Es hat bei diesem Festival schon jede Menge unvergessliche Momente gegeben - aber das haben die Zuschauer hier noch nie erlebt. "Wollt ihr uns heiraten?", fragt Maximilian Weigl von der Bühne aus ins Publikum. Der Gitarrist und Sänger der Postpunk-Band Endlich Rudern , Bassist Felix Nagel und Drummer Simon Richter haben ihren Auftritt beim Festival "Sound of Munich Now", veranstaltet von der Süddeutschen Zeitung und vom Feierwerk, schon beinahe hinter sich. Das Publikum antwortet auf die Frage, oder besser: Es lacht, klatscht, kreischt. Und nun steht Maximilian da, angestrahlt von Scheinwerferlicht, ruft in die Menge: "Erinnert euch an die 15 Minuten, in denen wir verheiratet waren." Dann schlägt er die Gitarre für seinen letzten Song an.
Endlich Rudern ist eine von 21 Münchner Bands, die an diesem Samstagabend in der Hansa 39 des Feierwerks auftreten. Eine Woche zuvor steht die Band ebenfalls auf der Bühne, im Kult 9 in Neuhausen. Vorher proben die drei Musiker. Für die beiden Auftritte im Kult, indirekt aber auch fürs "Sound of Munich Now". Maximilian setzt sich hin und legt seine Beine auf die Bühne. Er trägt rote Socken mit Herz-Motiv, ansonsten ist er schwarz gekleidet. Was er sich vom "Sound of Munich Now" erhofft? "Dass ich viele neue Bands entdecke", sagt Maximilian, "Viele habe ich auch noch nicht live gesehen." Auf Cosma Joy freut er sich, und auf Samt. Aufregung spürt er eher weniger. Endlich Rudern spielen ihre Songs immerhin, ohne etwas zu sehen. Die Auftritte im Kult 9 finden im Dunkeln statt.
Bei der Sängerin von Victoryaz ist die Sache anders: Victoria Zapf ist unruhig vor ihrem Auftritt, streicht sich oft durchs Haar oder stützt ihren Kopf mit ihren Armen auf dem Tisch ab. "Ich freue mich abartig auf den Gig, den letzten musste ich leider absagen, weil ich krank war. Ich habe die Bühne so vermisst", sagt Victoria. Vor dem "Sound of Munich Now" war Victoria noch mit ihrer Band in ihren Proberäumen am Harras: Generalprobe, mit neuem Gitarristen und spontan geänderter Setlist. Danach fuhren sie direkt ins Feierwerk. Sie sieht bühnenfertig aus, ihr schwarzes bauchfreies Top schimmert rot und blau. Das Drumherum vorher spannt sie jedoch an. "Aber das ist in dem Moment, wo ich auf der Bühne stehe, vergessen", sagt sie.
Klimt
Deer Park Avenue
Things That Need To Be Fixed
Seda
Ghetto Royal
Elena Rud
Dirty Mike
Großer Andrang vor dem Feierwerk
Loriia
Victoryaz
Fleur en Fleur
Das Ding ausm Sumpf
Endlich Rudern
Flokati
Poly Poly
Flor And The Sea
Stephanie Forryan
Cosma Joy
The Lone Dining Society
Eyeclimber
Die Prokrastination
Stella Sezon
Nicolai
Viele Acts, wenig Zeit. Vor ihrem Auftritt gehen die Mitglieder von Endlich Rudern das Feierwerk ab, schauen mal bei der "Sound of Munich Now International"-Bühne in der Kranhalle vorbei. Vier Bands, deren Musiker ursprünglich aus den USA, Großbritannien oder der Ukraine stammen, aber mittlerweile in München leben. Dementsprechend sind auch viele internationale Gäste im Publikum. Simon von Endlich Rudern wippt im Takt der Musik von Stella Sezon, bereitet sich auf seinen Auftritt vor. Gleich ist er an der Reihe. Aufgeregt ist er aber nicht wirklich. Sagt er zumindest. Maximilian wollte noch seine Gitarre stimmen lassen. Er trägt wieder schwarz, nur hat er heute Socken mit Totenkopf-Motiv an. Keine Herzen mehr.
Für die Veranstaltung wurde extra eine kleine zweite Bühne in der Hansa 39 aufgebaut. So gibt es für die Zuhörer ununterbrochen Musik - sofern sie denn ins Feierwerk kommen. Die Warteschlange ist lang. Dafür ist der Abend quasi ein Crashkurs durch die Münchner Musikszene: von Pop bis Hip-Hop, von Funk bis Punk. Für Taisha Leinfelder, eine Besucherin des Festivals "Sound of Munich Now", die schon 2015 dabei war, ist die Vielfalt ein Grund wiederzukommen. "Es macht einfach immer wieder Spaß", sagt sie.
Endlich Rudern müssen nach ihrem Auftritt schnell abbauen: Things That Need To Be Fixed spielen bereits auf der anderen Bühne und die Bandmitglieder von Elena Rud wollen aufbauen. Taschenlampen leuchten auf, Kabel werden ausgestöpselt, Instrumente von der Bühne getragen. Auf der Bühne haben Endlich Rudern "Vollgas" gegeben, wie Felix sagt. "15 Minuten sind 15 Minuten", da müsse man mit vollem Einsatz reingehen, könne nicht erst langsam aufbauen. Hat es geklappt?"Nach 15 Minuten hatten wir erst das Gefühl: 'Ja, so ist's gut'."
Viele Musiker bleiben nach ihren Auftritten noch lange beim Festival. Sie hören bei anderen Acts zu oder gehen zum "Sound of Passau Now" ins Orangehouse. Vier Passauer Bands spielen dort überwiegend Rock, eine härtere Musik als die von Endlich Rudern. Oder aber, sie tauschen sich untereinander aus. Vor dem Feierwerk stehen Mitglieder von verschiedenen Bands zusammen und ratschen über vergangene Konzerte. Die Münchner Musikszene ist enger zusammengerückt in den vergangenen Jahren. Ein Miteinander ist zu spüren - keine neidischen Blicke auf die Erfolge der anderen. Das Festival "Sound of Munich Now" ist längst ein Treffpunkt geworden für das Musik-München. Manager sind hier Stammgäste, auch Musiker anderer Bands: Mola, Umme Block, der Singer-Songwriter Jacob Brass - alle da.
Victoryaz sind später auf der Bühne als Endlich Rudern. Victoria hatte sich Sorgen gemacht. Dass sie den Text vergisst. Dass sie sich verspricht. Dass irgendetwas schief geht. Verständlich, immerhin spielen die Bands hier vor einem Publikum, das sie sonst nicht erreichen würden. Da möchte man überzeugen, einen Eindruck hinterlassen. Während ihres Auftritts hält Victoria das Mikro fest in der Hand, tanzt vor und zurück, lächelt. Von ihrer Unsicherheit ist nichts zu erkennen.
Vielleicht hat es geholfen, dass sie noch mit Elena Rud vor dem Auftritt entspannen konnte. Und dass Elena Victoria Huckepack getragen hat. Wie fühlt sie sich jetzt nach dem Auftritt? Glücklich und zufrieden sei sie. Die Musikerin setzt sich in ein Sofa, lehnt sich zurück, versinkt richtig. Fordernd können diese Abende sein, vielleicht auch überfordernd. Aber auf eine schöne Weise. Victoria sagt: "Solche Abende bestätigen mir, dass ich nie etwas anderes machen möchte."