Milbertshofen:Bald ist Schluss mit dem Schrauben

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Mehr als bloß eine Werkstatt: Meister Jan Lalleike (rechts) mit einem Mitarbeiter. (Foto: Schuster/EJM/Evangelische Jugend München)

Vergangenes Jahr ist der Fahrradwerkstatt R 18 der Mietvertrag gekündigt worden. Findet die sozialpädagogische Einrichtung bis zum Frühjahr keine neuen Räume, steht das Projekt vor dem Aus.

Von Lea Kramer

Zwischen 500 und 1000 Quadratmeter sind im Gewerbebereich keine riesige Fläche. Wer solch eine Immobilie allerdings im Wohngebiet zu akzeptablen Kondition sucht, stößt schnell an die Mauern des Münchner Mietmarkts. Die Fahrradwerkstatt "R 18" in Milbertshofen kennt diese Situation nur allzu gut. Unfreiwillig befindet sich die sozialpädagogische Einrichtung am Wallensteinplatz nach einem Eigentümerwechsel seit einem halben Jahr auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Noch bis zum Frühjahr wollen die Verantwortlichen durchhalten. Wenn sie bis dahin keine Räume gefunden haben, muss die Fahrradwerkstatt schließen.

Nachdem die Stadt vergangenen Sommer ein Vorkaufsrecht auf dem Grundstück zwischen Schleißheimer, Milbertshofener, Korbinian- und Wallensteinstraße angewandt hatte, unterschrieb der neue Eigentümer eine Abwendungserklärung. Die Mieter eines Wohnhauses auf dem Gelände waren dadurch vor Vertreibung geschützt, die Gewerbebetriebe allerdings nicht. Der Vertrag mit dem R 18 läuft noch bis Mitte des Jahres, dann muss die Werkstatt ausziehen.

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Das Unternehmen, dessen Träger die Evangelische Jugend München (EJM) ist, finanziert sich zur Hälfte aus städtischen und kirchlichen Fördermitteln sowie aus den Fahrradverkäufen und zu einem kleinen Anteil aus Spenden. Es ist Teil der betrieblichen Jugendhilfe und braucht Planungssicherheit, daher hat es sich eine Frist bis Ende März gesetzt. "Wir sind Radlwerkstatt, -verkäufer und Bildungsträger in einem - unser Schwerpunktbereich ist das Recycling. Das braucht einfach Platz", sagt Werkstattleiter Friedrich Winbeck. Darüber hinaus sei ein Standort im Industriegebiet wenig sinnvoll, da die Kunden des Betriebs hauptsächlich Anwohner aus dem Münchner Norden seien.

Die jungen Menschen nehmen mehr mit als eine berufliche Qualifikation

Sowohl die Stadt als auch die evangelische Kirche hatten der Werkstatt Unterstützung zugesagt. Passende Räume haben aber auch sie bislang nicht finden können. Dass ein ähnlicher Mietpreis wie bisher von unter zehn Euro pro Quadratmeter beim Abschluss eines neuen Vertrags erzielt werden kann, damit rechnen die Verantwortlichen zwar nicht. Je höher die Kosten allerdings für die Miete ausfallen, desto mehr Förderung müsste der Betrieb bei öffentlichen Stellen beantragen - und damit auch die städtische Kasse belasten.

Die Einrichtung mit Arbeitsplätzen für zwölf Jugendliche sowie fünf Sozialarbeiter, Pädagogen und Therapeuten besteht seit 1985. Dort können junge Menschen, die Probleme haben, eine Lehrstelle zu bekommen, ein Praktikum oder eine Ausbildung zum Zweiradmechatroniker machen. Die meisten jungen Mitarbeitenden und Absolventen kommen aus schwierigen Verhältnissen, hatten eine mitunter holprige Schulkarriere oder leiden unter psychischen Beeinträchtigungen.

In der Fahrradwerkstatt erhalten sie neben praktischen Fähigkeiten bei der Montage, im Reparaturdienst oder dem Fahrradverleih auch Unterstützung bei Behördengängen oder Beratung in anderen Lebensbereichen. Wichtiger als die beruflichen Qualifikationen ist die persönliche Entwicklung, denn im R 18 lernen die jungen Menschen Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. "Die haben alle was drauf, sie wissen es nur oft nicht", sagt Friedrich Winbeck.

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