Münchner Momente:Bestes Klima im Stadtrat

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Würden die Stadträte klimatisch klügere Entscheidungen treffen, wenn es nicht so wohlig im Sitzungssaal wäre? Man wird es nicht erfahren. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine Fraktion fordert, Heizungen und Klimaanlagen in den Sitzungssälen auszuschalten, damit die Räte "die Konsequenzen ihres Handelns hautnah spüren". Doch der OB lehnt das ab.

Glosse von Stephan Handel

"Wer nicht hören will, muss fühlen": Das ist ein seit Jahrhunderten bewährtes pädagogisches Konzept. Es basiert auf der Erkenntnis, dass es immer besser ist, etwas durch Erleben zu erlernen als nur durch theoretische Erklärung. Wenn also das Kind nicht glauben will, dass ein Ofen heiß ist, dann lassen es verantwortungsvolle Eltern halt mal auf die eingeschaltete Herdplatte fassen, auf dass es sich die kleinen Fingerl gescheit verbrennt - Lektion fürs Leben.

Die Fraktion aus ÖDP und München-Liste im Stadtrat hatte nun eine Idee, wie die Sensibilität für das Klima-Problem bei den Volksvertretern im Rathaus gesteigert werden könnte: durch Abschaltung von Klimaanlagen und Heizungen in den Sitzungssälen, um "wertvolle Energie zu sparen und um die Stadträt:innen die Konsequenzen ihres Handelns hautnah spüren zu lassen". Denn: "Die Entscheidungen des Münchner Stadtrats werden auch bei extremen Wetterbedingungen stets in wohltemperierten Sitzungssälen getroffen."

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Daran wird's wohl liegen, dass nichts vorangeht beim Klimaschutz. Wenn die Stadträte im Sommer richtig schwitzen würden während der Sitzung und im Winter bibbernd mit Handschuhen und Schal diskutieren müssten, dann würden die Debatten erstens sicher kürzer und die Beschlüsse zweitens sicher konsequenter ausfallen.

Der Antrag stammt aus dem Juli dieses Jahres, als verlässlich Temperaturen von mehr als 30 Grad gemessen wurden. Leider dauerte es bis in den nebelgrauen Herbst, bis er nun durch den Oberbürgermeister beantwortet wurde: Dieter Reiter teilt mit, dem Vorhaben nicht entsprechen zu können - jedoch nicht mit Rücksicht auf Gesundheit und Wohlbefinden der Stadträte, sondern auf Einrichtung und Kunstwerke in den Sälen.

Wenn die Klimatisierung ausgeschaltet wird, dann kann auch die Luftfeuchtigkeit nicht mehr geregelt werden. Und dann würde, etwa bei zu hoher Feuchtigkeit, das Piloty-Gemälde im großen Sitzungssaal zu schimmeln beginnen. Fehlt der Luft aber die notwendige Feuchte, würde es die Holzschnitzereien, -vertäfelungen und -decken innerhalb kürzester Zeit zerbröseln. Wird also wieder mal nichts mit dem Klimaschutz in München - nur im Rathaus, da herrscht wie seit Zeiten und weiterhin bestes Klima.

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