München:Streit über Verkauf an NS-Größen: Erben fordern BND-Grundstück zurück

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  • Hitlers Vertrauter Martin Bormann soll eine Bäuerin gezwungen haben, ihr Grundstück in Pullach bei München zu verkaufen, es liegt auf dem heutigen Gelände des BND.
  • Bald wird der Nachrichtendienst nach Berlin ziehen, und das Land gehört zu den begehrtesten Quadratmetern Deutschlands.
  • Nun verlangen ihre Erben das Grundstück zurück.

Von Nicolas Richter und Katja Riedel

Konnte man im Jahr 1936 Nein sagen zu einem hochrangigen Nazi, wenn der etwas von einem wollte? Konnte man Nein sagen zu ihm, wenn er einem mehrere Grundstücke im Münchner Umland abkaufen wollte? Konnte man Nein sagen zu Martin Bormann, der ein enger Vertrauter Adolf Hitlers war? Vor dieser kniffeligen, oder eher bedrohlichen Frage stand 1936 eine Bäuerin aus Pullach, Margarethe Pauckner. Bormann, einer der höchstplatzierten Männer im Staat, wollte ihr Land, um dort eine "NS-Mustersiedlung" zu bauen. Pauckner glaubte, dass sie keine Wahl hatte. Sie verkaufte ihm das Land, sieben Fußballfelder groß, vermutlich unter Wert.

Inzwischen gehört dieses Gelände der Bundesrepublik Deutschland, dort liegt die Zentrale des deutschen Auslandsgeheimdienstes, des Bundesnachrichtendienstes (BND). Bald wird der BND nach Berlin ziehen, und das Land gehört zu den begehrtesten Quadratmetern Deutschlands.

Die Erben Margarethe Pauckners erwägen jetzt, eine Zivilklage gegen die Bundesrepublik zu erheben: Sie wollen das Land zurück, das ihre Verwandte einst unter Zwang an den hochrangigen Nationalsozialisten Bormann verkaufen musste. Der Großneffe Pauckners, der Pullacher Hotelier Karl Nikolaus Köhler, glaubt: Erstens war der Kaufvertrag aus dem Jahr 1936 zwischen Pauckner und Bormann sittenwidrig, das Geschäft also nie wirksam zustande gekommen. Zweitens hat die Bundesrepublik von dem damaligen Unrecht profitiert, indem sie sich das kostbare Land nach dem Krieg selbst sicherte.

Fotos aus Pullach
:Still und dunkel steht die BND-Zentrale

Der BND zieht um, vom idyllischen Pullach nach Berlin. Martin Schlüter durfte zuvor mit seiner Kamera auf das Geheimdienst-Gelände bei München - nachts. Der Fotograf dokumentiert auch das Innenleben der Behörde, inklusive Wachhundedienstplan und Wurstsemmeln.

Die Bundesrepublik hat die Forderungen Köhlers bereits abgelehnt. Aus ihrer Sicht gebe es erstens keinen Beweis dafür, dass Margarethe Pauckner unter Druck gesetzt wurde. Und zweitens habe der Bund die Grundstücke einst vom Freistaat Bayern gekauft, von etwaigen Problemen also nichts gewusst - die Bundesrepublik sei "gutgläubig" gewesen und habe das Land damit rechtmäßig erworben.

Aber Köhler hat bei seinen jahrelangen Recherchen Dokumente aufgetrieben, die Zweifel an den Argumenten des Staates wecken. Zum einen setzte Bormann seine damalige Nachbarin Pauckner bereits 1935 massiv unter Druck. Damals schrieb er ihr einen Brandbrief, weil eine anliegende Straße angeblich verschmutzt war.

"Infolge der Regenfälle der letzten Zeit ist die Margarethenstraße wieder einmal in einem unwürdigen, jeder Beschreibung spottenden Zustand. Ich bin der Auffassung, dass wir Anwohner uns nun lange genug diesen Wegzustand haben gefallen lassen." Wenn sich daran nicht sofort etwas ändere, "würde ich mich zu meinem Bedauern gezwungen sehen, alle mir nur möglichen Maßnahmen gegen Sie zu ergreifen." Der Brief endet "mit deutschem Gruß!"

Die Bundesrepublik sieht daran keinen Beweis dafür, dass Pauckner unter Druck gesetzt wurde. In einem Gutachten, das die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Auftrag gegeben hat, und das SZ und WDR vorliegt, heißt es: "Das Schreiben ist zwar scharf formuliert, belegt aber weder eine Schikanierung noch eine persönliche Bedrohung von Frau Pauckner, und schon gar nicht in Bezug auf die Veräußerung der Grundstücke." Der Brief Bormanns spreche für eine "scharf geführte nachbarliche Streitigkeit", nicht für "NS-Unrechtsmaßnahmen".

Köhler allerdings hat noch weitere Dokumente aufgetrieben aus den Jahren nach dem Krieg, und sie liefern zumindest Indizien dafür, dass der Staat sehr wohl wusste, wie belastet der Boden des parkartigen BND-Geländes in Pullach war. Die Spuren führen unter anderem an die BND-Spitze und sogar zum Bundeskanzleramt.

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SZ PlusBND-Gelände in Pullach
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