Schule in München:Mit dem Klimakoffer den Klimawandel begreifen

Lesezeit: 3 Min.

"All-inclusive Paket auf dem elementarsten Niveau": In Gesprächen mit ihrem Mann Harald Lesch hat Cecilia Scorza die Idee zum Klimakoffer entwickelt. (Foto: Robert Haas)

Der Klimawandel ist ein komplexes Phänomen - und macht vielen jungen Menschen Angst. Um Schülern das Verständnis zu erleichtern, haben die Physiker Cecilia Scorza und Harald Lesch den Klimakoffer entwickelt. Eine Münchner Klasse hat ihn ausprobiert.

Von Sophie Burkhart

Auf dem Pult stehen zwei Bechergläser, in einem davon liegen zwei Steine. Romy Le Hong und Valentin Zimmermann, beide zwölf Jahre alt, füllen die Bechergläser mit Wasser auf. Valentin lässt in jedes der Bechergläser zwei Eiswürfel plumpsen - in dem einen landen die Eiswürfel auf den Steinen -, und Romy markiert mit einem schwarzen Filzstift den Wasserstand. Dann stellen beide die Gläser unter einen Holzrahmen, an dem oben ein Halogenstrahler befestigt ist. "So, und jetzt beobachten wir mal, wie sich der Wasserstand verändert", sagt Lehrer Nicolas von Oy. 28 Kinder blicken gespannt nach vorne auf die Bechergläser.

Es ist die fünfte Unterrichtsstunde am Städtischen Willi-Graf-Gymnasium in München, die Klasse 7d hat Geografie bei ihrem Fachlehrer. Es geht um den Klimawandel. Von Oy möchte mit der Klasse genauer betrachten, welche Folgen ein Anstieg des Meeresspiegels hat. Der Stoff ist komplex, weshalb von Oy ein Hilfsmittel ins Klassenzimmer mitgebracht hat: den Klimakoffer.

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"Der Klimakoffer ist eine Sammlung von Experimenten, die vermitteln, warum die Erde sich erwärmt und welche Auswirkungen durch den Klimawandel und die Erderwärmung zu erwarten oder bereits sichtbar sind", erklärt Cecilia Scorza, die den Klimakoffer erfunden hat. Sie ist Astrophysikerin und Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit und von Schulangeboten der Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Ihr Mann Harald Lesch, Professor für Astrophysik an der LMU und aus dem Fernsehen bekannter Wissenschaftsjournalist, nennt sie auch "die Kofferfrau". Durch Gespräche mit ihrem Mann habe sie die Idee zum Koffer entwickelt, sagt Scorza.

Zum Koffer gehört auch ein Handbuch. "Es ist ein All-inclusive-Paket auf dem elementarsten Niveau, das man sich vorstellen kann, und es ist kompakt", sagt Harald Lesch, der daran mitgearbeitet hat. "Es verlangt nach keinem großen Raum, sondern da kann jemand kommen, den Koffer nehmen, in den Klassenraum gehen, die Versuche aufbauen und los geht's." Das Einzige, was man brauche, sei ein Wasserhahn. Im Klimakoffer sei praktisch alles, was man wissen müsse, wenn man über den Klimawandel spricht.

Der Koffer ist für die weiterführenden Schulen gedacht. Zusammen mit dem Physik- und Mathelehrer Moritz Strähle hat Cecilia Scorza die zwölf Grundexperimente des Koffers erarbeitet. Mit einem davon experimentieren die 7d und Lehrer Nicolas von Oy.

Bei den Schülerinnen und Schülern kommt die Kofferstunde gut an

Die Eiswürfel sind mittlerweile unter dem Halogenstrahler geschmolzen. Romy Le Hong und Valentin Zimmermann sollen den Wasserstand ablesen. In dem Becherglas ohne Steine hat sich der Wasserstand trotz des geschmolzenen Eises nicht verändert - in dem Becherglas mit Steinen hingegen schon! Das Experiment zeigt, dass das Abschmelzen der Eisflächen auf Landmassen - eben hier die Steine - zu einem direkten Anstieg des Meeresspiegels führt, erklärt von Oy der Klasse, die fasziniert zuhört.

Romy Le Hong und Valentin Zimmermann beim Experimentieren mit dem Klimakoffer. (Foto: Sophie Burkhart)

Der Klimawandel bewegt die Schülerinnen und Schüler. "Manchmal hab' ich schon ein bisschen Angst, dass es nicht mehr rückgängig gemacht werden kann", sagt die zwölfjährige Josefine Heller. Und auch, dass die Politiker nicht die richtigen Maßnahmen dagegen ergreifen. Im Unterricht dürfe das Thema eine größere Rolle spielen, findet sie, und auch was man selbst dagegen tun könne. Die Stunde mit dem Klimakoffer gefällt ihr bisher richtig gut. "Experimente machen mir immer Spaß. Und ich find's auch gut, wenn man anhand der Experimente sieht, wie krass der Klimawandel ist und wie zum Beispiel der Meeresspiegel steigt", sagt sie.

Viele junge Menschen hätten beim Thema Klimawandel Angst, sagt Cecilia Scorza. Auch dabei könne der Klimakoffer helfen, denn: "Um Angst zu bekämpfen, ist es wichtig, zu verstehen, was passiert. Dann können wir auch was tun", erklärt sie. Lesch vermutet, dass "wir eine ganz andere Generation von Erwachsenen jetzt" hätten, wenn es so einen Klimakoffer schon vor 30 oder 35 Jahren gegeben hätte, "weil die ganz anders in der Schule damit konfrontiert worden wären".

Die Schülerinnen und Schüler der 7d notieren sich die Beobachtungen und Erklärungen zum Experiment. "Was denkt ihr, was ein Anstieg des Meeresspiegels um ein bis zwei Zentimeter für Auswirkungen hätte?", fragt von Oy die Klasse. "Das hört sich ja erst einmal nicht nach viel an." Ein Schüler ruft rein: "Ist aber viel!" Von Oy nickt. Er zeigt Bilder vom Inselstaat Kiribati im Pazifik, wo Landstreifen im Meer versunken sind und Straßen überschwemmt wurden.

"Das ist ein Vorteil des Koffers. Komplexe Phänomene des Klimawandels können wirklich so anschaulich vermittelt werden, dass sie eindrucksvoll im Gedächtnis der Schülerinnen und Schüler hängen bleiben", sagt von Oy. Er nehme oft ein Ohnmachtsgefühl wahr, wenn er mit Klassen über den Klimawandel spreche. Er wünsche sich deshalb, dass Schulen sich stärker mit Lösungsansätzen gegen den Klimawandel beschäftigen. Und er schlägt vor, dass man auch in den Klimakoffer noch mehr Experimente einbauen könnte, die sich mit Maßnahmen zum Klimaschutz beschäftigen. Seine Klasse fand die Stunde mit dem Koffer super. Josefine Heller zeigt den Daumen nach oben.

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