Wer sich in München mit der Rosi vergnügen will, der braucht - anders als dereinst von der Spider Murphy Gang besungen - kein Telefon. Stattdessen steigt er an der Rosenheimer Straße in Ramersdorf 21 Stufen in eine Unterführung hinab, die bis vor Kurzem noch so aussah wie viele Unterführungen in der Großstadt. Heißt: düster, dreckig, deprimierend. Inzwischen aber ist es hier unten hell und freundlich, an den Wänden prangen bunte Graffiti, dazwischen tummeln sich Jugendliche und Kinder. Und das alles wegen Rosi.
Gemeint ist die "Riesige Rosi", eine Boulderwand auf 700 Quadratmetern Fläche, die laut dem Kraxlkollektiv zu den größten ihrer Art weltweit zählt. Das Kollektiv hat schon mehrere frei zugängliche Kletteranlagen in München realisiert - etwa den kürzlich abgebauten "Lolliblock" im Kulturzentrum "Sugar Mountain" oder den "Dicken Hans", der im Mai 2022 von der Theresienwiese unter die Candidbrücke umgezogen ist. Rosi ist bislang das mit Abstand größte Projekt, für das die Ehrenamtlichen des Kraxlkollektivs, das seit zwei Jahren zur Sektion Oberland des Deutschen Alpenvereins (DAV) gehört, in vier Monaten mehr als 16 000 Löcher gebohrt, 14 Tonnen Tartanboden verlegt und Hunderte Griffe angeschraubt haben.
"Das ist eine Boulderwand, die von der Größe her mit kommerziellen Boulderhallen mithalten kann. Aber sie ist gratis und rund um die Uhr zugänglich", sagt Hannes Kuhl vom Kraxlkollektiv am Dienstagnachmittag bei der offiziellen Eröffnung. Hinter ihm versuchen sich gerade ein paar Kinder an einer Route, die mit zwei gelben Fähnchen gekennzeichnet ist - mithin die leichteste Kategorie. Doch auch für fortgeschrittene Kletterer fänden sich zahlreiche knifflige Routen, einige davon über Kopf und an Schrägwänden, sagt Kuhl. "Ich denke, das ist ein Projekt, das große Strahlkraft hat und den Bouldersport in München nach vorne bringen kann."
Auf jeden Fall trifft die "Riesige Rosi" auf eine große Nachfrage, schließlich erlebt das Klettern seit Jahren einen Boom, wovon auch zahlreiche neue Hallen zeugen. "Der Klettersport hat ein enormes Potenzial", sagt Matthias Ballweg, Vorsitzender der DAV-Sektion Oberland. "Aber er ist nicht niederschwellig, was die soziale Komponente angeht." Schließlich kosten die großen Boulderhallen bis zu 15 Euro Eintritt, "was sich nicht jeder leisten kann", sagt Kuhl. Hier komme das 2020 von Maximilian Gemsjäger gegründete Kraxlkollektiv ins Spiel. Denn dessen Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Bouldern für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen - durch öffentliche, kostenlose Kletterwände.
Diese haben freilich ihren Preis, der im Fall der "Riesigen Rosi" bei mehr als 200 000 Euro lag - plus enorm viel Eigenleistung, betont Kuhl. Finanziert wurde die Boulderwand durch Stiftungen, die Stadt, den DAV und Spenden. Herausgekommen ist ein Kletterparadies auf 75 Metern Länge, an einem Ort, der einst "eine kahle, triste Unterführung" war, so Kuhl. "Und jetzt ist daraus eine wunderschöne Rosi geworden."