten. Die sogenannte standardisierte Bewertung muss mindestens 1,0 ergeben, damit der Bund mitfördern darf - 1,0 bedeutet, dass für jeden investierten Euro ein Euro volkswirtschaftlicher Nutzen zurückfließt.

Der jetzige Stadtratsbeschluss baut auf das Prinzip Hoffnung

Der Teufel steckt aber im Detail: Die Rechnungsformel ist darauf ausgelegt, bislang schlecht angebundene Gebiete neu mit der U-Bahn zu erschließen. Die dafür vorgeschriebenen Kriterien sind aber im bereits mit einem dichten Netz ausgestatteten München - wie auch in vielen anderen deutschen Metropolen - kaum noch zu erfüllen. Aktuell geht es in der U-Bahn-Planung eher um die Stabilisierung und Ergänzung bestehender Liniennetze, um Pünktlichkeit und Betriebsqualität.

Eine entsprechende Überarbeitung der standardisierten Bewertung ist in Berlin schon lange angekündigt, wurde aber bislang nicht umgesetzt. Der jetzige Stadtratsbeschluss baut also auf das Prinzip Hoffnung, dass der Bund seine Zusagen auch einhält. Dass aber schon jetzt ein erster U-Bahnhof im Rohbau errichtet werden soll, der dann viele Jahre vor sich hin schlummert, hat mit der aktuellen Riesenbaustelle am Hauptbahnhof zu tun.

Der zentrale Teil der Empfangshalle ist bereits abgebrochen, um die zweite S-Bahn-Röhre und deren aufwendiges Zugangsbauwerk zu buddeln. Da die Station der U 9 unmittelbar über dem neuen S-Bahnhof entstehen soll, kann sie nur in der jetzigen Phase bei vertretbarem Aufwand mitgebaut werden. Lässt man diese Gelegenheit verstreichen, müsste die U-Bahn wohl an anderer, weniger günstiger Stelle stoppen. Attraktive Umsteigebeziehungen gelten aber als das A und O im Nahverkehr.

Die neue U 9 soll auf Höhe Impler-/Poccistraße von der bestehenden Strecke der U 3 und U 6 abzweigen. Die Stationen Impler- und Poccistraße samt einem kurzen Tunnelstück werden stillgelegt, stattdessen entsteht ein neuer Abschnitt mit nur einer Station. Nächster Halt der U 9 ist dann der Esperantoplatz im Klinikviertel, quasi mit Direktanschluss ans Oktoberfest.

Die Strecke führt über den Hauptbahnhof, die Pinakotheken und den Elisabethplatz zur Münchner Freiheit und mündet vor der Dietlindenstraße in den U 6-Tunnel ein, der zur Allianz-Arena führt. Das Fußballstadion erhält damit die bislang fehlende Direktverbindung zum Hauptbahnhof. Die U 9 dient der Entlastung der inzwischen recht störanfälligen Linien U 3 und U 6. Ein Seitentunnel führt zur Theresienstraße und ermöglicht einen Wechsel auf die U 2-Strecke Richtung Harthof.

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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