Wohnungsbau in München:Statt Mehrfamilienhaus ein zwölf Meter tiefes Loch

Lesezeit: 2 min

Ein Menetekel? Die Baubranche fürchtet, dass Bauruinen und Brachen wie hier in München bald zum Erscheinungsbild deutscher Städte gehören könnten. (Foto: Stephan Rumpf)

Das "Sendlinger Loch" steht symptomatisch für Fachkräfte- und Rohstoffmangel, Corona- und Ukraine-Krise. Und vom geplanten Concierge-Service ist die Lokalpolitik auch nicht begeistert.

Von Julian Raff

An der Ecke Alram/ Aberlestraße, wo sich zuvor halb Sendling beim Einkaufen über den Weg lief, klafft seit gut zwei Jahren eine drei Stockwerke tiefe Grube, die man, läge sie auf dem Land, für einen Kiesabbau halten könnte. Ursprünglich wollte der Bauträger M-Concept sein "elegantes Mehrfamilienhaus mit 130 herrlichen Eigentumswohnungen" plus runderneuertem Supermarkt, weiteren Läden, Kita und mehrstöckiger Tiefgarage mit 150 Plätzen noch in diesem Jahr fertigstellen. Der Aushub auf dem 4810 Quadratmeter großen Grundstück begann, weitgehend im Zeitplan, Anfang 2020, geriet aber im Herbst des Jahres ins Stocken. Derzeit arbeitet dort lediglich eine Grundwasserpumpe, die das zwölf Meter tiefe "Sendlinger Loch" am Volllaufen hindert.

Der Investor hat den geplanten Fertigstellungstermin inzwischen von 2024 auf 2025 verschoben, "aufgrund der aktuellen Marktentwicklung", sprich der Krisenserie aus Corona-, Ukraine-Krieg, Fachkräfte- und Rohstoffengpässen. Die Ausschreibungsphase für den eigentlichen Bau laufe derzeit, Ende des Jahres soll weitergearbeitet werden. Neu ausschreiben muss der Investor, nachdem er 2021 Planänderungen eingereicht hatte, die die Lokalbaukommission (LBK) nun im Mai genehmigt hat. Mit den Umplanungen an der Fassade, den Eingängen und Wohnungsgrundrissen hatte der Sendlinger Bezirksausschuss (BA) kein Problem.

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Wenig angetan zeigten sich die Stadtviertelvertreter allerdings vom nun geplanten Concierge-Service. Dass kein sozialer Wohnungsbau entstehen würde, war klar, allerdings setzt ein Wohnhaus mit beaufsichtigtem Zugang der drohenden Gentrifizierung einer immer noch halbwegs normalen Wohnumgebung aus lokaler Sicht noch eins drauf. Die Lokalpolitiker sehen sich an exklusive New Yorker Wohntürme erinnert und haben in einem eher symbolischen Beschluss klar gemacht, dass sie dergleichen nicht im Viertel haben wollen - auch wenn dem Bauherren eine "Anlaufstelle für alle Belange der Hausbewohner", also eine "gute Seele im Haus" vorschwebt.

Die Einkaufsmöglichkeiten fehlen im Viertel

Die Sendlinger und ihre Bürgervertreter warten also nicht gerade sehnlichst auf den Bezug. Dennoch gibt es keinen Grund, den Stillstand am Bau zu begrüßen, verzögert er doch auch die Wiedereröffnung des 2019 geschlossenen Rewe-Marktes.

Eine weitere, fast noch ärgerlichere Versorgungslücke hat sich aufgetan, seit ein beliebter, direkt an der Baustelle gelegener Obststand dicht machen musste. Regina und Karlheinz Mannseicher hatten das Standl mit mehr als 70-jähriger Tradition 2010 übernommen und profitierten von einem treuen Kundenstamm und von der Nähe zum Supermarkt, dessen Sortiment sie ergänzten. Die Mannseichers hatten sich lange dagegen gewehrt, dass die Ordnungsbehörde den Weiterbetrieb wegen der Nähe zur Baustelle nicht mehr verlängern wollte.

Eigentlich wollten sie dieses Frühjahr, spätestens zum Beginn der Spargelsaison, wieder öffnen. Diesmal hatte das Kreisverwaltungsreferat allerdings die Betriebsgenehmigung versagt, wegen drohender Sicherheits- und Gesundheitsgefahren durch Betonmischer und Baulaster - die nun erst einmal auf sich warten lassen. Der BA schlägt der Behörde nun einen Ersatzstandort weiter südlich vor der Bäckereifiliale an der Aberlestraße vor.

Gerüchten über Finanzierungsprobleme tritt der Investor natürlich entgegen, es bestehe "großes Interesse" an den 130 Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen, deren Vermarktungsbeginn offiziell für September 2022 angepeilt ist.

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