Typisch deutsch:Beten mit Bello

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Haustiere werden traditionell an jedem ersten Sonntag im Oktober zum Tag des Heiligen Franz von Assisi gesegnet, der von der katholischen Kirche als Schutzpatron der Tiere angesehen wird. (Foto: Aaron Favila/dpa)

Ein Hund oder kein Hund? Unsere Autorin und ihre Tochter sind sich bei der Haustier-Frage uneinig. Wer setzt sich durch in einem Land, wo manche ihren Dackel mit in die Kirche nehmen?

Kolumne von Lillian Ikulumet, München

Soll ich oder soll ich nicht? In den vergangenen Wochen habe ich mich in eine Debatte verstricken lassen. Meine Tochter Taliah ist davon überzeugt, dass wir einen Hund brauchen. Ich hingegen finde diesen Gedanken diskutierbar.

Um dem Streit auszuweichen, habe ich meiner Tochter ein Spielzeughündchen gekauft. Wenn man den Knopf am Kopf drückt, wackelt das Hündchen und läuft im Haus herum. Und es braucht nicht einmal eine Leine - was für eine tolle Erfindung. Taliah nimmt ihren Spielzeughund gerne mit und lässt ihn auf dem Gehweg wackeln. Wird mein Plan aufgehen, dass der wackelnde Akkuhund ihren Haustier-Drang befriedigt?

Typisch deutsch
:Das Gedächtnis und seine Grenzen

Schriftliche Planung? Unsere Autorin hatte ihre Termine jahrzehntelang im Kopf. In München praktizierte sie dieses Konzept einige Zeit mit mäßigem Erfolg. Nun hat sie das System geändert.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Die Antwort lautet nein. Sie hört nicht auf, über flauschige Welpen zu sprechen und geht auf Fremde zu, ob sie ihren Hund streicheln könnte. Man kann sagen, die zwölf Euro für unseren Akku-Wackler waren für die Katz, beziehungsweise für den Hund.

Um meine Zweifel besser zu verstehen, sollte man wissen, dass ich einen anderen Umgang mit Hunden erlebt habe, als dies hier in München und Umgebung üblich ist. Als ich in Uganda aufwuchs, hatte meine Großfamilie fünf Hunde. Es handelte sich um Wachhunde, die draußen wohnten, pünktlich ihre Mahlzeiten bekamen und dort ihren Dienst erfüllten.

In München ist so ein Hundeleben undenkbar. Hier haben Hunde Zugang zu allen Zügen und Gebäuden, einschließlich Restaurants, Bars, Einkaufszentren oder gar Kirchen. Ich war schockiert, als ich unlängst Menschen beim Gottesdienst sah, die beteten, während zu ihren Füßen ein Dackel hechelte. Es fehlte nur noch das Dackelunser. Beten mit Bello.

Man verstehe mich nicht falsch. Hunde bedeuten vielen Menschen hier sehr viel. Sie können alles sein: Spielgefährte, Partner, Helfer, Blindenführer, Beschützer und wahrscheinlich noch viel mehr.

Meine ehemalige Nachbarin liebte ihre Hunde so sehr, dass sie die Welpen im Kinderwagen schob. Andere transportieren sie in ausgebauten Handtaschen. Wenn ihr Hund stirbt, brauchen sie Monate, um darüber hinwegzukommen.

Wenn ich an Hunde denke, sehe ich mich jeden Morgen und Abend Gassi gehen, bei jedem noch so ungenießbaren Wetter. Dann kommt die Urlaubsplanung, und man muss sie in die Reise einbeziehen. Die Alternative ist ein teurer Hundesitter oder ein luxuriöses Hunde-Spa, das so viel Geld kostet, dass der eigene Urlaub nur noch auf einem schäbigen Camping-Platz finanzierbar ist.

Wenn ich an all die Kosten und die Pflege denke, merke ich, wie meine Tendenz sich langsam aber sicher in eine Entscheidung verwandelt. Es gibt genügend Kinder auf der Welt, die deutlich hilfsbedürftiger sind. Lieber investiere ich hier Geld. Vielleicht wird auch mein eigenes Kind irgendwann erkennen, welche Vorteile es hat, dass sein Hund einen Akku hat.

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