Messestadt Riem:Neue Ideen für den alten Nazi-Bau

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Die Stadt will Teile der verfallenen Riemer Flughafentribüne wieder herrichten. Machbar wäre dort einiges: Ausstellungen, Kunstaktionen oder auch ein Stadtteiltreff mit Gastronomie.

Von Dominik Hutter

Die Räume mit der Adresse Werner-Eckert-Straße 1 befinden sich weitab jeder MVV-Verbindung. Sie sind durchfeuchtet, teilweise marode und verfügen weder über eine Heizung noch über einen Fußboden. Aber es gibt sie, und in den Büros der Münchner Stadtverwaltung wird nun schon seit vielen Jahren darüber nachgedacht, was mit dem sogenannten Kopfbau der Riemer Flughafentribüne passieren soll.

Die neueste Idee: ein Experimentierfeld unter der Ägide der städtischen Referate. Platz für Ausstellungen, Installationen, Kunstaktionen, Lesungen, Theater, Tanz oder Podiumsdiskussionen. Ein Stadtteiltreff, vielleicht auch mit Gastronomie. Der Versuch mit einem bunten Nutzungsmix könnte im Winter 2021/22 starten, er soll bis mindestens 2024 laufen.

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Vorher aber sollen die frühere Kassenhalle und ein kleiner Teil der Tribüne hergerichtet werden. Rund 1,2 Millionen Euro kostet es, Fehlendes wie Heizung und Fußboden sowie einen neuen Stromanschluss und eine Außenbeleuchtung nachzurüsten. Die Vollversammlung des Stadtrats soll darüber an diesem Mittwoch entscheiden - es wäre ein bedeutsamer Schritt in einer langen und zähen Debatte.

Denn die von 1937 bis 1939 für die Zuschauer von Flugshows errichtete Tribüne am einstigen Flughafen München-Riem steht schon seit vielen Jahren leer. Keiner wusste, was damit geschehen soll. Das Kommunalreferat bekämpfte derweil intensiv den Schimmel im Mauerwerk.

Überreste vom ehemaligen Flughafen an der Werner-Eckert-Straße. Jahrelang wusste niemand, was damit geschehen soll. (Foto: Florian Peljak)

Im Jahr 2005, zur Bundesgartenschau, war in den Räumen der Kassenhalle provisorisch ein Café untergebracht. Seitdem will es nicht recht weitergehen mit der Nutzung der leer stehenden Anlage, die alles in allem rund 500 Meter lang und an vielen Stellen so überwuchert und baufällig ist, dass ihre ursprüngliche Funktion gar nicht mehr erkennbar ist. Weil alle Ideen mit privaten Investoren gescheitert sind, will Kommunalreferentin Kristina Frank nun, dass die Stadtverwaltung selbst die Räume für sich nutzt.

Zusätzlich zur Sanierung müssten auch noch Möbel, Veranstaltungstechnik, Trennwände und einiges mehr angeschafft werden - für noch einmal 270 000 Euro. Dann aber sieht man sich gewappnet für den großen Verwaltungsversuch, aus dem sich peu à peu ein attraktiver Anlaufpunkt für die umliegenden Stadtviertel entwickeln soll.

Dort tut sich aktuell einiges: Der fünfte Bauabschnitt der Messestadt steht an, die Fertigstellung von Bildungscampus und Sportpark nördlich der Tribüne ist in Sicht. Dafür soll das nördliche Tribünen-Ende stabilisiert, neu gestaltet und möglicherweise eingekürzt werden. Was mit dem großen Rest der geschwungenen Steinkonstruktion passiert, bleibt unklar. Eine Sanierung des gesamten Komplexes wird auf 35 bis 30 Millionen Euro geschätzt. Viel Geld für ein marodes und eigentlich sinnloses Nazi-Monstrum.

Das Sozial- und das Kulturreferat gehen allerdings davon aus, dass eine Öffnung zumindest des unmittelbar an den Kopfbau anschließenden Teils der Tribüne unerlässlich ist, um Platz für Personaltoiletten, Lagerräume oder Umkleiden zu schaffen. Darüber soll allerdings erst nach der Experimentierphase 2024 entscheiden werden. Immerhin: Die Besuchertoiletten sind schon jetzt in einwandfreiem Zustand, und das Kommunalreferat verzeichnet echte Fortschritte im Kampf gegen den Schimmel. Der muss raus, das ist klar - städtische Angebote dürfen nicht der Gesundheit schaden.

Ursprünglich war ein provisorischer Betrieb samt Café schon in diesem Sommer geplant, eine Genehmigung dafür liegt bereits vor. Diese Pläne fallen allerdings den Corona-Auflagen zum Opfer. Wie sich ohnehin einiges durch die Pandemie verzögert hat. Ursprünglich war geplant, mit der Sanierung für das große Experiment im Januar 2021 zu beginnen, damit es Anfang Juni 2021 mit der bürgerschaftlichen und kulturellen Nutzung losgehen kann. Das verzögert sich nun um einige Monate.

© SZ vom 16.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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